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Carl L. Woebcken, Vorstandsvorsitzender der Studio Babelsberg AG, im PNN-Interview.

© Ottmar Winter

Interview | Studio Babelsberg-Chef Carl L. Woebcken: „Wir vertrauen darauf, dass sie das Richtige tun“

Studio Babelsberg gilt als Wiege des deutschen Films. Jetzt gehört es einem US-Fonds. Chef Carl Woebcken über den Verkauf, die Zukunft des Films – und den Libeskind-Turm.

Herr Woebcken, Studio Babelsberg ist gerade 110 Jahre alt geworden. Warum haben Sie jetzt die Wiege des deutschen Films an einen US-amerikanischen Immobilienfonds verkauft?
Mit dem Jubiläum hat der Verkauf nichts zu tun. Früher oder später hätten Christoph Fisser und ich uns ohnehin darüber Gedanken machen müssen, wie es weitergehen soll. Wir hätten die Studios ja nicht einfach vererben können, das ist zu kompliziert. Eine strategische Partnerschaft war und ist einfach erforderlich. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Wir haben nicht aktiv gesucht, wir sind gefragt worden. Und haben begonnen, uns damit auseinanderzusetzen.

Wie lief das ab?
Wir waren schon vor über einem Jahr angefragt worden, ob wir Studio Babelsberg nicht veräußern oder zumindest die Mehrheit abgeben wollen. Das war damals auch ein amerikanischer Fonds. Auch der hatte schon im Film- und Medienbereich investiert. Diese Gespräche sind damals gescheitert.

Woran lag das?
Der neue Investor hätte von uns verlangt, dass wir uns aus der Geschäftsführung sofort herausziehen. Das war für uns nicht akzeptabel. Daran ist es am Ende gescheitert, an nichts anderem, zwei Tage vor Unterschrift, nach einem fast einjährigen Verhandlungsprozess. Das war vor einem Jahr. Kaum war das vorbei, im Januar 2021, haben sich dann gleich die nächsten drei Finanzinvestoren gemeldet. Mit einem sind wir in weitere Gespräche gegangen. Am Ende hat es gepasst.

Was macht Sie bei TPG Real Estate Partners so sicher?
Wir haben immer gesagt, dass wir einen Investor für das Studio Babelsberg finden wollen, der uns strategisch einordnen kann und zu dem wir strategisch passen. Und dieses Gefühl haben wir, ja mehr als das. Zum einen hat die TPG vor einiger Zeit schon die Firma CAA übernommen, die Creative Artists Agency, die größte Talent-Agentur der Welt. Zum zweiten haben sie bereits, bevor sie bei uns eingestiegen sind, Cinespace in Amerika erworben, die wesentlich größer sind als wir. Cinespace betreibt über 90 Studios in Chicago und in Toronto.

Tor am Eingang zum Studio Babelsberg.
Tor am Eingang zum Studio Babelsberg.

© Thilo Rückeis

Fand sich in Deutschland kein Investor für das Babelsberger Traditionsstudio?
Wie schon damals bei der Privatisierung der Defa an Vivendi gab es kaum Möglichkeiten, in Deutschland einen richtigen Partner zu finden. Und wie gesagt: Wir haben von uns aus nicht nach einem Käufer gesucht. Die TPG ist auf uns zugekommen. Wir sind überzeugt, dass sie ein seriöser und erfahrener Partner sind, um den Medienstandort weiterzuentwickeln. Wir hatten knapp 18 Jahre lang den Staffelstab allein in der Hand. Jetzt muss der richtige Läufer das Ganze weiter voranbringen. 

Wie lange führen Sie das operative Geschäft weiter?
Wir werden es mindestens zwei, drei Jahre begleiten, damit es in geordneten Bahnen weitergeht. Ich werde dann 68 sein, Herr Fisser noch ein bisschen jünger, er macht vielleicht auch länger.

