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Inklusionsforum Brandenburg: „Barrierefreiheit ist mehr als die Rampe am Haus“

Potsdams Beauftragter für Menschen mit Behinderungen beklagt die Schulpolitik des Landes. Und auch in Potsdam finden sich viele Barrieren.

Herr Richter, am heutigen Mittwoch findet im Bürgerhaus am Schlaatz das Inklusionsforum Brandenburg statt. Es wird darum gehen, wie Menschen mit Behinderungen besser am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wie ist die Lage in Potsdam?

Es gibt noch immer viele Barrieren, auch in der Landeshauptstadt. Nicht nur bauliche, sondern auch kommunikative Barrieren.

Was meinen Sie damit?

Barrierefreiheit bedeutet mehr als nur die Rampe am Haus. Stellen Sie sich vor, Sie sind gehörlos und stecken im Aufzug fest. Sie drücken jetzt die Alarmtaste. Und dann denken Sie vielleicht minutenlang, dass Ihnen niemand hilft und Sie werden panisch. Denn die Ansage aus der Gegensprechanlage können Sie ja nicht hören. Also benötigt man in den Aufzügen eine optische Anzeige, auf der man lesen kann, dass Hilfe unterwegs ist. Eine solche Anzeige gibt es aber längst nicht in allen Aufzügen.

Was hat Sie zuletzt geärgert?

Wenn in der Brandenburger Straße die Buden für den Weihnachtsmarkt aufgebaut sind, gibt es immer wieder Probleme. So auch beim letzten Mal. Denn häufig stehen die Fahrradständer und Fahrräder vor den Geschäften direkt auf den Granitplatten. Gerade Rollstuhlfahrende oder Senioren mit Rollator kommen dann dort nicht mehr lang. So müssen sie auf das Pflaster in der Straßenmitte ausweichen. Das ist keine komfortable Situation, gerade wenn der Markt gut besucht ist.

In den Trams gibt es seit Kurzem Richtungsansagen, die ertönen, wenn die Bahnen in der Station stehen. Eine gute Sache?

Ja, für sehbehinderte und blinde Menschen sowie für Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen haben, ist das ein großer Fortschritt, denn sie können ja häufig nicht lesen, wohin die Bahn fährt. Sie sind darauf angewiesen, dass sie die Fahrtrichtung angesagt bekommen. Im Moment gibt es diese Ansagen nur an ausgewählten Haltestellen. Es wäre wünschenswert, wenn man das auf alle Haltestellen ausweiten würde.

Zur Situation an den Schulen: Wie weit ist Potsdam hier in Sachen Inklusion?

Da gibt es erheblichen Verbesserungsbedarf. Das liegt allerdings nicht so sehr an der Stadtverwaltung. Zum Beispiel sind die sogenannten Raumprogrammempfehlungen des Landes Brandenburg noch nicht auf Inklusion eingestellt.

Das bedeutet?

Wenn die Stadt eine Schule baut, dann nimmt sie dafür einen Kredit auf. Und dieser Kredit muss von der Kommunalaufsicht genehmigt werden. Die Bewilligung erteilt die Behörde aber nur, wenn die Raumprogrammempfehlungen des Landes bei dem Schulneubau eingehalten werden. Also plant Potsdam die Gebäude derzeit so, dass das Land sie genehmigt, auch wenn zugleich die Belange von Schülern mit Behinderungen nicht voll berücksichtigt werden können.

Wie viele Schüler mit Förderbedarf gibt es eigentlich in Potsdam?

Zurzeit sind es 1304 Schüler, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben. 607 von ihnen, also fast die Hälfte, lernen an Regelschulen, die anderen in Förderschulen.

Gibt es wenigstens ausreichend Lehrer?

Leider nein, aus meiner Sicht müssten mehr Sonderpädagogen eingestellt werden.

Das Interview führte Holger Catenhusen

ZUR PERSON: Christoph Richter (31) ist seit August 2013 Potsdams Beauftragter für Menschen mit Behinderungen. Der Diplom-Sozialpädagoge stammt aus der Nähe von Kassel in Hessen.

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