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Magische Stunde. Am Freitagabend wurde der sanierte „Kleine Refraktor“ auf dem Telegrafenberg eingeweiht. Er wird als Atelier für ein Künstleraustauschprogramm genutzt.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: „Interessante Zündungen“

Auf dem Telegrafenberg wurde der sanierte „Kleine Refraktor“ eingeweiht – als Künstler-Atelier

Telegrafenberg - Der Abend ist mild, der gelb-rote Ziegelbau leuchtet in den letzten Sonnenstrahlen fast so intensiv wie die ersten herbstlich gefärbten Blätter der umstehenden Bäume, der Lärm der Stadt ist wie weggewischt: Dass der Telegrafenberg „der schönste Wissenschaftscampus auf dem Kontinent“ ist, wie Hans Joachim Schellnhuber, der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), es auf den Punkt bringt – wer wollte das in dieser magischen Stunde bestreiten. Und der traditionsreiche Forschungsstandort ist sogar wieder etwas schöner geworden: Am Freitag wurde der sanierte Photographische Refraktor, auch als „Kleiner Refraktor“ bekannt, offiziell eingeweiht. Er soll künftig als Atelier für ein Künstleraustauschprogramm genutzt werden – Arbeiten des ersten „Nutzers“, des britischen Installations-Künstlers Steven Pippin, waren bereits zu sehen.

Insgesamt 400 000 Euro flossen laut Schellnhuber in die Sanierung des 1888/1889 errichteten Refraktors neben dem PIK-Hauptgebäude. In dem Kuppelrundbau mit einem Durchmesser von sechs Metern, der bis 1969 genutzt wurde, entstanden einst Aufnahmen für die Erarbeitung einer fotografischen Himmelskarte. Zuletzt rottete er aber nur noch vor sich hin: Die Kuppel war teilweise eingestürzt, Rost fraß an der Konstruktion. 2008 konnte das Gebäude zunächst mit einer Notdachkonstruktion vor weiteren Schäden bewahrt werden. Geld dafür kam von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der von ihr verwalteten Pietschker-Neese-Stiftung – sie haben auch die Sanierung des Großen Refraktors finanziert.

Die Restaurierung wurde schließlich mit Mitteln des Konjunkturpakets II möglich, wie der PIK-Direktor erklärte. 380 000 Euro – 75 Prozent davon zahlte der Bund, 25 Prozent das Land Brandenburg – kostete die Maßnahme. Auch der Westturm des benachbarten PIK-Hauptgebäudes konnte mit Konjunkturpaketmitteln wieder nutzbar gemacht werden, betonte Schellnhuber. Dort plant das PIK die Einrichtung eines modernen Systems für Videokonferenzen: „Das ist unser Beitrag zur CO2-Reduktion“, so Schellnhuber. Wenn die Wissenschaftler mit den Kollegen aus anderen Ländern öfter am virtuellen Tisch sitzen, seien weniger „lange, langweilige, gesundheits- und klimaschädliche Flüge“ nötig.

Künstler Steven Pippin ist allerdings ganz real aus London nach Potsdam gezogen: Zwei Monate lang war er „Artist in Residence“ und experimentierte mit einer eigens entwickelten Doppel-Kamera. Dabei werden die Aufnahmen von zwei Linsen übereinandergeschoben, wie er erklärte. Mit dem Apparat fotografierte Pippin etwa die fast symmetrischen Kolonnaden des Belvedere auf dem Pfingstberg – in zwei Richtungen. Durch die scheinbare Unschärfe hinterlässt das Bild einen irritierenden Eindruck.

Bereits in der kommenden Woche wird der zweite Künstler erwartet: der Schweizer Schriftsteller Peter Weber („Der Wettermacher“). Das Künstlerprogramm wird unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst getragen. In ihren Arbeiten seien die Künstler „völlig freigestellt“, betonte Schellnhuber: Er erwarte „eine Reihe von interessanten Zündungen“, wenn künstlerische auf wissenschaftliche Freiheit trifft. Auch Brandenburgs Wissenschafts- und Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) begrüßte das Künstlerprogramm. Der angestrebte Dialog sei „wertvoll“, zeigte sich die Ministerin überzeugt: Die Erkenntnisse von Wissenschaftlern könnten in künstlerischer Form mehr Menschen erreichen. Für die Öffentlichkeit ist der Refraktor nur dann zugänglich, wenn das Atelier besetzt ist.

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