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Interview über Luftangriff auf Potsdam: „Sie können keine Silvesterknaller hören, keinen Grill riechen“

Wie wirkte sich der Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 auf die Bewohner der Stadt aus? Die Folgen waren immens, manche Zeitzeugen kämpfen bis heute mit den schweren Traumata, schildert ein Forscher.

Herr Potempa, das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) hat sich mit sozialen Aspekten des Bombenangriffs auf Potsdam am 14. April 1945 beschäftigt. Zu welchen Schlussfolgerungen sind Sie gekommen?

Die sozialen Folgen für die Menschen waren immens. Schwere Traumata verfolgen die Zeitzeugen bis heute. Viele können keine Silvesterknaller hören, keinen Grill riechen und bei Probealarmen der Sirenen zucken sie zusammen. Dabei gibt es ja durchaus unterschiedliche Aspekte bei der Zerstörung Potsdams. Neben dem Luftangriff der britischen Bomber wurde die Stadt auch durch russische Artillerie schwer getroffen. Die Berliner Operation der Roten Armee begann am 16. April, also einen Tag später.

Welchen Anteil hatte der Angriff der Roten Armee an der Zerstörung?

Schätzungen bewegen sich hierbei zwischen 30 und 50 Prozent. Nach 1945 freilich wurde die Interpretation der alleinigen Zerstörung der Altstadt durch die britische Royal Air Force eher bevorzugt. Die Gesamtschäden traten in den Hintergrund. Zudem dürfte es einfacher gewesen sein, Altstadt-Motive mit Ruinen zu fotografieren als Bahnhöfe, Fabriken oder gar Kasernen, die nach 1945 weiter genutzt werden konnten.

Ist der Ablauf der Bombardierung schon genügend erforscht? Gibt es noch Unsicherheiten?

Ich glaube, durch die Arbeit des Autoren Hans-Werner Mihan ist die Nacht von Potsdam bereits sehr gründlich erforscht worden. Wichtig wäre auch hier die Unterscheidung von Schäden durch Bomber und durch die Artillerie der Roten Armee.

War der britische Angriff überhaupt militärisch notwendig, gar sinnvoll? Gelegentlich wird vorgebracht, dass Potsdam relativ unwichtig war im Vergleich zu anderen Städten.

Der Angriff erfolgte knapp drei Wochen vor Kriegsende und kurz vor Beginn der sowjetischen „Berliner Operation“, der britische Angriffsbefehl nennt Schienenwege und Militärkasernen als Ziel. Immerhin wurde in den Wochenschauberichten von einem „Terrorangriff auf die historische Residenz Friedrichs des Großen“ gesprochen.

Was löst ein solches Ereignis bei einem Menschen aus?

Das hängt von der individuellen Reaktion ab. Viele Zeitzeugen konnten das wohl eine Zeit lang verdrängen. Oft kommen die Traumata aber im Alter wieder zum Vorschein.

- Das Interview führte Stefan Engelbrecht

ZUR PERSON: Harald Potempa vom ZMSBw beschäftigt sich unter anderem mit militärhistorischen und sozialwissenschaftlichen Aspekten des Bombenangriffs.

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Stefan Engelbrecht

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