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Interview über Islam und Demokratie: „Der Islam ist nicht nur friedlich“

Der Potsdamer Religionsforscher Hans-Michael Haußig spricht im PNN-Interview über das Verhältnis von Islam und Demokratie. Und erklärt, weshalb es in der Debatte oft zu Missverständnissen kommt.

Herr Haußig, am heutigen Montag endet in der Wissenschaftsetage eine Tagung zum Thema „Islam und Demokratie“. Ist der Islam eine kriegerische Religion?

Für viele mag es im Moment so aussehen. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass der Islam nicht kriegerischer ist als andere Religionen. Das Christentum war etwa zu Zeiten der Kreuzzüge kriegerischer als der Islam. Und selbst „friedfertige“ Religionen wie der Buddhismus führen Krieg – etwa in Birma gegen die muslimischen Rohingya.

Ist es dann Zufall, dass sich in der ganzen Welt Terroristen auf den Koran berufen?

Es ist falsch, zu sagen, dass der Islam mit Gewalt gar nichts zu tun hat und nur eine friedliche Religion ist. Genauso ist der Islam aber auch nicht nur gewalttätig. Entscheidend ist, wie Muslime den Islam auslegen. „Den“ Islam gibt es nicht, sondern nur verschiedene Interpretationen des Islams. Aber natürlich sucht sich der Islamische Staat Verse aus dem Koran raus, die Gewalt zu legitimieren scheinen.

Wenn solche Passagen im zentralen Werk des Islams stehen, muss der Koran dann nicht an die heutige Zeit angepasst werden?

Eine Heilige Schrift kann man nicht einfach umschreiben. Auch in der Bibel stehen viele Dinge, die aus der Zeit gefallen sind. Deshalb schreiben Juden und Christen die Bibel auch nicht um. Aber: Durch eine historische Einordnung, wie sie der Mainstream des Islams vornimmt, werden solche Passagen entschärft.

Sind muslimische Zuwanderer denn schwerer in ein demokratisches System zu integrieren als andere?

Aus meiner Sicht hängt das nicht von der Religion ab. Viele Probleme, die einige Muslime mit der offenen Gesellschaft und Demokratie haben, können vielmehr vor dem politischen und gesellschaftlichen Hintergrund der Heimat erklärt werden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat kürzlich in einer Rede gesagt: Zum Deutsch-Sein gehört die Verantwortung für die Sicherheit Israels. Glauben Sie, dass sich das muslimischen Zuwanderern vermitteln lässt?

Ich denke, da gibt es unter den Muslimen Unterschiede. Besonders schwierig dürfte es bei arabischen Zuwanderern, insbesondere aus den Nachbarstaaten Israels, werden. Bei den Türken oder den Kurden sehe ich da zum Teil weniger Probleme.

Braucht es einen Aufstand der anständigen Muslime zur Abgrenzung gegenüber Islamisten?

Ich denke, das machen die schon. Es wird nur nicht immer so ganz wahrgenommen. Aber gerade in den letzten zwei Jahren haben sich die anständigen Muslime verstärkt abgegrenzt.

Das Interview führte René Garzke

Hans-Michael Haußig, 57, ist seit 1999 Mitarbeiter am Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft sowie am Institut für Lebensgestaltung-Ethik-Religion der Universität Potsdam.

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