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Schneller ankommen. S-Bahn-Chef Peter Buchner will die Pünktlichkeit der Züge verbessern. 

© Andreas Klaer

Interview mit S-Bahn-Chef Peter Buchner: „Die Fahrgastzahlen der S7 dürften weiter steigen“

S-Bahn-Chef Peter Buchner spricht über die Entwicklung der wichtigsten Pendlerstrecke, Videoüberwachung und die Reaktivierung der Stammbahn.

Herr Buchner, die S7 nach Potsdam ist die wichtigste Pendlerstrecke der Berliner S-Bahn. Als generelles Ziel haben Sie ausgegeben, dass 96 Prozent aller Züge pünktlich sein sollen. Wie sieht’s damit auf der Potsdamer Route aus?
 

Da sind wir seit Juli besser als im Vorjahr, aber immer noch unter den 96 Prozent. Das ist nicht befriedigend. Das liegt zum großen Teil daran, dass alle Linien, die über die Stadtbahnstrecke fahren, aufgrund von Bauarbeiten ein Problem am Ostkreuz haben. Dort stehen uns bis Dezember nur zwei Gleise statt vier zur Verfügung. Deshalb ist die Streckenkapazität zwischen Ostkreuz und Ostbahnhof so knapp, dass sich selbst kleine Verspätungen von Zügen aus dem Osten auf den Folgezug übertragen. Es gibt keine Erholungszeiten, um wieder in Tritt zu kommen. Ab Dezember haben wir nach jahrelangen umfangreichen Bauarbeiten vier Gleise zwischen Ostkreuz und Ostbahnhof zur Verfügung. Davon erhoffen wir uns auch hier nach Potsdam eine höhere Pünktlichkeit.

Was wird noch getan, um zuverlässiger zu fahren?

Zum Beispiel überarbeiten wir unsere Züge, die auch nach Potsdam fahren. Das ist unsere wichtigste Baureihe, die 481. Die soll noch bis Anfang der 2030er- Jahre fahren. Deshalb stecken wir noch eine Viertelmilliarde Euro in die Züge, um sie auf Vordermann zu bringen, sowohl technisch als auch optisch. Da sind auch viele Maßnahmen dabei, die die Züge zuverlässiger machen. Wir prüfen intensiv, ob wir Maßnahmen aus dem Paket vorziehen können, damit wir den Vorteil schneller haben und nicht erst in sechs Jahren, wenn die Überholung abgeschlossen ist.

Insgesamt gibt es 500 Doppelwagen der Baureihe 481. Was wird die Fahrgäste nach der Modernisierung erwarten?

Die Fahrzeuge der Baureihe 481 werden noch zehn Jahre lang auch nach Potsdam fahren. Sie werden neu lackiert und erhalten neue Sitze wie bei den Neubaufahrzeugen, neue Fußböden, Videoüberwachung und neue Türöffner, die Sehbehinderte besser fühlen können, neue Türflügel, die zuverlässiger sind. Die sind sehr hoch beansprucht, deshalb tauschen wir alle aus. Das sind die Maßnahmen, die der Kunde auch sieht.

Ein wichtiges Thema für die Fahrgäste ist auch die Sicherheit. Was tut die S-Bahn, um das Sicherheitsgefühl zu verbessern?

Seit Beginn des neuen Verkehrsvertrags haben wir das Sicherheitspersonal massiv aufgestockt, sowohl in den Zügen als auch in den Bahnhöfen. An fünf Kreuzungsbahnhöfen, also in Westkreuz, Gesundbrunnen, Ostkreuz, Schöneberg und Friedrichstraße, gibt es feste Zweierstreifen rund um die Uhr. An diesen fünf Bahnhöfen kommt fast jede S-Bahn bis zu dreimal vorbei. Wer also Hilfe braucht, kann sicher sein, dass er sie an diesen Stationen bekommt. Die Kollegen sind entweder in der Wache oder auf dem Bahnsteig unterwegs. Man muss gar nicht über die Sicherheitszentrale anrufen, denn es gibt ein Handy für jeden Standort, über das die Kollegen erreichbar sind. Die Nummern kann man an der Wache nachlesen, die Nummer der Zentrale steht in jedem Zug. Wenn ich abends unterwegs bin, rufe ich auch selbst mal in einer Wache an. Das hat bis jetzt jedes Mal funktioniert.

