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Arche-Leiter Christoph Olschewski.

© Andreas Klaer

Interview | Arche-Chef Christoph Olschewski: „Der Bedarf wird sich eher noch steigern“

Der Leiter der Potsdamer Arche, Christoph Olschewski, spricht im Interview über Hilfsangebote für Familien in der Coronakrise. Die Telefone bei ihm stehen zurzeit nicht still.

Von Birte Förster

Potsdam - Herr Olschewski, der Standort der Arche in Drewitz musste wegen der Coronakrise schließen. Sie unterstützen mit Ihren Angeboten Kinder aus benachteiligten Familien sowie Kinder von Alleinerziehenden. Wie kommen die Familien, die es im Alltag ohnehin schon schwer haben, mit der neuen Situation zurecht?

Für die Kinder fallen das kostenlose Mittagessen und die bisherigen Freizeitangebote weg. Die Familien müssen nun zu Hause selbst für das Mittagessen aufkommen. In den Supermärkten sind die günstigen Lebensmittel aber oft ausverkauft. Außerdem ist zum Ende des Monats in vielen Haushalten die Familienkasse leer. Die finanzielle Not wird nun noch gesteigert. Dazu kommt, dass die Kinder jetzt die ganze Zeit zu Hause sind. Wir haben Alleinerziehende und andere Familien, die jetzt richtig zu kämpfen haben und maßlos überfordert sind.

Wie unterstützen Sie diese Familien in dieser schwierigen Lage?

Wir führen derzeit eine wöchentliche Rundfahrt zu Familien durch, die sich in einer Notsituation befinden, um ihnen Lebensmittel und anderes zu bringen. Diese sammeln wir über Spenden. Einmal pro Woche werden wir auch einen Großeinkauf tätigen, um die Nahrungsmittel zu ergänzen, die nicht über Spenden abgedeckt werden. 

Woher kommen die Spenden?

Es sind Einzelpersonen und Familien, die eine Fuhre Lebensmittel spenden. Auch privat organisierte Spendensammlungen aus Nachbarschaft und Kollegenkreisen gibt es. Außerdem hat uns zum Beispiel Günther Jauch von der Villa Kellermann kontaktiert, da das Restaurant im Rahmen der Schutzmaßnahmen den Betrieb einstellen musste. Am Montag haben wir dort eine Busladung voll mit Lebensmitteln abgeholt. Darunter waren Gemüse, Obst sowie Milchprodukte und Eier. Das werden wir in dieser Woche alles an die Familien verteilen. 

Was wird noch besonders benötigt?

Wir brauchen vor allem haltbare Lebensmittel wie H-Milch, Reis, Nudeln, Soßen, Konserven und Brot sowie auch haltbares Gemüse und Obst wie Gurke, Paprika, Kartoffeln und Äpfel. Wer verschiedene Nahrungsmittel spenden möchte, sollte darauf achten, dass sich aus der Kombination etwas Kindgerechtes zubereiten lässt. Damit wir einzelne Pakete an die Familien weitergeben können. Außerdem werden Hygieneartikel wie Toilettenpapier, Waschmittel, Duschgel und Windeln benötigt, sowie Freizeitartikel für Kinder. Ich bin bisher dankbar für die große Solidarität und hoffe, dass das so bleibt. Denn der Bedarf wird einfach bleiben und sich eher noch steigern.

Wie viele Familien versorgen Sie?

Aktuell betrifft das rund 25 Familien aus Drewitz, vom Stern, vom Schlaatz sowie aus der Waldstadt. Wir haben letzte Woche angefangen und die Tendenz ist steigend. Dabei handelt es sich vor allem um Familien mit Kindern, die regelmäßig in die Arche kommen. Aber wir haben auch weitere Familien über die Grundschule Am Priesterweg aufgenommen und stehen auch mit dem Begegnungszentrum Oskar sowie der Tafel Potsdam im Austausch. Die Essensspenden verteilen wir auch an Familien, die keinen Bedarf angemeldet haben, von denen wir aber wissen, dass sie welche benötigen. Denn für viele ist es ein großes Thema, die Scham zu überwinden. Letzte Woche weinte eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern am Telefon, als sie mir den Bedarf mitteilte, auch über unsere Lebensmittelpakete versorgt zu werden. Da zeichnen sich aktuell in unserer Stadt und bundesweit große Tragödien ab, denen wir mit aller Kraft begegnen. 

Sie betreuen die Familien auch jetzt noch anderweitig, helfen den Kindern bei den Hausaufgaben und bieten ihnen Freizeitangebote. Wie geht das?

Drei pädagogische Mitarbeitende in Vollzeit sowie eine pädagogische Mitarbeiterin in Teilzeit arbeiten am Standort in Potsdam und haben die Familien untereinander aufgeteilt. Außerdem kommen aktuell noch eine FSJlerin und eine Praktikantin dazu. Über WhatsApp, Zoom und Telefon stehen wir mit ihnen in Kontakt. Die Kinder können sich bei uns melden, wenn sie Hilfe bei den Hausaufgaben brauchen. Über ein Live-Video mit Privatlink lesen die Pädagogen außerdem Geschichten vor oder spielen interaktive Spiele am Monitor mit ihnen. Das Humorvolle ist wichtig, um die Kinder bei der Stange zu halten. Alles läuft immer in Absprache mit den Eltern. Die Kinder können sich außerdem bei Schwierigkeiten an uns wenden. Der Vorteil ist, dass wir einen direkten Kontakt zu vielen Kindern haben. Dadurch bekommen wir vieles mit. 

Wie werden die Angebote bisher angenommen?

Das läuft gerade an und die Telefone klingeln pausenlos. Die Kinder rufen uns an, machen Witze oder sagen auch, wenn es ihnen nicht gut geht. Damit noch mehr Kinder daran teilhaben können, benötigen wir noch Smartphone-Spenden, am besten mit Prepaid-Karten. Die Kinder haben bereits auch unter sich Hausaufgaben-Gruppen gebildet. Viele Elternteile sind dankbar. Auch um sie kümmern wir uns.

Wie unterstützen Sie die Eltern?

Ich habe einen Info-Kanal für die Eltern eingerichtet, um diese in verschiedenen Sprachen darüber zu informieren, was von der Politik beschlossen wird, aber auch, wie es bei der Arche weitergeht. Außerdem haben die Eltern die Möglichkeit, sich in Notlagen an uns zu wenden. Schließlich ist es eine neue Situation für alle. Da kommen existenzielle Ängste auf. Wir rufen daher auch von uns aus die Familien an, damit wir sicherstellen, dass in dieser Zeit niemand durchs Raster fällt. Wir sind an den Familien dran und sagen ihnen durch Wort und Tat: Ihr seid jetzt nicht allein. Wir stehen an eurer Seite. 

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