Haben Sie Vorkehrungen getroffen, das Filmerbe an diesem Standort zu bewahren?
Vorkehrungen kann man da nicht treffen, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass man einem Investor irgendwelche Auflagen macht und sagt: Das dürft ihr und das dürft ihr nicht! Es ist eher eine Frage des Vertrauens darauf, dass sie den Standort weiter voranbringen und das Richtige tun. Und wir selbst können in der bestehenden Position natürlich mit aller Kraft darauf Einfluss nehmen.

Dreharbeiten in der Außenkulisse Neue Berliner Straße in Babelsberg. 
Dreharbeiten in der Außenkulisse Neue Berliner Straße in Babelsberg. 

© Manfred Thomas

Haben die Amerikaner Verständnis für den Mythos Babelsberg?
Ich glaube, das ist der Grund, warum sie sich überhaupt für uns interessiert haben. Das macht das Besondere aus.

Dennoch sorgen sich manche, dass es am Ende doch um Immobilienspekulation gehen könnte.
Profane Grundstücksverwertung ist für das Studioareal keine Alternative. Hier darf es nur eine Mediennutzung geben. Und dann ist da auch noch der Denkmalschutz. Wenn man beides berücksichtigt, kommt ein Wert raus, der unattraktiv in Relation zum Wert der Filmstudios wäre. TPG hat sich das genau überlegt und hätte sonst nicht investiert.

Der Eingang zur denkmalgeschützten Marlene-Dietrich-Halle von Studio Babelsberg.
Der Eingang zur denkmalgeschützten Marlene-Dietrich-Halle von Studio Babelsberg.

© Ottmar Winter

Die Branche ist weltweit in rasantem Wandel: Streamingdienste wachsen und produzieren meist selbst, so dass Studiokapazitäten weltweit gefragt sind oder geschaffen werden. Ist das der Grund für den TPG-Einstieg bei Studio Babelsberg?
Selbstverständlich ist das ein Grund, Investoren haben genau dieses Wachstumssegment entdeckt. Und es passt zu dem, was wir brauchen. Man muss realistisch sagen, dass es bei Studio Babelsberg bisher immer noch schwierig ist, ein zuverlässiges Geschäft darzustellen. Es ist alles sehr zyklisch. Das liegt aber einzig und allein an der Förderpolitik in Deutschland, die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nicht gut, ja überholt ist. Man muss versuchen, das Geschäft zu verstetigen, das ist das Wichtigste. Diese Möglichkeiten werden jetzt besser.

Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass das Streaming noch mehr boomt. Aber trägt dies wirklich auf lange Sicht?
Alle erwarten, dass die Nachfrage  anhalten wird. Unsere Partner gehen fest davon aus, dass der Streaming-Trend nachhaltig ist und keine Eintagsfliege. Sonst hätten sie das nicht gemacht, genauso wie andere institutionelle Investoren auf dem Gebiet. Da gibt es zum Beispiel in Amerika die MBS Group, die betreibt fast 120 Studios und baut gerade 20 weitere Studiohallen. Und jede Streaming-Plattform steht vor der Herausforderung, Marktanteile auch abzusichern. Netflix etwa hat bisher auch viel fremdes, lizensiertes Programm im Angebot. Doch viele Lizenzen laufen aus. Netflix ist also gezwungen, sehr viel Eigenentwicklung zu produzieren, weil sie einfach keine günstigen Lizenzen mehr kriegen. Viele andere Studios haben mittlerweile entdeckt, dass man damit Geld verdienen kann, HBO Max, die zu Warner Bros. gehören, Paramount Plus, Disney Plus, Amazon, Apple und so weiter. Der Produktionsmarkt hat sich total gedreht. 

Eine Wand mit Postern von Filmen, die in Babelsberg gedreht wurden.
Eine Wand mit Postern von Filmen, die in Babelsberg gedreht wurden.

© Ottmar Winter

Was heißt das für Babelsberg?
Wir sind eigentlich auf Kinofilme spezialisiert. Doch wir haben mehrfach unter Beweis gestellt, dass wir auch Serien produzieren können, auch international erfolgreiche, mit der fünften Staffel von Homeland, mit Berlin Station, wir waren an Dark und Babylon Berlin beteiligt.  Aber zur Wahrheit gehört, dass deren Story jeweils in der Region verankert war. Die Produktionsfirmen kamen, um mit uns gemeinsam zu produzieren, weil man letztlich die Kulisse Berlin gebraucht hat. 