Auf welchen Strecken passiert denn am meisten?

Generell ist es in der S-Bahn sicherer als im übrigen öffentlichen Raum. Die S7 als auch die S1 sind ohnehin unauffällig. Auf der Ringbahn geht es mitunter schon etwas turbulenter zu.

Es gab eine Phase, da gab es viele Diebstähle auf der S7, gerade auf der langen Strecke zwischen Nikolassee und Grunewald…

Inzwischen hat die Bundespolizei tolle Erfolge vorzuweisen. Die Zahl der Diebstähle in Zügen geht stark zurück.

In den U-Bahnen gibt es Videoüberwachung. Wird auch die S-Bahn mit Kameras ausgerüstet?

Die neuen Züge haben Videoüberwachung. Die ersten bekommen wir im Jahr 2021, die Masse dann in den beiden Jahren danach. Und die Züge der Baureihe 481 werden bei ihrem Umbau auch mit Videokameras ausgerüstet. Wir bauen 4000 Kameras in die 500 Doppelwagen ein. Das geht nächstes Jahr los. Diese Baureihe wird noch bis ungefähr 2030 nach Potsdam fahren.

Gibt es auch Maßnahmen, die speziell in Brandenburg umgesetzt werden?

DB Station & Service wird auf den letzten Bahnhöfen vor allem in Brandenburg weiter die Schriftanzeiger durch die großen blauen LCD-Tafeln ersetzen. Zum Beispiel in Teltow und Zepernick wird sich dadurch die Kundeninformation verbessern. Auch DB Netz beteiligt sich. Da gibt es einen Bahnübergang in Mahlsdorf auf der S5, der regelmäßig streikt. Nun werden dort alle Komponenten getauscht. Auch in Potsdam soll sich etwas tun: Oben in der Passage sollen die Blechschilder am Abgang zur S-Bahn ersetzt werden durch Bildschirme. So kann man oben schon erkennen, ob die S-Bahn pünktlich fährt und entscheiden, ob man Regionalbahn oder S-Bahn wählt.

Seit Monaten wird an den Gleisen am Potsdamer Hauptbahnhof gebaut. Aus welchem Grund?

DB Netz baut seit dem Frühjahr einen zweigleisigen Abschnitt an der Einfahrt in den Potsdamer Hauptbahnhof. Wir müssen heute in Babelsberg drei Minuten stehen, um den Gegenzug abzuwarten. Künftig wird die Einfahrt in den Hauptbahnhof ab der Nutheschnellstraße zweigleisig. Zum 25. März 2019 soll das fertig sein. Dadurch verkürzt sich die Reisezeit von Potsdam nach Berlin um zwei bis drei Minuten. Bei Verspätungen können wir in Babelsberg aber weiterhin die Züge kreuzen. Leider können wir nicht durchgängig zweigleisig fahren, weil ein Brückenpfeiler von der Nuthestraße im Wege steht. Künftig werden wir in Potsdam eine deutlich verbesserte Infrastruktur haben. Die Züge können schneller in den Hauptbahnhof einfahren, weil am Ende nicht gleich ein Prellbock steht. Das bringt uns auch noch ein paar Sekunden.

Ist im Zuge der Brückenbauten auch ein zweites Gleis für die S-Bahn eingeplant?

Dafür gibt es derzeit keine Planung. Als Babelsberger finde ich allerdings die Zweigleisigkeit der S-Bahn gar nicht so erstrebenswert. Das würde gerade in der Rudolf-Breitscheid-Straße riesige Stützmauern erfordern plus eine Lärmschutzwand. Das wäre für Babelsberg eine zweifelhafte Verbesserung. Heute ist die mit Bäumen bewachsene Böschung eine Bereicherung für das Stadtbild. Eine Beton- und Lärmschutzwand würde den ganzen Charakter des Viertels verändern.

