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Der Wohnungsbau in Potsdam war jahrelang auf relativ hohem Niveau. Zuletzt scheint sich das Tempo abzuschwächen. 

© Ottmar Winter

Interview | BBU-Vorstand Maren Kern: "Potsdam hat sich nicht verhoben"

Die Brandenburger Wohnungswirtschaft ist bisher gut durch die Coronakrise gekommen, sagt BBU-Chefin Maren Kern. Dennoch müsse die Landesregierung mehr tun. Und Potsdams Pläne für Krampnitz hält sie für visionär.

Frau Kern, wie machen sich die pandemiebedingten Einschränkungen bei ihren Mitgliedsunternehmen bemerkbar? Kommen Mieter in Zahlungsschwierigkeiten?  

Seit dem Sommer gibt es da eigentlich kaum Veränderungen. Damals hatte sich gezeigt, dass die Anzahl der Antragsteller auf Mietstundungen verschwindend gering war. Von April bis Juni war die Zahl sogar gesunken. Das hat sich nach Angaben unserer Mitgliedsunternehmen fortgesetzt. Verglichen mit dem vergangenen Jahr ist die Bereitschaft zur Mietzahlung sogar besser – sowohl in Berlin als auch in Brandenburg. Das finde ich ausgesprochen positiv. Wir werden das im Januar in einer neuerlichen Umfrage noch mal erheben. 

Bei den Gewerbemietern ist es unverändert schwierig. Das sieht man ja im Einzelhandel mit dem zweiten Lockdown. Unsere Mitglieder sind aber insgesamt wenig davon betroffen, weil das nicht ihr Schwerpunkt ist. Wenn, dann trifft es eher die Wohnungsgesellschaften als die Genossenschaften. Insgesamt ist unsere Branche stabil. Hilfsprogramme und Kurzarbeitergeld helfen ja auch Mietern.  

Welche Folgen gibt es für die Mitgliedsunternehmen? 

Da gibt es ein paar Einschränkungen bei Sanierungen, weil die Mieterinnen und Mieter zum Teil wegen Corona ängstlich sind, dass Handwerker in die Wohnungen kommen. Das kann man nachvollziehen. Schwierig wird es aber beim Thema Rauchwarnmelder. Die Frist zum Einbau endete am 31. Dezember. Wir hatten uns bei der Landesregierung vergeblich um eine Verlängerung um mindestens ein Vierteljahr bemüht. Das hatte seinen Ursprung schon im Frühjahr, weil die Lieferketten aus China nicht mehr funktioniert haben. 

Nun konnten wir zwar mit den Dienstleistern den Einbau bis zum 31. Dezember 2020 sicherstellen. Mit der zweiten Pandemie-Welle wird den Handwerkern aber immer häufiger der Zutritt verweigert. Und jetzt wird es schwierig. Die Mitgliedsunternehmen sind gesetzlich zum Einbau verpflichtet und haften dafür. Deshalb müssen sie nun auch gerichtlich gegen Mieter vorgehen, die den Einbau verweigern. Das macht mir schon Sorgen. 


Warum lehnen Mieter das denn ab?  

Viele sehen nicht ein, dass der Rauchwarnmelder letztlich Leben rettet. Im Wesentlichen machen sich die Leute Sorgen wegen Corona. Deshalb möchten wir nochmals darauf hinweisen, dass beim Einbau die Sicherheitsvorkehrungen, also was Abstand, Hygiene und Masken angeht, eingehalten werden. Das dauert auch nicht lange. Aber es gibt auch Mieter, die fürchten, dass sie durch den Rauchwarnmelder überwacht werden, weil der Akkustand bei einzelnen Geräten aus der Entfernung ausgelesen werden kann. Das geht dann schon in die Querdenker-Richtung. Da kann man aber die Bedenken nehmen, denn es handelt sich nur um die einmal jährlich erfolgende Erfassung des Akkustandes und der Funktionsfähigkeit vom Hausflur oder maximal der Straße aus. 


Passen die Unternehmen ihre Investitionspläne an die Pandemie an?  

Eine genaue Statistik dazu erheben wir Anfang dieses Jahres. Aber bisher haben wir nicht erfahren, dass Investitionen deshalb gestoppt wurden. Aber die Frage der künftigen Entwicklung schwingt natürlich mit. Bis auf kleinere Ausnahmen plant man für das neue Jahr aber trotzdem so, dass Corona weiterhin keine Auswirkungen auf die Projekte hat. Problematisch könnte dabei aber sein, dass Genehmigungen für Neubau teilweise noch länger dauern als bislang schon.  

