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Wegen Corona wurden im Studio Babelsberg zwei Großproduktionen auf Eis gelegt.

© Andreas Klaer

Interview | Filmstudio Babelsberg: Wie Filmdrehs in Coronazeiten aussehen könnten

Die Filmwelt muss sich neu sortieren. Ein Gespräch mit Carl Woebcken vom Studio Babelsberg - über 5000 Liter Desinfektionsmittel, Abstand im Drehbuch und die Codenamen zweier geplanter Hollywoodfilme.

Potsdam/Berlin - Plötzlich steht vieles still. Im Studio Babelsberg sind zwei große Filmprojekte vorerst auf Eis gelegt. Crewmitglieder mussten in Kurzarbeit, eigene Mitarbeiter halten sich etwa mit Reparaturen beschäftigt. Einen solchen Stillstand der Branche hat Vorstandschef Carl Woebcken bisher nicht erlebt.

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Herr Woebcken, die Coronapandemie hat in der internationalen Filmwelt vieles lahmgelegt. Wie ist das bei Ihnen?

Studio Babelsberg hatte Anfang des Jahres eine hervorragende Ausgangssituation, weil wir das erste Mal in der jüngsten Geschichte bereits im Frühjahr zwei Großproduktionen parallel im Studio hatten. Das sind beides sehr große Projekte, die Mitte März die Produktion schließen mussten wegen der Coronakrise.

Welche Filme sind das?

Bei uns tragen sie die Arbeitstitel „Girona“ und „Project Ice Cream“, es handelt sich um ein Sony- und ein Warner-Bros.-Projekt. Ich darf Ihnen offiziell die Titel nicht sagen.

Medienberichten zufolge sind das Codenamen für die Videospiel-Verfilmung „Uncharted“ und den Blockbuster „Matrix 4“, richtig?

Dem Vernehmen nach ja.

Warum mussten die Teams abbrechen?

Es war klar, dass die regulären Produktionsarbeiten vorerst nicht möglich sind. Alle ausländischen Mitarbeiter sind in ihre Heimat zurückgeflogen, sehr viele nach Amerika, einige nach England, Australien. In der Folge hatten wir bei uns im Studio erstmal einen kompletten Lockdown.

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Carl L. Woebcken ist der Vorstandsvorsitzende der Studio Babelsberg AG. 
Carl L. Woebcken ist der Vorstandsvorsitzende der Studio Babelsberg AG. 

© Soeren Stache/dpa

Wissen Sie schon, wie es weitergeht?

Wir haben für diese Produktionen sehr aufwendige Kulissen gebaut - und beide Projekte waren kurz vor Drehbeginn. Deswegen haben sich beide entschlossen, auf Pause zu stellen. Das heißt, die Sets und viel Equipment sind in den Studios geblieben, um abzuwarten, wie sich die Krise entwickelt. Wir haben jetzt eine Situation, bei der wir guter Hoffnung sind, dass wir mit beiden Produktionen hoffentlich ab Mitte Juni weiter produzieren können.

Ihr Vorteil könnte also sein, dass die Kulissen schon fertig waren und die Produktionen deswegen vielleicht nicht abwandern, sondern zurückkommen?

Richtig. Das ist eine Sondersituation, über die wir sehr glücklich sind. Denn in der gegenwärtigen Situation ist es so, dass viele Produktionen, die unabhängig finanziert sind, zurzeit keinen Versicherungsschutz bekommen. Die großen Studioproduktionen können das auch alleine stemmen, die brauchen nicht unbedingt eine Versicherung. Aber andere Produktionen schon. Und das ist ein riesiges Problem in unserer Branche.

Können Sie das mal erklären?

Unabhängig produzierte Filme oder auch größere Fernsehproduktionen müssen einen sogenannten Completion Bond abschließen. Das ist eine Fertigstellungsversicherung, die einspringt, wenn das Projekt unterbrochen oder abgebrochen werden muss, sich deswegen die Drehzeiten verlängern und/oder die Kosten steigen. Die Versicherung muss dann - wenn eine bestimmte Reserve überschritten ist - für die Fertigstellung eines Films oder einer Serie garantieren. Und das machen Versicherer gegenwärtig aufgrund der Coronakrise nicht.