Wie sieht es denn ein Stück weiter aus zwischen Griebnitzsee und Wannsee? Der neue Landesnahverkehrsplan sieht vor, dass diese Strecke bis 2030 zweigleisig ausgebaut werden soll. Was bringt das der S-Bahn?

Das bringt uns mehr Pünktlichkeit, vor allem im Störungsfall. Die eingleisigen Abschnitte im S-Bahnnetz funktionieren ja, wenn alles pünktlich ist. Aber sobald ein Zug zu spät ist, haben wir mit den Eingleisigkeiten ein Problem, weil sich jede Verspätung auf den Gegenzug überträgt. Oder man müsste einen verspäteten Zug gleich ausfallen lassen. Im konkreten Fall handelt es sich um einen relativ langen Abschnitt. Die Züge brauchen mehr als vier Minuten von Wannsee nach Griebnitzsee, hin und zurück acht Minuten. Bei einem Zehn-Minuten-Takt bleibt kaum Spielraum. Wir versuchen das jetzt schon etwas zu verbessern, indem wir das Einfahrsignal nach Wannsee versetzen. Dadurch können die Züge schneller in den Bahnhof einfahren. Das bringt uns mehr Stabilität im Fahrplan. Pünktlichkeit hängt immer an vielen kleinen Dingen.

Wie sehen Sie denn die Entwicklung der Fahrgastzahlen auf der S7? Potsdam wächst und wächst bekanntlich. Es gibt viele Pendler von und nach Berlin.

Derzeit ist sie nicht stark belastet. Man findet meist einen freien Sitzplatz. Aber die Kapazitäten im Regionalverkehr sind ja nicht beliebig erweiterbar, solange es die Stammbahn nicht gibt. Deshalb glaube ich, dass zunehmend Leute den Komfort und den Platz in der S-Bahn zu schätzen wissen – vor allem, wenn wir jetzt auch noch ein paar Minuten schneller werden. Die Fahrgastzahlen dürften in den nächsten Jahren also steigen.

In der Region gibt es ein großes Interesse daran, die Stammbahn zu reaktivieren. Das Land prüft das ernsthaft. Wäre das auch eine Strecke, die für die S-Bahn interessant sein könnte?

Ich glaube, das wichtigste ist, dass eine Systementscheidung getroffen wird – wie auch im Havelland – und dann gebaut wird. Was nicht passieren darf, ist, dass 20 Jahre mit denselben Argumenten zwischen Regionalbahn und S-Bahn hin- und herdiskutiert wird. Deswegen bin ich guter Dinge, dass mit dem Infrastrukturpaket i2030 die Themen auf den Punkt gebracht werden, damit eine Entscheidung getroffen werden kann. Ich glaube, bei der Stammbahn und bei der Strecke von Berlin ins Havelland ist nicht so ganz klar, was die bessere Lösung ist. Da muss man genau hinschauen, weil es für beide Lösungen Vor- und Nachteile gibt.

Was sind denn die Vorteile für die S-Bahn auf der Stammbahnstrecke?

Wir könnten ab Zehlendorf als Express-S-Bahn weiter in die Berliner Innenstadt fahren und vielleicht noch in Schöneberg als Umsteigebahnhof halten. Man müsste anders als bei der Regionalbahn ab Zehlendorf keine neue Strecke bauen. Die gibt es ja schon. Aber für die Regionalbahn spricht, dass sie eine Entlastung für die Stadtbahnstrecke über Charlottenburg bringen würde. So würde sich eine zweite Möglichkeit für Fern- und Regionalzüge ergeben von Potsdam nach Berlin reinzufahren. Das ist ein gewichtiges Argument.

Warum kann die Stadtbahn nicht mehr Züge aufnehmen?

Die Stadtbahn leidet unter starker Belastung und Engstellen wie dem Spandauer Bahnhof. Es nutzt ja nichts, mehr Züge fahren zu lassen, wenn sie dann vor Spandau eine Viertelstunde stehen, bis ein Gleis im Bahnhof frei ist. Dort treffen sich die Züge von der Stadtbahn mit denen aus dem Tunnel zur Hamburger Bahnstrecke. Eine Trasse nutzt nur dann etwas, wenn man sie auch durchgängig befahren kann. Die Stammbahn würde also schon sehr helfen.

