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Interview mit Martina Trauth: „Die guten Konzepte werden nicht umgesetzt“

Linke-OB-Kandidatin Martina Trauth über ihre Wahlziele – und warum sie im Rathaus verkürzt arbeitet.

Frau Trauth, Sie haben jetzt ihre zentralen Wahlziele veröffentlicht. Ihre Gegner werden sagen: Manche widersprechen sich.

So habe ich das noch gar nicht gesehen.

Zum Beispiel schreiben Sie: „Der Bau von Wohnungen, sozialer Infrastruktur und Verkehrsflächen erfolgt nur unter der Voraussetzung der Bewahrung von Natur- und Kulturlandschaft.“ Nach dieser Logik muss auf die Bebauung des Volksparks mit Wohnraum, 50 Prozent davon gefördert, verzichtet werden – obwohl Sie doch auch für bezahlbare Wohnungen kämpfen.

Ich sehe diesen Widerspruch nicht. Wir müssen nur sehr genau überlegen, ob wir Natur opfern, um zu bauen. Und den Volkspark zu verdichten wäre aus meiner Sicht ein Fehler.

Aber wie sollen dann die bezahlbaren Wohnungen entstehen. Sie schlagen einen Aktionsplan vor ?

Mir schwebt bei jedem Bauvorhaben eine feste Quote von 30 Prozent für Sozialwohnungen vor. Das hat selbst die SPD inzwischen erkannt, was mich freut. Die Vergaben von kommunalen Grundstücken will ich maximal in Erbbaupacht nach Konzept zulassen – und nicht mehr im Höchstgebotsverfahren verkaufen. Dazu will ich mir alle relevanten Akteure für das Wohnungsproblem an einen Tisch holen und nach Lösungen suchen. Zudem müssen wir immer auch die nötige Infrastruktur mitdenken, was in der Vergangenheit versäumt wurde: Einfach zu sagen, wir bauen Wohnungen und den Menschen geht es gut, reicht nicht. Wir haben auch gute Ansätze im wohnungspolitischen Konzept. Doch wie bei anderen guten Konzepten, die wir in Potsdam schon haben, wird das nicht umgesetzt.

Nennen Sie ein Beispiel.

Der Seniorenplan der Stadt. Das ist auch deswegen enttäuschend, weil die Erstellung dieser Konzepte auch die Mitarbeiter im Rathaus bindet. So will ich das von mir initiierte Netzwerk „Älter werden in der Landeshauptstadt“ zu einem bedürfnisorientierten Qualitätsverbund ausbauen, um die Lebens- und Versorgungslage älterer Menschen und ihrer Angehörigen zu verbessern.

Sie möchten auch weitere Teile der Innenstadt autofrei gestalten. Was sagt die eher autofreundliche Linke-Fraktion dazu?

Ich habe die Linke in dieser Frage sehr differenziert erlebt – da gibt es auch viele Mitglieder, die das wie ich sehen. Wir müssen künftig zu weniger Autoverkehr kommen, wenn wir eine umweltfreundliche Stadt mit guter Luft haben wollen. Das heißt aber nicht, dass wir weniger mobil sein müssen – dafür brauchen wir aber auch gute Konzepte, die mit dem Umland gedacht werden müssen. Ich bin auch für den Einstieg in einen fahrscheinlosen Nahverkehr für die Potsdamer.

In Ihrem Programm machen Sie sich auch für kommunale Kitas stark. Was soll das Rathaus besser als soziale Träger können?

Ich sage nicht, dass man private Träger abschaffen muss. Aber kommunale Kitas wären ein wichtiger Baustein für die Kinderbetreuung in der Stadt – etwa eine Betriebskita für Rathausmitarbeiter, um weiter ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Wir suchen ja händeringend Fachkräfte. So würde man in der Verwaltung aber zugleich auch die finanziellen Nöte in der Kinderbetreuung besser verstehen.

Sie wollen als linke Kandidatin für ein gutes Gründungsklima in der Wirtschaft sorgen, unternehmerisches Risiko belohnen. Passt das zu einer Linken-Kandidatin?

Ich finde: ja. Und ich möchte betonen, dass mir die Ziele der Linken zwar nah sind – ich bin aber immer noch eine parteilose Kandidatin mit einem eigenen Kopf. In punkto Wirtschaft sehe ich vor allem, dass wir den Wissenschaftsstandort Potsdam ausbauen, aber auch viel stärker für die Stadt nutzen sollten. Warum soll man nicht etwa Verkehrsapps zusammen mit dem Hasso-Plattner-Institut entwickeln? Ich möchte eine Innovationsplattform gründen, um neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtgesellschaft zu finden.

Jenseits Ihrer Ziele waren zuletzt mehrere Bilder in sozialen Netzwerken zu sehen, auf denen Sie sich an der Seite von Ex-SED-Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke zeigen. Verschreckt man so nicht potentielle Wähler der Mitte?

Ich will in meinem Wahlkampf möglichst viele Menschen kennen lernen, um diese Stadt führen zu können. Und ich habe großen Respekt vor Frau Hankes Lebensleistung, wie sie sich mit drei kleinen Kindern dieser großen Aufgabe gestellt hat und wie sie mit den Bürgern – natürlich unter anderen Vorzeichen – umgegangen ist. Eine Frau an der Spitze würde Potsdam übrigens auch heute guttun.

Apropos Wahlkampf: Wie trennen Sie Ihren Job als Gleichstellungsbeauftragte im Rathaus und Ihre Kandidatur?

Ich habe meine Stelle zum 1. Januar auf die Hälfte reduziert. So kann ich klar mein dienstliches von meinem politischen Engagement trennen und mich trotzdem mit Energie dem Wahlkampf widmen – schließlich will ich neue Oberbürgermeisterin werden.

Das Interview führte Henri Kramer

+++

Zur Person: Martina Trauth (parteilos) ist 53 Jahre alt, gebürtige Pfälzerin und seit 2010 die Gleichstellungsbeauftragte im Rathaus. Die Mutter einer erwachsenen Tochter lebt in Potsdam-West.

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