Was ist denn entscheidend für die Entwicklung des Wohnungsmarkts in der Fläche?  

Da muss man sicherlich differenzieren zwischen der unmittelbaren Umgebung Berlins und dem weiteren Metropolenraum. Auch weiter von Berlin entfernte Städte haben eine gute Entwicklungschance, wenn eben die Bahnanbindung gut ist und auch die digitalen Netze gut ausgebaut sind. Da kann auch der Trend zum Homeoffice, der durch Corona verstärkt wurde, ein Faktor sein. Ohne die Pandemie wäre das allenfalls ein sehr allmählicher Prozess gewesen. Und nicht mehr täglich zu pendeln, trägt ja auch zur CO2-Ersparnis bei. 

Der BBU vertritt in Brandenburg 42 Prozent des Wohnungsbestandes. Was erwarten Sie von der Landesregierung?  

Gut gelaufen ist in Brandenburg die Neufassung der Bauordnung. Die Novelle beinhaltet eine Annäherung an die Musterbauordnung des Bundes. Bisher gab es beispielsweise sehr unterschiedliche Anforderungen, wenn ein Architekt einen Bauantrag in Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg gestellt hat. 

Eine einheitliche Regelung ist ein Vorteil. Das ist ein langer Kampf gewesen. Außerdem soll jetzt mit der Neufassung die Digitalisierung des Bauens vorangebracht werden. Jetzt in Coronazeiten ist das noch wichtiger als ohnehin. Ein wichtiger Punkt ist auch die Unterstützung des Landes für unsere Mitgliedsunternehmen im weiteren Metropolenraum. Dort beschäftigen uns immer noch die Themen hohe Leerstände und Altschulden. 

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Außerdem sind die Mieten dort sehr niedrig. Mit drei oder vier Euro pro Quadratmeter können sie langfristig die Objekte nicht rentabel bewirtschaften. Dort wächst die Bevölkerungszahl nach wie vor nicht, sondern sie schrumpft. Häufig fehlen auch nach wie vor Arbeitsplätze. Da hoffen wir auf zugeschnittene Förderungen für die einzelnen Unternehmen in diesen Regionen. Keine Stadt ist wie die andere. Diesem Umstand muss man Rechnung tragen. 

Und bei der Neufassung der Grundsteuer brauchen wir eine aufkommensneutrale Regelung, damit die Unternehmen oder die Mieter nicht noch zusätzlich belastet werden. Für das Bauland sind ja in erster Linie die Kommunen zuständig. Da erwarten wir, dass Flächen zur Verfügung gestellt werden, damit unsere Mitglieder ihrem Auftrag zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum gerecht werden können. 

Bei der Fortsetzung der Verordnungen zu Mietpreisbremse und Kappungsgrenze, die zum Jahresende auslaufen, hat sich das Ministerium lange bedeckt gehalten. Nun sollen die Verordnungen in deutlich weniger Kommunen gelten. Wie beurteilen sie die Entscheidung?  

Wir haben uns ja damals – also 2014 – schon dagegen ausgesprochen, dass die Verordnungen eingeführt werden. Die Anzahl der 31 Kommunen, die damals benannt worden sind, waren nach unserer Meinung völlig überzogen. Nun sind es nur noch 19. In der Regel sind wir von den Bestimmungen aber nicht betroffen, weil unsere Mitglieder sowieso sehr moderate Mieten verlangen und so gesehen die beste Mietpreisbremse sind. 

Wir halten auch die neuen Verordnungen für nicht erforderlich, aber wir werden uns natürlich daran halten. Viel problematischer ist für uns die CO2-Bepreisung, die ab dem 1. Januar greift und Heizen teurer macht. Das hat Einfluss auf die Betriebskosten. Die Verordnung dazu liegt bis heute nicht vor. Das ist ärgerlich, aber dafür ist der Bund verantwortlich. 

Was lief in vergangenen Jahr gut in Brandenburg?  

Brandenburg ist ein absoluter Coup gelungen mit der Ansiedlung von Tesla. Das ist sehr positiv und wird ein Entwicklungsmotor für die ganze Region. Dazu kommen ja noch weitere Projekte in der Lausitz. Und außerdem ist endlich der Flughafen fertig geworden. Alles zusammen wird der Entwicklung besonders im südlichen und östlichen Teil Brandenburgs sehr gut tun. Das kann auch den Wohnungsmarkt in diesem Teil des Landes beleben. Auch wenn man realistisch sein sollte: Nicht jeder, der bei Tesla arbeitet, wird nach Lauchhammer oder Frankfurt (Oder) ziehen. Aber das Projekt wird in die Region ausstrahlen. 