Welchen Nutzen hätte die S-Bahn denn von einer Verlängerung von Teltow nach Stahnsdorf?

Generell ist der Ausbau der S-Bahn das A und O, wenn man eine Verkehrswende erreichen will. Deswegen finde ich es sinnvoll und erfreulich, wenn über Streckenerweiterungen gesprochen wird. Allerdings darf man dabei nicht das Kernnetz vergessen. Dort haben wir große Kapazitätsengpässe. Zum Beispiel brauchen wir Abstellkapazitäten, wenn wir in fünf Jahren mehr Fahrzeuge haben, und genug Strom zum Fahren. Bei den Abstellgleisen haben wir heute schon im Nord-Süd-System, an dem auch die Strecke nach Teltow hängt, einen Engpass. Und auf dem Ring haben wir keinen einzigen Bahnhof, wo wir Züge tauschen können, weil uns eine dritte Bahnsteigkante fehlt. Auch das ist für die Qualität wichtig.

Das klingt sehr diplomatisch…

Am liebsten hätten wir natürlich beides: Streckenerweiterungen und mehr Kapazität im Kernnetz. Wenn man will, dass Brandenburger Pendler das Auto stehen lassen, dann kann die Lösung nur die Schiene sein. Also braucht man auch Ausbauten nach Brandenburg. Aber im konkreten Fall warten wir mal auf das Gutachten für die Strecke nach Stahnsdorf. Da traue ich mir kein Urteil zu.

Auf welchen Strecken nach Brandenburg gibt es die größten Probleme?

Ich finde es gut, dass jetzt viele Varianten objektiv geprüft werden. Bei der langen Diskussion über Falkensee hatte ich den Eindruck, dass oft das Interesse im Mittelpunkt steht, von Falkensee möglichst schnell zum Berliner Hauptbahnhof zu kommen. Mit i2030 werden nun Vor- und Nachteile für das gesamte System gegeneinander abgewogen.

Wo sehen Sie denn Handlungsbedarf?

Aus unserer Sicht ist eine der wichtigsten Strecken die S5. Das ist die aufkommensstärkste Strecke nach Brandenburg, und sie ist sehr lange eingleisig. Da wäre eine längere Zweigleisigkeit ein großer Fortschritt. Wie weit das reicht, muss man dann sehen. Auch die S1 zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf ist ein Engpass mit einem Gleis. Dort können wir derzeit nicht öfter als alle 20 Minuten fahren.

In Potsdam wird gerade die erste autonom fahrende Straßenbahn getestet. Ist das auch ein Thema für die S-Bahn?

Die Herausforderungen sind beim autonomen Fahren noch sehr groß. In Hamburg läuft dazu ein Test, den wir aufmerksam beobachten. Aber bei uns steht das nicht unmittelbar an.

Welche Stadt oder Region ist für Sie denn ein Vorreiter in Bezug auf die Verkehrswende?

Was die öffentlichen Verkehrsmittel angeht, bin ich ein Fan von Singapur. Wenn man sieht, wie sauber das da ist, wie schnell die bauen. Die bauen pro Monat einen Kilometer Tunnel und eine Station. Davon kann man hier nur träumen. Wie viel man davon auf Deutschland übertragen kann, ist allerdings fraglich. Eine gute Orientierung für uns sind die Kollegen in Hamburg, die vom System her unser nächster Verwandter sind.

Das Interview führten Sabine Schicketanz und Marco Zschieck

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ZUR PERSON: Peter Buchner, 52, hat an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Betriebswirtschaft studiert und war zunächst Projektmitarbeiter der Deutschen Bundesbahn in Darmstadt. Mitte der 90er-Jahre war er Chef der Usedomer Bäderbahn, 1997 wechselte Buchner zum Regionalbereich Berlin-Brandenburg der DB Regio AG als Leiter Controlling und Personal. Seit dem 2. Juli 2009 ist Peter Buchner Vorsitzender der Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH. Seit 2013 ist er zudem Vorsitzender des Beirats der Verkehrsunternehmen im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB).

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