Und wenn man die Berlin-Kulisse nicht braucht?
Wenn Produzenten freie Wahl haben, es diesen Bezug nicht gibt, dann sind wir in Deutschland generell äußerst unattraktiv. Da ist jedes europäische Land besser aufgestellt als wir.

Was ist das Kernproblem?
Überall hat man auf den veränderten Markt reagiert, nur in Deutschland nicht. In England dominieren mit 90 Prozent Serien, es sind nur noch zehn Prozent Kinofilme. In Europa insgesamt schätze ich, dass es 75 Prozent Fernsehproduktionen sind, 25 Prozent Kinoformate. In Deutschland sind es bei größeren Produktionen 75 Prozent Kinofilme und nur 25 Prozent Serienproduktionen. Das liegt an einer Förderpolitik in Deutschland, die der Marktdynamik hinterherläuft. Der Gesamtetat des German Motion Picture Funds wurde zwar regelmäßig ausgebaut, jedoch ist er für größere Produktionen auf Grund der bestehenden Kappungsgrenzen unattraktiv. Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig. Alle anderen Länder in Europa, zuletzt Frankreich, Spanien und Italien, geben staatliche Produktionsanreize auch für Serienproduktionen. Das muss auch Deutschland tun.

Setzen Sie auf die neue Bundesregierung?
Ich hoffe sehr, dass wir als Studiobetreiber, als Dienstleister mehr Gehör finden. Es gibt da einen objektiven Konflikt mit den Produzenten. Ich äußere mich zu diesen Fragen deshalb als Vorstand des Verbandes der technischen Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF), des ältesten deutschen Filmverbandes. Denn die Interessen der Studios, ja aller Produktionsdienstleister werden bisher kaum berücksichtigt. Die Filmförderung in Deutschland ist so strukturiert, dass vorrangig Produzenten gefördert werden. Die Politik geht davon aus, dass die Studios automatisch davon profitieren. In Wirklichkeit gibt es aber einen massiven Interessenkonflikt. Für Produzenten geht es vorrangig um Urheberrechte und die Finanzierung von Produktionen. Für die Produktionsdienstleister geht es um regelmäßige Auslastung der Studios und um internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Friederike Hoffmann und Carla Schweigert (v.l.) absolvieren bei Studio Babelsberg ihre Ausbildung zur Bühnenplastikerin.
Friederike Hoffmann und Carla Schweigert (v.l.) absolvieren bei Studio Babelsberg ihre Ausbildung zur Bühnenplastikerin.

© Manfred Thomas

Was müsste sich konkret verändern?
Die Förderpolitik sollte adressatengerechter sein, nicht mehr mit dem Gießkannenprinzip arbeiten. Frankreich zum Beispiel hat eine sehr starke nationale Filmwirtschaft. Es hat Gründe, weshalb der Anteil des französischen Films im französischen Kino fast doppelt so hoch ist wie der deutscher Kinofilme bei uns. Und   trotzdem hat Frankreich für größere internationale Produktionen, die einfach nur in Frankreich produzieren wollen, egal ob Filme oder Serien, ein zusätzliches Förderprogramm eingeführt. 

Und Deutschland?
Die deutsche Filmförderung ist bisher nur für Kinofilme, nicht für Serien. Noch einmal: Alle anderen Länder sind da weiter. Das Tragische dabei ist, dass inzwischen viele gute Leute, die wir hier ausgebildet haben, etwa als Produktionsleiter, regelmäßig in Tschechien, Ungarn und England arbeiten, weil sie in Deutschland nicht regelmäßig beschäftigt werden. Das kann doch nicht gewollt sein.

Spielt das für den neuen Babelsberger Mehrheitseigner eine Rolle?
Das gilt zunächst einmal für alle Studios in Deutschland. Der Investor weiß natürlich um die Schwierigkeiten im hiesigen Fördersystem, sieht jedoch das langfristige Engagement. 