In den ersten neun Monaten 2020 sind in Brandenburg deutlich weniger Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt worden. Woran liegt das? Ist das eine Trendwende beim Wohnungsbau?  

Davon würde ich nicht sprechen. Wir beobachten das sehr genau. Es kann verschiedene Ursachen haben. Es ist gut möglich, dass das eine coronabedingte Delle ist. Das war ja anfangs eine sehr unüberschaubare Situation. Das wird sicher auch bei dem ein oder anderen privaten Häuslebauer zu Zweifeln oder Vorsicht geführt haben. Außerdem standen die Verwaltungen in diesem Jahr unter hohem Druck. Da ist vieles mindestens sechs Monate lang deutlich langsamer gelaufen. Und jetzt haben wir wieder den Lockdown. 

Potsdam hat viel Zuzug, kaum Leerstand. Doch in der Stadt hat der Wohnungsbau schon vor Corona an Fahrt verloren. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?  

Potsdam war im Wohnungsbau schon auf einem sehr hohen Niveau. Dann gab es ja in Potsdam in diesem Jahr auch noch den Hackerangriff auf die Verwaltung. Das hat die Arbeit der Verwaltung sehr behindert. Und diese Zeit ging dann praktisch direkt in die Corona-Pandemie über. Natürlich behalten wir die Entwicklung im Auge. Ich kann aber seitens unserer Mitgliedsunternehmen nicht feststellen, dass das Engagement da nachgelassen hat. Potsdam wird auch weiterhin gefragt sein. 

Stichwort Verwaltung: Die Potsdamer Bauverwaltung kann nur eine begrenzte Zahl von Bebauungsplänen bearbeiten. Der Rest bleibt liegen. Ist mehr Personal nötig?  

Natürlich muss man da nachlegen. Aber das geht auch nicht von heute auf morgen. Offene Stellen müssen auch erstmal besetzt werden. Da geht es der Stadtverwaltung auch nicht anders als anderen. Fachpersonal ist nicht leicht zu finden. Das hat ja auch Gründe in der Alterung der Bevölkerung. Potsdam als attraktive Stadt hat da wahrscheinlich sogar noch bessere Karten im Wettbewerb um die besten Köpfe als viele andere Kommunen. Und nun im Lockdown ist es auch schwieriger, Personalauswahlgespräche zu führen.


Die Planungen der Stadt für den neuen Stadtteil in Krampnitz mit bis zu 10 000 Bewohnern kommen nicht recht voran. Dort ist mit der Deutsche Wohnen auch eines ihrer großen privaten Mitgliedsunternehmen betroffen, das die denkmalgeschützten Kasernengebäude sanieren will. Hat sich Potsdam da verhoben? Würde das nicht eher nach Berlin passen? 

Das würde auch nach Berlin passen. Dort passiert es aber nicht. Nein, Potsdam hat sich damit nicht verhoben und hat ja mit dem Bornstedter Feld auch schon bewiesen, dass es Großprojekte kann. Ich finde die Pläne für Krampnitz echt visionär – sowohl die Größenordnung als auch das gesamte Konzept. Es ist als nachhaltiges Quartier, emissionsarm mit umweltgerechter Mobilität geplant, als autoarmes Quartier mit kurzen Wegen und einer hervorragenden Versorgung mit Schulen, Kitas und Nahversorgung. Ich bin eine absolute Befürworterin. 

Das kann ein Vorzeigeprojekt auch für andere Städte – auch über Brandenburg hinaus – werden. Entscheidend ist sicherlich die Verkehrsanbindung, die jetzt gemeinsam mit dem Quartier wachsen soll. Das ist auch nicht ungewöhnlich. Die große Ausnahme ist Wien, wo mit der Seestadt Aspern auch ein komplett neuer Stadtteil geschaffen wurde und die öffentliche Bahnanbindung schon fertig war, bevor das erste Haus gebaut wurde. Aber ich kenne da kein anderes Beispiel in Mitteleuropa. Mit der Planung für das Viertel zu warten, bis die Tram-Linie steht, wäre eine verfehlte Politik gewesen.

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