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Katrin Hayn (37) ist seit 2017 Koordinatorin der Stadt für Suchtprävention.

© Robert Schnabel

Interview | Präventionsexpertin Katrin Hayn: „Cannabis ist überall verfügbar“

Potsdams Koordinatorin für Suchtprävention, Katrin Hayn, über die Lage in der Stadt - und ihre Haltung zu einer kontrollierten Legalisierung von Marihuana.

Von Carsten Holm

Frau Hayn, welche Rolle spielt Drogenkonsum im Leben der Potsdamer Jugendlichen?
Der Konsum von Alkohol und Probierverhalten vor allem mit Cannabis spielt eine Rolle in der Lebenswelt der Jugendlichen. Haschisch ist bei ihnen die gefragteste Droge. Das liegt daran, dass Cannabis überall verfügbar ist.

Wo wird gedealt, wo konsumiert?
Zu den bekanntesten Plätzen gehören die Gegend um den Hauptbahnhof, die Freundschaftsinsel und der Bassinplatz. Eigentlich gibt es Cannabis überall, wo sich junge Leute zum Feiern und Chillen treffen. In Babelsberg haben wir solche Treffen seit 2019 vermehrt am Peter-Weiß-Platz, am Plantagenplatz und am Weberplatz beobachtet.

Ist die Nähe zu Berlin einer der Gründe dafür, dass Jugendliche in Potsdam ihren Stoff ohne Probleme kaufen können?
Das ist richtig. In Berlin gibt es alles, was das Konsumentenherz begehrt. Für Partys wird alles in Berlin organisiert und gleich für Freunde mitgebracht.

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Im berüchtigten Görlitzer Park?
So weit müssen die Potsdamer nicht fahren. Drogen gibt es an vielen Orten, auch in Wannsee und Charlottenburg. Außerdem bestellen Jugendliche ihre Drogen über das Internet, etwa über Instagram, und lassen sie sich frei Haus liefern.

Und dann geht’s raus.
Ja. Seit 2018 registrieren wir, dass sehr große Gruppen von Jugendlichen sich sehr mobil durch die Stadt bewegen und ihre Treffpunkte über ihre Handys immer wieder neu verabreden. Ihre Partys bilden sich wirklich blitzartig. Auf einmal tauchen 50 bis 100 auf der Freifläche zwischen dem Hans Otto Theater und dem Restaurantschiff John Barnett auf. Der Alkoholkonsum dort war bisweilen kritisch.

Sind die Schulen Marihuana-freie Zonen?
Nein. Es gibt zwar keine Schule, die man die Cannabisschule nennen könnte. Aber es gibt auch keine, an der das kein Thema ist.

Nimmt der Konsum zu?
Ja. Es gibt alle vier Jahre eine Studie des Landes zum so genannten Substanzkonsum. Bei der Befragung 2011 gaben vier Prozent an, riskant zu konsumieren, bei der Befragung 2016/2017 waren es bereits sieben Prozent der befragten Jugendlichen. 

Bei welcher Frequenz sprechen Sie von riskantem Konsum?
Wenn die Jugendlichen es mehrmals in der Woche tun, dreimal wöchentlich bis hin zu jedem Tag. Das muss man in der Wachstumsphase kritischer sehen als bei Erwachsenen, da können Schäden vor allem hinsichtlich der Entwicklung des Gehirns entstehen.

Die Parteien der neuen Bundesregierung haben sich auf die kontrollierte Legalisierung von Marihuana geeinigt. Wie stehen Sie dazu?
Ich schwanke da durchaus. Ich sehe ein Problem darin, dass aufgrund der bestehenden Rechtslage junge Menschen von der Polizei mit Kleinstmengen aufgegriffen und kriminalisiert werden. Aber ich weiß auch um die gesundheitlichen Schäden, die bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen entstehen können. Ich habe junge Erwachsene mit vermeintlich drogeninduzierten Psychosen behandelt, die auf Grund des missbräuchlichen beziehungsweise abhängigen Konsums von Cannabis entstanden waren. 

Es ist wirklich eine Gratwanderung zwischen Konsumkompetenz und dem riskanten Konsumieren. Auch wenn es zur Lebenswelt von Jugendlichen gehört, sich auszuprobieren, sollte man den Konsum für sie nicht legalisieren. Wenn Erwachsene abends einen Joint rauchen so wie andere einen Wein trinken, sei es ihnen gegönnt.

Das Gespräch führte Carsten Holm

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