Der Trend ist weniger Kino, mehr Netflix-Hub. Wird das Babelsbergs Zukunft?
Wir wollen uns nicht auf ein Schema festlegen. Klar ist vor allem eins: Da ist große Dynamik in der Branche - und Deutschland als Produktionsstandort partizipiert daran nicht wie andere europäische Länder. Allein von Kinofilmen können wir Produktionsdienstleister nicht leben. Denn das Geschäft ist sehr kapitalintensiv. Das ist auch ein Grund, warum wir uns einen neuen Investor geholt haben. Und es hat mit der Technik zu tun, in die man investieren muss, um auf der Höhe der Zeit bleiben zu können.

Sie haben virtuelle LED-Studios, das Modernste vom Modernen?
Das stimmt. Und so soll es auch bleiben. Für einen Film zum Beispiel, der noch nicht in den Kinos ist, haben wir nicht in echt, sondern virtuell, Verfolgungsjagden in einem Auto durch eine Stadt gedreht. Man erkennt keinen Unterschied. Und nach dem Dreh weiß man sofort, ohne Postproduktion, ob es gut genug ist oder nicht. Als Studiobetreiber sagte ich trotzdem: Damit sich das trägt, brauchen wir für so ein LED-Studio eine noch regelmäßigere Auslastung. Die Stillstandzeiten sind extrem teuer. Und man muss die Technologie permanent weiterentwickeln.

Das volumetrische Studio der Firma Volucap in Babelsberg. Hier wurde zuletzt auch die Holocaust-Überlebende für ein Zeitzeugen-Projekt gefilmt. 
Das volumetrische Studio der Firma Volucap in Babelsberg. Hier wurde zuletzt auch die Holocaust-Überlebende für ein Zeitzeugen-Projekt gefilmt. 

© Monika Skolimowska/dpa

Wird die Produktion von Streaming-Inhalten auch hier so dominant werden, dass der Kinofilm verdrängt wird?
Ich denke, es geht um einen guten Mix. Bisher haben wir als serielle Produktion ja eigentlich nur GZSZ am Standort, „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. Da sind wir reiner Vermieter. Viel wäre schon gewonnen, wenn ein Teil, vielleicht die Hälfte der 21 Studios, regelmäßiger und längerfristiger mit Serien-Produktionen ausgelastet wäre. Das wäre auch gut für die Mitarbeiter.

[Lesen Sie auch: LED-Studio und digitale Geschäftsmodelle: So behauptet sich der Filmstandort Babelsberg auf dem globalen Markt (T+)]

Aber schlecht für den Anspruch?
Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass Serienformate nicht schlechter als Kinofilme sein müssen. 

Können Sie schon eine Aussage treffen, ob die Studios auch selbst weiter produzieren, nicht allein als  Produktionsstandort und Dienstleister agieren?
Sie meinen wahrscheinlich Eigenproduktionen wie 2019 die „Traumfabrik.“ Man muss aber wissen, dass wir uns auch in den letzten Jahren in erster Linie als Produktionsdienstleister gesehen und aufgestellt haben. Das ist der Hauptgrund, weshalb wir im Unterschied zu unseren französischen Voreignern sehr schnell so profitabel werden konnten. Wir haben kein Geld in eigene Filme investiert, um unser eigenes Studio zu füllen. Man muss beides wirklich trennen. 

Studio Babelsberg-Chef Carl L. Woebcken vor dem Logo des Filmstudios, der "Maria" aus "Metropolis" von Fritz Lang.
Studio Babelsberg-Chef Carl L. Woebcken vor dem Logo des Filmstudios, der "Maria" aus "Metropolis" von Fritz Lang.

© Ottmar Winter

Wird sich für den deutschen Film mit der neuen Babelsberger Konstellation etwas ändern?
Was ist ein deutscher Film? Ist das bezogen auf die Sprache, auf den Inhalt? Oder dass der Sitz der Firma, die das produziert, in Deutschland ist? Das sind sehr verschiedene Betrachtungsweisen. 

