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Generaldirektor Christoph Martin Vogtherr.

© Ottmar Winter

Interview | Generaldirektor der Schlösserstiftung: "Das Jahr mit erstaunlich wenig Schäden überstanden"

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten erwartet für das zu Ende gehende Jahr wegen der Corona-Pandemie rund neun Millionen Euro weniger Einnahmen als geplant.

Potsdam - Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist nach Einschätzung von Generaldirektor Christoph Martin Vogtherr bisher glimpflich durch das erste Corona-Jahr gekommen. Die Kulturhilfen des Bundes hätten dabei sehr geholfen, sagte Vogtherr dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Seit fast einem Jahr belastet die Coronavirus-Pandemie Alltag, Arbeit und öffentliches Leben. Wie hat sich das bisher auf die Arbeit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ausgewirkt?

Das Wichtigste ist, dass unsere Mitarbeitenden bisher gesundheitlich gut durch die Krise gekommen sind und wir keinen schweren Corona-Fall hatten. Aber natürlich ist es für uns sehr frustrierend, dass wir in diesem Jahr unsere Schlösser mehrere Monate lang nicht zeigen konnten. Denn das ist ja unsere eigentliche Aufgabe. Leider war das nur einen Teil des Jahres und unter großen Einschränkungen für die Besuchenden möglich. Aber wir hatten im Vergleich mit klassischen Museen noch Glück, weil unsere Parks offen bleiben konnten. Das ist auch sehr ausgiebig und intensiv genutzt worden.

Darüber hinaus haben wir in den zurückliegenden Corona-Monaten einiges geschafft. Wir haben im Oktober im Berliner Schloss Charlottenburg die neue Dauerausstellung über Friedrich den Großen und seine Hauptstadt eröffnet. Das war ein ganz wichtiges Projekt. Jetzt hoffen wir, dass wir 2021 zeigen können, was wir in der Zeit hier geschafft haben. Außerdem konnten wir Schloss Cecilienhof in Potsdam öffnen und - mit sehr positiver Resonanz - die Sonderausstellung zu 75 Jahren Potsdamer Konferenz zeigen. Die Ausstellung ist bis Herbst 2021 verlängert, wir hängen folglich noch ein zweites Jahr dran. Wir haben auch ein neues Format mit dem Titel „Schauplätze“ begonnen, das vor Ort über historische Ereignisse in den Schlössern informiert.

Und schließlich sind wir bei den großen Baumaßnahmen mit extrem geringen Verzögerungen im Zeitplan. Das hätten wir nicht zu hoffen gewagt, als die Corona-Pandemie begann.

Zur Cecilienhof-Ausstellung gehören auch viele Leihgaben von außerhalb. Können die nun auch länger in der Ausstellung bleiben?

Ja, die Leihgeber unterstützen uns hier in großartiger Weise. Coronabedingt ist es im Moment eigentlich fast Standard zu sagen, lasst die Leihgaben da, wo sie gerade sind. Von uns sind derzeit zum Beispiel einige Leihgaben in Karlsruhe: Gemälde von François Boucher, einem großen französischen Maler des 18. Jahrhunderts. Die sind angekommen und in der Ausstellung auch wunderbar installiert worden. Und genau in der Woche, in der sie eröffnet werden sollte, begann der Lockdown. Das ist derzeit die prominenteste Ausstellung, in der wir eigentlich vertreten wären.

Im Schloss Cecilienhof eröffnete im Sommer die Ausstellung zur Potsdamer Konferenz vor 75 Jahren.
Im Schloss Cecilienhof eröffnete im Sommer die Ausstellung zur Potsdamer Konferenz vor 75 Jahren.

© Ottmar Winter

Wie verkraftet die Stiftung die finanziellen Folgen der Pandemie?

Innerhalb des Museumssektors sind wir da besonders stark betroffen, weil wir normalerweise einen sehr hohen Anteil an Eigeneinnahmen erwirtschaften. Ungefähr ein Viertel unseres Budgets spielen wir sonst selbst ein, vor allem durch Eintrittsgelder. Da gibt es in diesem Jahr einen ganz dramatischen Einnahmenverlust von voraussichtlich rund neun Millionen Euro. Aber glücklicherweise haben wir Corona-Hilfen bekommen, die wirklich das allermeiste ausgeglichen haben. Dafür sind wir dem Bund sowie den Ländern Brandenburg und Berlin als unseren Zuwendungsgebern außerordentlich dankbar. Rückblickend betrachtet, haben wir das Jahr mit erstaunlich wenig Schäden überstanden. Da hat die Bundesrepublik wirklich gezeigt, dass sie ein Kulturstaat ist.

Was planen Sie unter diesen Voraussetzungen für 2021?

