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Interview über kostenloses Frühstück: „Die Versorgung der Kinder sollte nicht dem Zufall überlassen werden“

Ist ein kostenfreies Frühstück für bedürftige Schulkinder ein sinnvolles Projekt oder werden die Eltern dadurch aus der Verantwortung genommen? Expertin Wiebke Rockhoff spricht im PNN-Interview darüber.

Von Katharina Wiechers

Frau Rockhoff, in Potsdam wird über die Einführung eines kostenlosen Frühstücks an Grundschulen für benachteiligte Kinder nachgedacht. Ist so ein Angebot aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Ich denke, das ist eine gute Idee, es kommt allerdings auf die Umsetzung an. Wichtig ist natürlich, dass die Kinder dadurch nicht zusätzlich stigmatisiert werden und als Außenseiter dastehen, weil sie das Angebot wahrnehmen. Und das Essen sollte eine entsprechende Qualität haben und wirklich gesund sein.

Würden die Eltern dadurch aus der Verantwortung genommen?

Auch Eltern, bei denen das Geld sehr knapp ist, räumen den Bedürfnissen ihrer Kinder meist oberste Priorität ein. Aber bei den Kindern, die bislang über die Projekte versorgt werden, ist Bedarf eben ganz offensichtlich da. Es ist aus unserer Sicht wichtig, die Versorgung der Kinder nicht dem Zufall zu überlassen wird, sondern das Gemeinwesen hier Verantwortung übernimmt.

Haben Sie denn Verständnis für Eltern, die Kinder ohne Frühstück schicken? Reicht etwa nicht mal dafür das Geld?

Da kommen sicher mehrere Faktoren zusammen. Zum einen ist der Kinderregelsatz für Hartz-IV-Empfänger deutlich zu niedrig, das haben wir nachgerechnet. Gleichzeitig wird das Kindergeld mit den Leistungen verrechnet, es ist für diese Gruppe von Menschen also gar keine Extra-Leistung, die den Kindern zugutekommt. Zum anderen sind gerade jene Eltern, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind oder psychische Probleme haben, teilweise sehr mit sich selbst beschäftigt oder überfordert. Und es sind eben nicht alle Familien so gut organisiert, das wenige Geld so optimal zu verteilen. Man könnte den Eltern dies und das vorwerfen, letztlich kommt man damit aber nicht weiter. Die Kinder kommen de facto ohne Frühstück in die Schule, und daran muss etwas geändert werden. Das Bedürfnis der Kinder sollte hier im Vordergrund stehen.

Bislang kümmert sich die Potsdamer Arbeiterwohlfahrt darum, dass Kinder an einigen Schulen ein Frühstück bekommen. Nun wird über eine Einführung des Angebots an allen staatlichen Grundschulen debattiert, finanziert womöglich von Stadt und Land. Ein Schritt in die richtige Richtung?

Ja, definitiv. Es stünde einem Sozialstaat gut zu Gesicht, Kindern einen gesunden Start in den Tag zu ermöglichen.

Die Fragen stellte Katharina Wiechers

ZUR PERSON: Wiebke Rockhoff (42) ist Referentin für Grundsicherung und Arbeitsmarktpolitik bei der Diakonie, die auch für die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Brandenburg spricht.

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