Gemeinhin gilt als deutscher Film, was als deutscher Film im Feuilleton durchgeht …
... ja, und genau das ist ein Problem. Wir haben schon einige Streaming-Formate begleitet, die deutsche Produzenten gemacht haben. Da ist es eine Frage der Größe, eine Frage des Geldes, da ist es egal, ob es ein deutscher Produzent ist oder ein ausländischer. Überall, wo es um Motive und Schauplätze geht, die man wiederholt, vielleicht über mehrere Wochen bespielen muss, ist man im Studio besser aufgestellt. Da würde ich auch nicht zwischen deutschen und ausländischen Studios unterscheiden. Mittlerweile machen auch einige deutsche Produzenten große Formate, wie die Constantin, die Ufa oder zum Beispiel die Bavaria. Ich würde mir wünschen, dass die Ufa zum Beispiel mit der Serie „Charité“ eben nicht nach Prag geht. Daran müssen wir noch ein bisschen arbeiten.

Als TPG in den USA die Firma Cinespace übernahm, mit Studios in Chicago und Toronto, gab es laut US-Medien Lob von der dortigen Politik. Verstehen Sie, warum bei Studio Babelsberg das Echo der Politik in Bund und Land eher verhalten war?
Vielen Dank für den Hinweis, das war mir gar nicht so bewusst! Das werde ich unseren Politikern mal unter die Nase reiben ... (lacht). Die Politik hatte natürlich hier und da Fragen. Ich nehme aber wahr, dass wir weiterhin als unabhängiges Unternehmen gesehen werden.

Studio-Kunstmaler Robert Krüger bei der Oberflächenbearbeitung einer Wandtafel. 
Studio-Kunstmaler Robert Krüger bei der Oberflächenbearbeitung einer Wandtafel. 

© Manfred Thomas

Die große Sorge der Politik ist, dass mit dem Besitzerwechsel womöglich Jobs gefährdet sein könnten. Droht ein Abbau?
Wir verstehen die Sorge, da vieles noch ungeklärt ist. Aber natürlich beabsichtigen wir, die Festanstellungen sicherzustellen. Das ist auch in unserem ureigenen Interesse. Mittlerweile ist es sogar so, dass wir auch temporär Beschäftigte regelmäßig weiter beschäftigen, weil wir die guten Leute sonst nicht halten können. Das ist aber nicht einfach. Man kann das Blatt drehen wie man will: Das Projektgeschäft ist ein Projektgeschäft und wird erst dann regelmäßig, wenn die Projekte regelmäßig kommen.

Welchen Einfluss hatte Corona bisher, sowohl auf die Auftragslage als auch auf das Filmemachen an sich?
Die Produktionswirtschaft, und insbesondere die Produktion von Streamingformaten ist überhaupt nicht eingebrochen, weil die Nachfrage in dieser Zeit stark zugenommen hat. Auf der anderen Seite sind Kinoprojekte verschoben worden oder wir haben sie verloren. Mit der „Kinoauswertung“, die in Deutschland an Förderungen gekoppelt ist, ist das auch kein Wunder. Wir haben 2020 „Matrix“ produzieren können, was eine glückliche Fügung war. Inzwischen ist es schwieriger, auch wegen Reiserestriktionen, vieler Unklarheiten. Es ist sehr schwer gute Teams zustande zu bringen.

Die Kinos waren lange, lange geschlossen…
… ja, und der Schaden, den die Pandemie bei den Kinobetreibern angerichtet hat, wird sich nicht komplett wiederherstellen lassen. Ich befürchte, das hat etwas ausgelöst, was irreversibel ist. Das Zuschauerverhalten hat sich in der Pandemie schon stark verändert. Das wird sich nicht einfach zurückdrehen lassen. Aber das ist meine persönliche Meinung. Ich kann auch falsch liegen.

Lassen Sie uns von der Filmwelt zur Potsdamer Welt wechseln, zum Standort: Hier gibt es gerade Zoff, nämlich um die Libeskind-Pläne für die Media City. Stimmt es, dass Studio Babelsberg nicht begeistert davon ist, ja respektive dagegen?
Gegen den Libeskind-Turm selbst hätten wir nichts, im Gegenteil. Das wäre eine Landmarke, für die Medienstadt, auch für uns. Es gab schon immer hochwertige Bebauungspläne für diesen südlichen Bereich.