Die Besucherzahlen von 2019 werden wir wohl nicht so schnell wieder erreichen. Das heißt, wir werden mindestens 2021 noch einmal auf Corona-Hilfen angewiesen sein. Die Schlösser in Berlin und Potsdam sind sehr auf den internationalen Tourismus ausgerichtet, der ja weitgehend ausgefallen ist. Sanssouci und Charlottenburg werden hauptsächlich von ausländischen Touristen besucht. Dort merkt man das besonders. An einem Ort wie Rheinsberg sind die Besuchszahlen weniger stark eingebrochen, weil es sich um ein regionales Ausflugsziel handelt.

Haben Sie wegen Corona größere Projekte verschieben müssen?

Kleinere Projekte haben wir verschoben. Aber mit der großen Ausstellung, die im nächsten Jahr zum 300. Todestag des Künstlers Antoine Watteau in Charlottenburg geplant ist, haben wir Glück, weil sie erst im Oktober 2021 eröffnet werden soll. Es sieht derzeit ja so aus, als ob das klappen könnte.

Welche Fortschritte machen die Bauvorhaben der Stiftung?

Wir sind mittendrin im zweiten großen Sonderinvestitionsprogramm mit einem Umfang von rund 400 Millionen Euro. Bei den meisten Vorhaben sind wir aber noch in der Planungs- und Ausschreibungsphase. Da passiert viel hinter den Kulissen, das man nicht sieht. Gleichwohl haben wir 2020 einige Projekte abschließen können, das Schlosstheater im Neuen Palais zum Beispiel ist fertig. 2021 wollen wir mit der Schlosssanierung auf der Berliner Pfaueninsel beginnen. Außerdem soll es einen Architekturwettbewerb für das neue Besucherzentrum am Schloss Charlottenburg geben.

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Die Stiftung hat auch mit anderen Herausforderungen zu kämpfen, auch mit Vandalismus. Wie gehen Sie damit um?

Teilweise werden die Parks von zu vielen Menschen unverantwortlich genutzt. Das ist ganz eindeutig ein Potsdamer Problem und hat nichts mit den Touristen zu tun. Es gibt Anwohnende, die die Welterbe-Parks als ihr privates Gelände sehen und es wie eine normale Freizeitanlage nutzen. Entweder sehen sie die besondere Empfindlichkeit der Parks nicht, oder sie wollen sie nicht wahrhaben. Das ist eine sehr ernste Situation. Die Schäden sind mit mehreren 100.000 Euro im Jahr zu beziffern. Im Neuen Garten sind zum Beispiel unter Biotopschutz stehende Areale betroffen und die Uferlinie mit ihren Schilfgürteln ist fast komplett zerstört worden. Diese Uferlinie müssen wir jetzt mit viel Aufwand rekonstruieren.

Zugleich arbeiten wir an einem neuen Informationssystem. Wir wollen erläutern, warum man mit diesen Anlagen vorsichtig umgehen muss. Wir werden aber auch stärker auf die Einhaltung der Regeln pochen müssen. 2021 sollen dort dann auch zusätzliche Ordnungskräfte eingesetzt werden.

Welche Folgen des Klimawandels machen Ihnen die größten Sorgen?

Der Klimawandel hat sich mit einer Geschwindigkeit verschärft, mit der fast niemand so richtig gerechnet hat. Wir hatten jetzt das dritte sehr trockene Jahr in Folge. Das erwischt uns in den Parks besonders. Probleme gibt es vor allem in hochliegenden, trockenen und sehr sandigen Gebieten, zum Beispiel im Park Babelsberg, der der Natur ja regelrecht abgetrotzt wurde. Wir haben massive Probleme mit den Gehölzen, Bäumen, Büschen. 2020 sind uns großflächig die Buchen weggestorben, das hat dramatische Ausmaße angenommen. Wir haben erneut Bäume im vierstelligen Bereich verloren, 2019 waren es in den drei großen Potsdamer Stiftungsgärten bereits rund 2.000 Bäume.

Gibt es Lösungen für die Probleme?

Wir verfolgen da verschiedene Ansätze. Wir überlegen, was wir am Bewässerungssystem ändern können. Es gibt Forschungsprojekte, zum Beispiel zur Frage der Veränderung der Böden, damit sie mehr Wasser speichern können. Am Potsdamer Ruinenberg probieren wir aus, wie die Regeneration problematischer Bereiche aussehen könnte, dafür sind Teile des Ruinenbergs jetzt abgesperrt. Wir probieren Ideen aus und testen, welche uns weiterbringen. Mit den anderen deutschen Schlösserverwaltungen wurde ein Projekt entwickelt, mit dem wir bundesweit mehr Daten über die Folgen des Klimawandels und die Folgen für die Parks und Gärten sammeln wollen. Wir hoffen, dass das jetzt auch gefördert wird. Die Frage der Gärten ist das, was uns zurzeit am meisten umtreibt.

Yvonne Jennerjahn

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