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Petra Weitzel, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti)

© privat

Interview: "Das Bild von trans Menschen ist oft exotisierend"

In Potsdam findet an diesem Wochenende der erste Trans-Kongress Ostdeutschlands statt. Petra Weitzel, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, über die Situation von trans Menschen und den Bedarf an Aufklärung.

Von Birte Förster

Frau Weitzel, an diesem Wochenende findet der erste Trans-Kongress Ostdeutschlands in Potsdam statt. Was ist das Ziel?
Unser Anliegen ist die Aufklärung von Berufsgruppen, die mit der Thematik im Alltag zu tun haben, aber im Rahmen ihrer üblichen Aus- und Weiterbildung kein Angebot vorfinden. Außerdem sollen trans Personen informiert werden und die Möglichkeit erhalten, ihr Wissen mit Fachkräften abzugleichen und zu hinterfragen. So bekommen sie mehr Sicherheit bei Entscheidungen. Da wir so weit wie möglich auch Fachkräfte einbinden, die selbst trans Personen sind oder trans Kinder haben, führt die Veranstaltung zu einem Austausch auf Augenhöhe, zu mehr Respekt voreinander und zu mehr Mut, sich für die Belange von transidenten, transsexuellen, transgender und trans Menschen einzusetzen.

Worin liegen die Schwerpunkte? Was wird geboten?
Die Schwerpunkte liegen im Bereich Gesundheitsversorgung und in den verschiedenen Möglichkeiten der Geschlechtsangleichung. Außerdem geht es um die Themen Gewalterfahrung, Gewaltvermeidung, trans affirmative Seelsorge, Informationen zu rechtlichen Entwicklungen und dem Umgang mit Banken und Versicherungen während der Transition. Aber es geht auch um neue rechtspolitische Entwicklungen wie das Verbot der Konversionsversuche, Trans im Breiten- und Leistungssport und um Körperwahrnehmung. Auf der Tagesordnung steht auch Trans und Religion. In diesem Zusammenhang veranstalten wir erstmalig auf einer Tagung einen interreligiösen Austausch mit Juden, Muslimen und Christen.

Wie viele trans Menschen leben in Potsdam?
In Potsdam verstehen sich 0,6 Prozent der Bevölkerung als trans. Also etwa 1000 Menschen.

Wie ist die Situation von trans Menschen in der Stadt?
In Potsdam gibt es Selbsthilfeangebote und Gruppen im Bereich Lesbisch Schwul Bi Trans Inter Queer, kurz LSBTIQ. Im Land Brandenburg ist das Angebot jedoch überschaubar. Therapeutische und medizinische Angebote sind sehr dünn gesät und weite Wege müssen in Kauf genommen werden. Dies bedeutet für Menschen in der Transition und mit niedrigem Einkommen eine unüberwindbare Barriere.

Inwiefern werden trans Menschen diskriminiert?
Betroffen sind vor allem Kinder und Jugendliche an Schulen. Es kommt vor, dass die Schulleitung sich weigert, einen neuen Namen anzuerkennen. Oder sie verbietet dem Kind, eine bestimmte Umkleide zu benutzen. Im Arbeitsleben gibt es einige Mobbing-Fälle bei denen trans Menschen betroffen sind. Zum Beispiel wurde schon manchen gekündigt, wenn sie gerade ihren OP-Termin hatten und daher nicht arbeiten konnten. Als Kündigungsgrund hieß es dann, dass diese Menschen nicht bei der Arbeit erschienen seien.

Was muss getan werden, um die Situation zu verbessern?
Aufklärung in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie zum Beispiel in Unternehmen, Behörden, Medien und Schulen ist ein Muss. Das Bild, das uninformierte Menschen von trans- und intersexuellen Menschen haben, ist häufig exotisierend oder von Missverständnissen geprägt. Trans ist wie Intersexualität nach dem Forschungsstand der letzten Jahre angeboren und keine psychische Störung. Besonders Kinder und Jugendliche sind extrem verletzlich und bedürfen besonderem Schutz davor, schikaniert zu werden. Erzieher und Erzieherinnen und Lehrer und Lehrerinnen müssen genauso wie Eltern zertifizierte Beratungs- und Fortbildungsangebote vorfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität bietet als eine von drei Einrichtungen entsprechende Fortbildungen an, wie auch Fortbildungen für verschiedene Berufsgruppen.

Das Programm:

Beim Trans-Kongress finden am Samstag, dem 5. und Sonntag, dem 6. Oktober, viele Workshops statt. Die Themen sind trans Chirurgie und die verschiedenen Methoden, Trans in der Gleichstellungsarbeit und Politik, Trans im Sport, Trans in der Pflege und im Alter und Trans für Pädagogen. Thema ist auch die nicht-binäre Selbstbestimmung, bei der sich Menschen weder als weiblich noch als männlich identifizieren. Außerdem stehen Trans und Religion sowie Gewaltprävention auf der Tagesordnung. Der Kongress findet im Freiland in der Friedrich-Engels-Straße 22 statt. Ergänzt werden die Workshops durch das Abendprogramm „Bunte Kühe im Grünen Gras" am Samstag um 19.30 Uhr. Das Programm aus Musik, Theater und Interviews richtet sich an Menschen mit und ohne Trans-Hintergrund. Der Eintritt kostet 15 Euro, für Konferenzteilnehmer ist er frei.

http://transinpotsdam.de

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