Entwurf für die Media-City von Daniel Libeskind in Babelsberg an der Großbeerenstraße.
Entwurf für die Media-City von Daniel Libeskind in Babelsberg an der Großbeerenstraße.

© Visualisierung: Libeskind

Aber was stört Sie dann?
Das Allerwichtigste für uns ist, dass auch hier, wie in der Medienstadt sonst, weiterhin eine Mediennutzung festgeschrieben bleiben muss. Das war im Entwurf des Bebauungsplans 119, der für den gesamten Standort geplant war, nicht mehr der Fall. Alle anderen Standortpartner haben weiterhin das Medienprofil als zwingende Vorgabe, während das Grundstück mit dem geplanten Libeskind-Bau nur ein Gewerbemischgebiet sein soll. Aus unserer Perspektive gehört das Areal aber genauso zur Medienstadt, das sollte auch explizit so bleiben: Wo Medienstadt draufsteht, muss Medienstadt drin sein. Deshalb wehren wir uns dagegen. Jetzt soll wohl versucht werden, zwei Bebauungspläne daraus zu machen. Das heißt, einen für die Medienstadt zu verabschieden, und dann einen extra für das Grundstück mit dem Libeskind-Projekt, obwohl das auch zur Medienstadt gehört. Zudem sollte erst einmal ein tragfähiges Verkehrskonzept stehen, bevor man überhaupt etwas plant.

Was meinen Sie damit?
Dummerweise ist die verkehrstechnische Anbindung der Medienstadt einzig und allein von dieser Kreuzung abhängig, an der der Libeskind-Bau geplant ist, also die Ecke Großbeerenstraße und August-Bebel-Straße. Es ist die wichtigste Zufahrt für den Verkehr von der Autobahn, von der Nutheschnellstaße, und zwar nicht nur zur Medienstadt mit den Studios, dem rbb. Anrainer sind zum Beispiel auch die Universität Potsdam und das Hasso-Plattner-Institut. Auch die Nutzer der neuen Gebäude, die oben an der Marlene-Dietrich-Allee gebaut werden, gehören hinzu.

Was befürchten Sie denn?
Auf dem Grundstück mit dem Libeskind-Bau, das lese ich in der Presse, sollen in Bürogebäuden 5000 Arbeitsplätze entstehen, der Filmpark will ein Hotel bauen. Unterm Strich: Das wird alles neuer Verkehr, der in Stoßzeiten diese Kreuzung überlastet. Es gibt keine Ausweichmöglichkeiten. Schon jetzt ist es schwierig, wenn die Schranke am Bahnübergang geschlossen ist. Unser Hauptanliegen ist: Die Medienstadt muss auf dem gesamten Standort auch künftig eine Medienstadt sein. Und sie muss überall erreichbar bleiben.

Baufläche für den Libeskind-Turm und die Media-City, gesehen von der August-Bebel-Straße aus.
Baufläche für den Libeskind-Turm und die Media-City, gesehen von der August-Bebel-Straße aus.

© Ottmar Winter

An wen richtet sich Ihr Appell, an den Libeskind-Investor und den Filmpark mit Jan Kretzschmar und Friedhelm Schatz – oder an die Stadt?
Das ist ein Appell an die Stadtpolitik. Wir sind an dem B-Plan-Verfahren beteiligt. Jeder Anrainer kann dazu seine Meinung äußern. Und das tun wir. Unsere Position ist eindeutig: Man darf es nicht Medienstadt nennen, wenn man nicht auch Mediennutzung drinnen vorschreibt. Das ist das A und O. Und die Erschließung des Standorts muss auch perspektivisch gesichert sein. Alles andere ist Geklimper. Jeder kann tun und lassen, was er will. Aber wenn diese beiden Dinge nicht eingehalten werden und der Süden nicht Teil der Medienstadt ist, dann gehen wir auf die Barrikaden.

Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dass das Profil der Medienstadt nicht verwässert, nicht für andere Nutzungen geöffnet wird?
Die Medienstadt ist ein in sich geschlossenes und verkehrstechnisch erschlossenes Ensemble. Und zwar durch dieses Karree, das im Süden an die Großbeerenstraße grenzt. Wenn man das zum normalen Gewerbegebiet macht, zum Beispiel im Turm oben ein großes Callcenter sitzt, ist das von der Konzeption her schon nicht mehr für Medienunternehmer nutzbar. Und wenn es verkehrlich nicht funktioniert, machen am Ende alle ein langes Gesicht.

Was braucht denn die Medienstadt?
Wir versuchen, hier hochwertige Arbeitsplätze, digitale Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt viele Produktionsdienstleister, die sich hier ansiedeln könnten. Doch wenn man eine Mediennutzung vorgibt, wie das bei uns der Fall ist, darf man nebenan keine andere Nutzung zulassen. Allerdings: Ich kann mir nicht vorstellen, dass man diese Auflage in dem großen Libeskind-Turm umsetzen kann. Das heißt, wer auch immer das Ding baut und später betreibt, der kann es nur vollkriegen, ohne dass er pleitegeht, indem er alles auf dem Markt abgreift. Das dürfte er aber nicht, wenn eine Mediennutzung vorgeschrieben ist. Das beißt sich. Haben die Studios selbst genügend Platz?
Wenn wir simulieren, wo wir expandieren könnten, müssen wir neben dem reinen Baurecht auch den Denkmalschutz berücksichtigen. Da befinden wir uns gegenwärtig in Abstimmungen mit der Denkmalschutzbehörde: Auf welchen denkmalgeschützten Gebäuden könnten wir zum Beispiel aufstocken? Wir haben teilweise niedrige Gebäude, teilweise im bisherigen Bebauungsplan-Entwurf sogar eine Verschlechterung, was das Baurecht um bestehende alte Gebäude herum betrifft – während 100 Meter weiter bei Libeskind das dreifache Baurecht ausgesprochen werden soll.

Das denkmalgeschützte Tonkreuz von Studio Babelsberg, einst errichtet für den Dreh der ersten Tonfilme.
Das denkmalgeschützte Tonkreuz von Studio Babelsberg, einst errichtet für den Dreh der ersten Tonfilme.

© Ottmar Winter

Was ist die Erklärung dafür?
Das hängt mit dem Denkmalschutz für die Marlene-Dietrich-Halle, die das Prunkstück ist, aber auch für das Tonkreuz zusammen. Man will natürlich nicht, dass die unmittelbar von einem hohen Gebäude überragt werden, da der Ensembleschutz verlorengehen würde. Das heißt: Wenn man höher bauen will, muss das einen gewissen Abstand zu diesen beiden Denkmälern haben. Das versuchen wir zu berücksichtigen. Wir haben uns immer sehr, sehr verantwortungsbewusst mit dem Denkmalschutz auseinandergesetzt. Trotzdem setzt es unter Umständen auch Grenzen, um zu expandieren. Wir müssen dann halt schauen, in der Nachbarschaft etwas zu finden. 

Doch viel Platz ist in der Nachbarschaft auch nicht mehr, oder?
Damit kein Missverständnis entsteht: Büroflächen können wir notfalls anderweitig anmieten. Das gehört nicht zum Kerngeschäft von Studio Babelsberg. Das haben wir auch in der Vergangenheit immer wieder mal gemacht. Das Entscheidende ist, wo es Flächen gäbe, wenn wir noch mal Studioflächen bauen wollten. Dazu gehören vielleicht kleinere digitale Studios, die es heute so noch gar nicht gibt. Das ändert sich zurzeit ja alles. Wir müssen sicherstellen, dass dafür Flächen da sind. Und da haben wir nicht allzu viel.

Sie haben damals das Studio für einen symbolischen Euro gekauft. Wie viel haben die Amerikaner jetzt bezahlt?
Man kann das ja in der Presse nachlesen, zu welchem Preis die Aktien verkauft wurden. Man kann sich das ausrechnen.

