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Baustelle – in vielerlei Hinsicht. An der Breiten Straße hat der umstrittene Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche begonnen. Nebenan steht das Rechenzentrum als Haus für die Kreativwirtschaft, für das gerade ein schlüsselfertiger Ersatzbau geplant wird. Doch noch sind viele Fragen ungeklärt, was Raum für Irritationen gibt.

© Sebastian Gabsch

Jann Jakobs und das Rechenzentrum in Potsdam: Pikante Details aus dem Kuratorium

Oberbürgermeister Jakobs stimmte im Kuratorium der #Garnisonkirche-Stiftung für den umstrittenen Beschluss zum #Rechenzentrum, den er später kritisierte.

Potsdam - Nach der heftig kritisierten Entscheidung des Kuratoriums der Garnisonkirchen-Stiftung, einer Nutzung des Rechenzentrums als Kunsthaus über 2018 hinaus zunächst nur für maximal zwei weitere Jahre zuzustimmen, werden neue pikante Hintergründe bekannt – insbesondere für die Potsdamer Rathausspitze. Denn obwohl Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zuletzt monierte, ihm wäre von Seiten der Stiftung eine Verlängerung bis 2023 und damit ein „deutlicheres Zeichen“ lieber gewesen, hat er im Stiftungskuratorium nach PNN-Informationen genau die von ihm kritisierte Entscheidung gebilligt. Nicht einmal einen offiziellen Antrag an das Kuratorium, das Rechenzentrum bis 2023 zu verlängern, hat die Stadtverwaltung bisher gestellt.

Rathaussprecher Stefan Schulz verteidigte am Dienstag das Votum von Jakobs. Denn immerhin habe sich die Stiftung mit der Entscheidung „erstmals aktiv dafür ausgesprochen“, eine Verlängerung der Nutzungsduldung für das Rechenzentrum über den 31. August 2018 hinaus zu ermöglichen. Dem habe Jakobs „natürlich zugestimmt“ – zumal im Kuratorium verabredet worden sei, dass man sich im Juni bei der nächsten Sitzung des Gremiums erneut mit dem Thema befassen werde. Somit sei keine abschließende Haltung der Stiftung formuliert. Es gehe also nicht um eine Begrenzung der Laufzeit des seit 2015 für Künstler genutzten Rechenzentrums – diese Zeit werde vielmehr erstmals verlängert, lobte Schulz. Zumal es bisher für eine Verlängerung der Nutzung um fünf volle Jahre bis 2023 in dem Kuratorium keine Mehrheit gebe, so Schulz. Zum Verständnis: Die Garnisonkirchen-Stiftung muss eine Nutzungsverlängerung absegnen, weil ihr ein Teil des Grundstücks gehört, auf dem das Rechenzentrum steht – das für das bisher nicht ausfinanzierte Schiff der Kirche weichen müsste.

Stiftungsvorstand für das Rechenzentrum kann Weiterführung der Mietverträge für ein, maximal zwei weitere Jahre akzeptieren

Der besagte Kuratoriumsbeschluss vom 2. März hatte in den vergangenen beiden Wochen für erhebliche Kritik gesorgt. Im Stadtparlament zeigten sich am vergangenen Mittwoch mehrere Kommunalpolitiker sehr irritiert, vor allem weil nun Planungssicherheit für das Rechenzentrum fehle. Auch Jakobs hatte im Hinblick auf die maximal zwei Jahre Laufzeit erklärt: „Die Erwartungshaltung war schon anders.“ Nun liege es auch an der Stadtpolitik, sich klar in Richtung der Stiftung zu positionieren. Sein eigenes Stimmverhalten und andere Hintergründe erwähnte der Oberbürgermeister aber nicht.

Denn im Kuratorium konnte auch niemand über irgendetwas abstimmen: In der März-Sitzung lag dem Kuratorium schlicht kein formaler Antrag der Stadt für eine Verlängerung der Laufzeit vor, wie Stiftungssprecherin Katharina Körting am Dienstag auf PNN-Anfrage bestätigte. Doch genau darauf hatten nach PNN-Informationen einzelne Mitglieder des Kuratoriums im Vorfeld gedrängt – um eine Entscheidungsgrundlage zu besitzen.

So verständigten sich die Mitglieder auf folgende Lesart: Man begrüße den Verlauf und die konstruktiven Ergebnisse eines im Februar beendeten Szenario-Workshops, bei dem sich Stadtverordnete und Betroffene prinzipiell auf einen dauerhaften Standort für die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Mitte Potsdams verständigt hatten – jenseits des Rechenzentrums. Zugleich wurde ausdrücklich erwähnt, dass eben „keine ausreichende Antragsgrundlage“ vorliege und weitere Schritte der Stadt noch anstünden. Da man gleichwohl den „Fortgang des Vorhabens befördern möchte“, könne der Stiftungsvorstand für das Rechenzentrum „zunächst eine Weiterführung der Mietverträge für ein, maximal zwei weitere Jahre“ akzeptieren.

„Nachbarschaft von Kreativen in Kunst und Kirche wäre ein Gewinn für Potsdam“

Sprecherin Körting versicherte am Dienstag, die Stiftung habe Interesse an einer geeigneten Beheimatung der Kreativen und begleite den Prozess wohlwollend. Und: „Eine auch zukünftige Nachbarschaft von Kreativen in Kunst und Kirche wäre ein Gewinn für beide Seiten – und für Potsdam.“ Nach dem umstrittenen Beschluss hatte sie aber auch erklärt, man wolle sich bewusst nicht bis 2023 festlegen: Dem Rathaus solle damit klargemacht werden, dass ein „schnelles Verfahren“ erforderlich ist.

Rathaussprecher Schulz wiederum erklärte das Fehlen des Antrags zur Laufzeitverlängerung damit, dass bei der Sitzung des Kuratoriums die Schlussfolgerungen aus dem Szenario-Workshop noch nicht vorliegen konnten. Denn erst im April werde man darüber in einer Mitteilungsvorlage mit der Stadtverordnetenversammlung beraten, bis Juni solle dann ein Beschluss für den neuen Kreativbau fallen. Es geht um ein Gebäude mit 10 000 Quadratmetern Fläche für die Arbeitsräume und 10 000 Quadratmetern für ergänzende Nutzungen, was deutlich größer als das Rechenzentrum wäre.

Allerdings gibt es noch offene Fragen, etwa ob die Stadt oder ein Investor baut, wie das Konstrukt aussehen soll und ob es für die Künstler günstige Konditionen gibt. Rathaussprecher Schulz sagte, zudem müsse auch ein neuer Betreibervertrag für das Rechenzentrum ausgehandelt werden. Beides wolle man zu einer weiteren Kuratoriumssitzung im Juni vorlegen, so Schulz – als Entscheidungsgrundlage.

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Hintergrund: Das Kuratorium

Das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche hat aktuell insgesamt 15 Mitglieder. Dazu gehören unter anderem Brandenburgs Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), die früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck sowie Landeswissenschaftsministerin Martina Münch (alle SPD) und Renke Brahms, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Vorsitzender ist der frühere Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber. Seine Stellvertreterin ist die ehemalige Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP), Vorsitzende der Synode der EKD. Die Tätigkeit im Kuratorium ist laut Stiftungssatzung ehrenamtlich, das Gremium bestimmt demnach auch die Grundsätze der Stiftungsarbeit.

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