Filmdrehs fallen also teilweise aus, weil das Risiko für die Versicherer nicht abschätzbar ist?

Ja. Wir haben ebenfalls mit einigen Versicherungen gesprochen. Es ist so, dass gegenwärtig einfach keine statistischen Informationen vorliegen und damit auch keine Mathematiker Policen berechnen können.

Wie könnte ein Filmdreh überhaupt aussehen?

Man muss natürlich in erster Linie zusehen, dass die Crew nicht zu eng aufeinander ist. Die Abstandsregeln sind bei uns im Studiobereich einfach einzuhalten, wenn es um Mitarbeiter geht, die um das Set herumwirbeln, um zum Beispiel die Beleuchtung bereitzustellen. Aber bei Schauspielern, Regisseur, Kamerateam: Da muss man extrem auf die Hygiene achten. Insbesondere bei den Hauptdarstellern. Denn wenn da einer ausfällt, dann steht das ganze Projekt still.

Wie kann man das machen?

Gegenwärtig denken viele darüber nach - da man nicht weiß, wie lange die Krise andauern wird -, die Drehbücher so zu ändern, dass man Abstand hält. Das geht natürlich nicht bei Liebesszenen oder Kampfszenen. In solchen Fällen ist dann das Testen extrem wichtig - von bestimmten Crewmitgliedern, von Hauptdarstellern. Wir haben uns bereits erste Angebote eingeholt für eine Massentestung, bei der wir einmal in der Woche alle Mitarbeiter verproben könnten. Alle müssen, während sie am Set arbeiten, Masken tragen. Hinzu kommt die Händedesinfektion: Wir haben kürzlich 5000 Liter Desinfektionsmittel bestellt. Im Prinzip stehen an allen Arbeitsplätzen Hygienespender. Momentan kann man sicher auch von den Showformaten in Deutschland lernen, die ja ohne Publikum weiter produziert werden.

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Haben Sie das mit Behörden abgestimmt?

Wir haben Kontakt aufgenommen mit dem Gesundheitsamt. Die Regeln, wie man sich verhalten sollte, damit möglichst alles gut geht, haben wir bereits erarbeitet. Viel wichtiger ist allerdings, mit dem anderen Szenario umzugehen: Was machen wir, wenn doch aus irgendeinem Grund jemand infiziert sein sollte?

In Babelsberg hoffen sie, dass unter anderem die "Matrix 4"-Verfilmung mit Keanu Reeves bald starten kann. 
In Babelsberg hoffen sie, dass unter anderem die "Matrix 4"-Verfilmung mit Keanu Reeves bald starten kann. 

© Chris Pizzello/dpa

Im März forderte etwa Schauspielerin Andrea Sawatzki ein Verbot für Dreharbeiten, wegen der Gesundheitsgefahr für das Team. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, ein generelles Drehverbot ist schwierig. Das würde einen Lockdown für die gesamte Industrie bedeuten. Und es gibt ja Fälle - das sehen wir tagtäglich im Fernsehen -, wo es funktioniert. Aber das wollen wir auch mit unseren Auftraggebern abstimmen: Dass man zum Beispiel, wenn es zu einer Szene in einem geschlossenen Raum kommt, vier Tage vor dem Dreh den ersten Test macht und dann nochmal einen Tag vorher, um sicherzustellen, dass auch wirklich niemand infiziert ist. Auf diese Weise kann man schon bestimmte Aktionen zulassen. Ich würde von einem generellen Drehverbot abraten.

Könnten aus der Krise neue Impulse für die Filmwelt entstehen?

Ja, doch, schon. Was wir hier im Kern machen - nämlich Filme physisch zu produzieren - das ist wie eine Baustelle auf dem Hochbau. Das kann man nicht virtuell mit einer Konferenzschaltung erledigen. Aber die Vorbereitungsarbeiten kann man schon teilweise mit neuen Kommunikationsmethoden überbrücken. Wie oft hat man sich früher in den Flieger gesetzt, um mal bei einem Meeting irgendwo zwei Stunden zusammenzusitzen? Da kann man wirklich viel Geld und Zeit sparen.

Wenn es im Juni tatsächlich weitergehen sollte mit den beiden Hollywoodproduktionen bei Ihnen: Kommt dann Keanu Reeves?

Ich glaube schon. dpa

Julia Kilian

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