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Über die damaligen Einwanderer aus Frankreich, Russland oder Holland redet heute niemand mehr schlecht.

© Manfred Thomas/PNN

Integration in Potsdam: Die Macht der Vorurteile

Nicht erst heute ziehen Ausländer nach Potsdam, schon im 17. Jahrhundert wanderten Menschen zu - was zu ähnlichen Konflikten führte wie heute. Eine Ausstellung widmet sich diesem Phänomen.

Von Birte Förster

Schweizer sind faul, Russen ständig betrunken und die Böhmen arbeiten schlecht: Seit jeher haben Menschen Vorurteile gegenüber Zugewanderten. Woher diese kommen, beleuchtet die Ausstellung „Ankommen in Potsdam. Integration als Teil der Stadtgeschichte – Chancen und Schwierigkeiten“, die noch bis 31. Dezember am Bauzaun in Potsdams Mitte, unweit des Staudenhofs, zu sehen ist.

In der Ausstellung, die Teil des Themenjahres Kulturland Brandenburg ist, geht es vor allem um diejenigen, die der damalige preußische Kurfürst Friedrich Wilhelm nach dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert nach Brandenburg holte. Bis heute haben diese Gruppen in Potsdam Spuren hinterlassen, wie im holländischen Viertel oder in der russischen Kolonie Alexandrowka. 

Während diese aus heutiger Sicht als wichtiger Teil des Stadtbildes positiv wahrgenommen werden, verliefen die Anfänge der Integration nicht ohne Konflikte. „Vorurteile können sehr alt sein und sich von Generation zu Generation weitertragen“, sagt Thomas Sander vom Verein ArchitraV, der die Ausstellung konzipiert hat.

Die Bevölkerung fürchtete die Konkurrenz der eingewanderten Juden

Insgesamt sieben Plakate hängen seit Freitag am Bauzaun vor der alten Fachhochschule. Darauf zu lesen: jeweils ein zur damaligen Zeit entstandenes Zitat über eine bestimmte eingewanderte Bevölkerungsgruppe, das in einen erklärenden Text eingebettet wird. Über die Böhmen steht da zum Beispiel: „Es sei aber von jeher über ihre schlechte Arbeit, Mangel an Thätigkeit und Unzuverlässigkeit geklagt worden.“ Das Zitat stammt vom königlichen Kommissar und Chef der Seehandlung Rother aus dem Jahr 1832. 

Auch von den Hugenotten aus Frankreich, den Holländern und den Bayreuthern ist die Rede. Damals wie auch heute noch wurde zudem eingewanderten Juden Feindseligkeit entgegengebracht. Damals fürchtete die hiesige Bevölkerung vor allem ihre Konkurrenz. „Diese Unchristen laufen auf von Dorfe zu Dorfe, von Städten zu Städten, halten alle Tage Jahrmarkt, dass wir nicht mehr den Fuhrlohn noch das liebe Brot verdienen.“ So äußerten sich 1673 die Innungen von Berlin und Kölln.

Der Kurfürst lockte die Fremden gezielt in die Mark

Aber woher kommt diese Feindseligkeit? Die Zerstörungen durch den Dreißigjährigen Krieg, der 1648 mit dem westfälischen Frieden beendet wurde, waren in Brandenburg verheerend. Viele Menschen hatten ihr Leben verloren, die Wirtschaft lag brach. In der Einwanderung sah der damalige Kurfürst ein geeignetes Mittel, um die Region wiederaufzubauen und zu besiedeln. „Er brauchte dringend Menschen zur Peuplierung“, erklärt Sander. 

Mit besonderen Privilegien lockte er daher Menschen nach Brandenburg, die die Region in verschiedenen Bereichen durch ihr Wissen voranbringen sollten. So galten Schweizer Bauern als Experten in der Viehwirtschaft, Holländer wiederum waren geübt darin, Häuser auf schwierigem Terrain zu bauen, jüdische Kaufleute sollten die einheimische Wirtschaft ankurbeln. „In der Einöde, die Potsdam damals noch war, konnte man jedes Handwerk gut gebrauchen“, so Sander. 

Nach der Einwanderung seien viele von ihnen über Jahre steuerlich befreit gewesen, den Hugenotten seien Häuser geschenkt worden. Viele Einwanderer durften dazu laut Sander ihr Handwerk ausüben, ohne in einer Zunft zu sein.

Die Häuser der Hugenotten wurden gestürmt

Mit seiner Bevölkerungspolitik stieß der Kurfürst vielerorts auf Ablehnung. Die verarmte Bevölkerung sah sich benachteiligt, fürchtete die Konkurrenz der Neuankömmlinge. Die damaligen Reaktionen erinnern an ausländerfeindliche Stereotype und Taten aus der Gegenwart. So seien die Häuser der Hugenotten gestürmt worden, erklärte Sander. Man habe sie regelrecht gehasst. „Einheimische erhofften sich selbst eine Unterstützung vom Kurfürst.“

Einwanderung sei schon immer eine schwierige Angelegenheit gewesen, sagt Sander. Wichtig sei es aber zu zeigen, dass das Gefühl der Benachteiligung gegenüber den Einwanderern mit bereits vorhandenen Missständen zusammenhänge, so Sander. „Die Probleme kommen nicht von außen. Die Probleme sind längst da“, sagt er. 

„Wir wollten die Diskrepanz, die zu Beginn der Einwanderung spürbar ist, aufgreifen.“ Die damaligen Schwierigkeiten bei der Integration haben aber auch gezeigt, dass die Probleme lösbar sind. Heute würde keiner mehr über diese Generation von Zuwanderern reden.

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