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Am Montag, 25. Mai 2020, wird das BGH-Urteil über die Schadensersatzansprüche eines Diesel-Fahrzeug-Käufers gegenüber dem Autokonzern VW verkündet.

© Julian Stratenschulte/dpa

Interview | Dieselskandal: „Gegen die Autoindustrie habe ich gar nichts“

Wegweisendes Urteil für alle Diesel-Fahrer erwartet: Der Potsdamer Rechtsanwalt Claus Goldenstein über den kommenden Richterspruch und die Folgen.

Potsdam - Herr Goldenstein, Sie vertreten als Rechtsanwalt einen Betroffenen des Dieselskandals. Am Montag, 25. Mai 2020, steht am Bundesgerichtshof (BGH) die Urteilsverkündung an. Gewinnen Sie, wird es für die Autokonzerne teuer. Was haben Sie gegen die deutsche Autoindustrie?
Gegen die Autoindustrie habe ich gar nichts. Ich vertrete in dem Fall einen Mandanten, der vom VW-Konzern getäuscht worden ist und versuche seine Rechte durchzusetzen. Ich finde, dass Verbraucher nicht so behandelt werden dürfen. Und es wäre ein gutes Zeichen, wenn sie sich vor dem höchsten deutschen Gericht durchsetzen können – auch gegen einen großen Konzern.

Wieso klagt Ihr Mandant?
Der Kläger ist ein ganz normaler Autobesitzer aus Rheinland-Pfalz. Er hat im Jahr 2014 einen VW Sharan gekauft. Er hatte sich damals ganz bewusst für ein umweltfreundliches Auto aus deutscher Produktion entschieden, weil er von einem hohen Qualitätsanspruch bei dem Hersteller ausgegangen ist. Natürlich hat er angenommen, dass das Fahrzeug auch den angepriesenen Bedingungen entspricht und hat für seine Verhältnisse viel Geld dafür bezahlt. Es war die teuerste Anschaffung, die er in seinem Leben gemacht hat. Als sich dann herausstellte, dass die Abgaswerte manipuliert waren, war er umso enttäuschter. Er fühlt sich ganz persönlich betrogen.

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Der Potsdamer Rechtsanwalt Claus Goldenstein.
Der Potsdamer Rechtsanwalt Claus Goldenstein.

© promo

Was erwarten Sie am Montag bei der Urteilsverkündung?
Der Bundesgerichtshof hat sich bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung in aller Ausführlichkeit verbraucherfreundlich positioniert und scheint unserer Argumentation in der Sache weitgehend zu folgen. Wir gehen davon aus, dass die verantwortlichen Richter das Urteil aus der Vorinstanz bestätigen und unserem Mandanten eine Entschädigung in Höhe von mehr als 28.000 Euro für seinen gebrauchten VW-Sharan zusprechen werden.

Was würde so ein Urteil für andere Dieselfahrer bedeuten?
Es ist das erste Mal, dass der Bundesgerichtshof dazu urteilt. Es handelt sich um einen Präzedenzfall, an dem sich andere Gerichte orientieren. 73.000 Einzelklagen sind noch anhängig, 60.000 Urteile gibt es bereits. Allein unsere Kanzlei vertritt mehr als 21.000 Mandanten. Alle Betroffenen können dann damit rechnen, auch eine Entschädigung zu erhalten. Für künftige Klagen besteht folglich Rechtssicherheit.

Wer würde von einem solchen Ergebnis profitieren?
Es profitieren alle Besitzer von betroffenen Fahrzeugen. Es geht nicht nur um Kunden von Volkswagen. Das Urteil würde sich auf alle Autokonzerne auswirken, die ihre Kunden durch falsche Angaben zu den Abgaswerten getäuscht haben. Das wäre ein gutes Signal für die Rechte von Verbrauchern. Ob ein Fall verjährt ist, hängt davon ab, wann der Kunde Kenntnis davon erlangt hat, dass er getäuscht worden ist und klagen könnte. Erst von da an läuft die dreijährige Verjährungsfrist.

Wie geht es nun weiter?
Interessant ist noch ein zweites Urteil, das der Europäische Gerichtshof demnächst fällen wird. Kürzlich hat die Generalanwältin das Plädoyer gehalten. Dem folgt das Gericht in 90 Prozent der Fälle. Sie erklärte Abschalteinrichtungen in Dieselautos, mit denen der Abgasausstoß temperaturabhängig gesteuert wird, für illegal. Das würde dann auch alle Fahrzeuge betreffen, die später noch verkauft worden sind und in denen ein solches Thermofenster eingebaut wurde, und zwar unabhängig von der Marke. Wir gehen davon aus, dass die juristische Aufarbeitung des Dieselskandals damit neu beginnen wird.

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