Für 4,10 Euro pro Aktie. Das bedeutet, es ist eine ziemlich erfolgreiche Zeit auch für Sie gewesen?
Ich verstehe nicht, warum man das so gegenüberstellt. Für einen Euro gekauft, das klingt immer so schön. Es war mehr. Allein schon die Heerscharen von Beratern, die man anheuern muss, um so etwas Komplexes zu überprüfen, haben viel Geld gekostet. Was heute kaum noch einer weiß: Wir haben damals nicht eine Firma gekauft, sondern 15 Unternehmen, von denen zehn liquidiert werden mussten oder in Schwierigkeiten steckten. Wir haben diese Risiken im Paket mit übernommen, sonst wäre auch so ein Preis damals nicht zustande gekommen.

Sie haben damals die Studios vom französischen Vivendi-Konzern gekauft.
Ja, und letztendlich hat damals auch der Verkäufer gewusst, dass wir noch Verluste haben werden in den nächsten Jahren, um alle diese Probleme aus der Welt zu schaffen. Wir haben sie aus der Welt geschafft. Es war eine Sondersituation. Die Franzosen hatten selbst ein Angebot für ihre Kommunikationssparte und wollten so schnell wie möglich alles loswerden, was die Bilanz belastet. Das war 2003. Im Rennen war auch Studio Hamburg. Es hat aber den Zuschlag nicht bekommen, weil es zu viele Garantien gefordert hat. Christoph Fisser und ich waren risikobereiter, mit Erfolg.

Carl L. Woebcken (l.) und Christoph Fisser im Sommer 2004 als frisch gebackene neue Eigentümer von Studio Babelsberg bei der ersten Pressekonferenz. 
Carl L. Woebcken (l.) und Christoph Fisser im Sommer 2004 als frisch gebackene neue Eigentümer von Studio Babelsberg bei der ersten Pressekonferenz. 

© Manfred Thomas

Sie sind seit 18 Jahren Studiochef, zusammen mit Christoph Fisser. Jetzt haben Sie plötzlich Vorgesetzte. Wie unabhängig, wie frei können Sie noch agieren?
Geben Sie uns noch etwas Zeit! TPG schätzt unsere Historie und unsere Expertise, so dass wir weiterhin unter eigenem Namen agieren und gleichzeitig als ein Teil der Studioplattform Cinespace von neuen Ressourcen profitieren sollen. Da sind wir mit unseren amerikanischen Freunden in regem Austausch.

Wie viel Studio Babelsberg gehört Ihnen noch?
Solche Angaben werden nicht veröffentlicht. Wir bleiben ein bisschen beteiligt, solange TPG beteiligt bleibt. Das sind wir auch dem Standort schuldig. Wir glauben natürlich daran, dass sich Studio Babelsberg weiterentwickeln wird.

Studio Babelsberg-Chef Carl L. Woebcken im Interview mit PNN-Chefredakteurin Sabine Schicketanz.
Studio Babelsberg-Chef Carl L. Woebcken im Interview mit PNN-Chefredakteurin Sabine Schicketanz.

© Ottmar Winter

Die Anteile sind aber nicht gekoppelt an Ihre Geschäftsführertätigkeit?
Nein, die sind getrennt. Wir haben jetzt mit dem Aufsichtsrat einen Dreijahresvertrag unterschrieben, genau genommen sind es sogar dreieinhalb Jahre.

Verraten Sie uns, was an aktuellen Drehs und Produktionen in der Pipeline ist?
Lassen Sie sich überraschen! Im Moment ist es leider noch etwas mau, wie zu erwarten war. Die Projekte, die das Frühjahr gefüllt hätten, haben wir letzten Herbst verloren. Doch wir können ganz gut vorhersehen, was in einem halben Jahr sein wird. Wir gehen davon aus, dass es für Studio Babelsberg ein guter Sommer und Herbst werden könnte. Es sei denn, der Krieg macht uns einen Strich durch die Rechnung.

Das Interview führte Sabine Schicketanz 

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