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INTERVIEW: „Einer der blutrünstigen Diktatoren des 20. Jahrhunderts“

Herr Behrends, Sie haben zahlreiche, international beachtete Publikationen zur kommunistischen Herrschaft in Europa veröffentlicht. War Lenin ein Diktator und ein Massenmörder?

Herr Behrends, Sie haben zahlreiche, international beachtete Publikationen zur kommunistischen Herrschaft in Europa veröffentlicht. War Lenin ein Diktator und ein Massenmörder?

Vladimir Lenin übernahm 1917 als Parteiführer der Bolschewiki in Russland die Macht. Auch wenn andere Parteiführer zu seinen Lebzeiten über Einfluss verfügten, lag die letzte Entscheidung in wichtigen Fragen in der Regel bei ihm. Da er außerhalb des Gesetzes regierte und mit Willkür Russland unterwarf, ist es legitim, ihn als Diktator zu bezeichnen. Als Initiator des Roten Terror von 1918 und im russischen Bürgerkrieg befahl er zahlreiche Repressionen und Massentötungen.

Ist ein Vergleich Lenins mit Adolf Hitler oder Josef Stalin überhaupt statthaft? Zu welchem Ergebnis kommen Sie?

Lenin, Hitler und Stalin gehören zu den blutrünstigen Diktatoren des 20. Jahrhunderts. Sie miteinander zu vergleichen hat das Ziel, die spezifischen Eigenschaften jedes Regimes besser zu verstehen. Lenin eröffnete 1917 die Epoche der modernen Diktatur und der kommunistischen Herrschaft in Europa. Darin liegt seine besondere Bedeutung für Russland, Europa und die Welt.

Welche Verbrechen kann man Lenin zur Last legen?

Lenin hat nach seiner Machtübernahme die Eliten des alten Russland, seine Gegner im Bürgerkrieg, aber auch seine früheren Mitstreiter aus anderen revolutionären Parteien brutal verfolgt. Er gab der Geheimpolizei die Vollmacht zu töten und hat den staatlichen Terror alltäglich werden lassen. Auch die Anfänge des Gulags fällen in seine Regierungszeit.

Gehören Ihrer Meinung nach sämtliche noch in Deutschland vorhandene Lenin-Denkmäler aus dem öffentlichen Straßenbild entfernt?

In der Ukraine sind in den vergangenen Monaten vielfach Lenin-Denkmäler gestürzt worden, weil sie als Symbole der Diktatur gesehen werden. Das ist in einer revolutionären Situation sicher legitim. Auch bei uns in Deutschland sollten sie nicht unkommentiert im öffentlichen Raum stehen. Das heißt nicht, dass sie unbedingt verschwinden müssen; durch entsprechende Kommentierung ist es ja auch möglich, aus einem Denkmal für einen Gewaltherrscher ein Mahnmal gegen politische Gewalt zu machen. Außerdem sollte die Bevölkerung in den Umgang mit diesen Resten der kommunistischen Epoche einbezogen werden; eine Demokratie definiert sich durch eine besonnene Auseinandersetzung mit den Symbolen der Diktatur. Das gilt auch für Lenin.

Die Fragen stellte Matthias Matern

Jan C. Behrends (44) leitet am Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam ein Forschernetzwerk über Gewalt nach Stalin.

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