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Landeshauptstadt: In Potsdam ist noch Platz für Touristen

Landesregierung und Schlösserstiftung widersprechen der Warnung von Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, der Stadt Potsdam drohe eine touristische Sättigung.

Potsdam - Überfüllung, Müll, Gedränge, Lärm: Wenn sich zu viele Touristen auf einmal dafür entscheiden, die historische Innenstadt oder den malerischen Badeort ihrer Wahl aufzusuchen, bleibt von der Urlaubsidylle oft nicht mehr viel übrig. „Übertourismus“ lautet dieses Phänomen (siehe unten), vor dem kürzlich auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) warnte: Potsdam und insbesondere Sehenswürdigkeiten wie Schloss Sanssouci liefen Gefahr, auf einen Punkt der Sättigung zuzulaufen, die für die Stadt nicht mehr verkraftbar seien. In diesem Zusammenhang nannte Steinbach Venedig als krassestes Beispiel für Übertourismus.

Droht Potsdam ein ähnliches Schicksal? Die Antwort der Landesregierung auf eine entsprechende kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Steeven Bretz (CDU) zeigt ein anderes Bild: „Der Landesregierung sind aktuell keine Faktoren bekannt, die auf einen ’Übertourismus’ in Potsdam schließen lassen“, heißt es dort. „Die Tourismusintensität (Übernachtungen je 1 000 Einwohner) in Potsdam liegt bisher mit Werten von 6 631 (für 2016) und 6 666 (für 2017) unterhalb des Mindestwertes von 7 500, der als gutachterliche Empfehlung zu einer anzustrebenden Tourismusstärke im Leitfaden ’Die Zukunft des Destinationsmanagements im Land Brandenburg’ verankert ist.“

Im Gegenteil hofft die Landesregierung eher, dass noch mehr Touristen nach Potsdam kommen: „Eine wachsende Anzahl an Übernachtungs- und Tagesgästen in der Stadt Potsdam trägt nach Ansicht der Landesregierung zur Erhöhung der Wertschöpfung und zur Sicherung von Beschäftigung im Gastgewerbe sowie in anderen Wirtschaftsbranchen bei. Gleichzeitig erhöht eine touristische Angebotsstruktur auch die Lebensqualität für die Bürger der Stadt Potsdam.“

Stiftung sieht keine Probleme mit Touristen

Aber auch die Stiftung preußische Schlösser und Gärten (SPSG), deren Anlagen zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Potsdams gehören, sieht keinen Handlungsbedarf: „Von Übertourismus sind Potsdam und die Stiftung weit entfernt“, sagt SPSG-Sprecher Frank Kallensee. „Da, wo bei Stiftungsangeboten kapazitäre Engpässe vorliegen, etwa bei verstärkter Nachfrage an exponierten Saisonwochenenden für Schloss Sanssouci, haben wir durch Timeslot-Ticketing und Online-Vorverkauf den Zugang organisatorisch so geregelt, dass denkmalpflegerisch definierte Obergrenzen eingehalten und Übernutzung und Substanzverlust zuverlässig verhindert werden.“

Problematisch seien für die Stiftung weniger die große Zahl von Touristen, sondern manchmal eher die lokalen Besucher, insbesondere im Neuen Garten, der von vielen Potsdamern genutzt wird, um im Heiligen See zu baden: Hier beobachtet Kallensee „zunehmende Gleichgültigkeit und auch Respektlosigkeit gegenüber dem historischen Gartendenkmal“. Daneben seien vor allem Vandalismus, nächtliche Partys in den Gärten und die Brandgefahr in trockenen Sommermonaten ein viel größeres Problem für die Stiftung als große Besucherströme.

Ähnlich sieht das Raimund Jennert, Leiter der Potsdam Marketing und Service GmbH: „Ich sehe nicht, dass es in Potsdam ein Problem mit Übertourismus gibt. Es gibt zwar eine hohe Zahl an Tagesgästen, etwa im Park Sanssouci, aber der Park ist groß und es verläuft sich eigentlich recht gut, in der Stadt genauso.“ Jennert sieht die Herausforderung eher darin, den jetzigen Stand zu halten, denn auch wenn die Übernachtungszahlen für Potsdam wachsen, sei dies kein Garant, dass es ewig aufwärts gehe. Das sei auch gar nicht wünschenswert, es gehe eher darum, eine nachhaltige Entwicklung anzustreben. „Wir sollten nicht versuchen, den Tourismus noch anzufeuern, vor allem in der Hauptsaison. Wir sollten eher die Nebensaison stärken“, so Jennert.

Die Landesregierung rechnet damit, dass die Touristen-Zahlen weiter steigen werden und sieht Potsdam dafür gut gerüstet: „Mit über 6000 Betten, 550.000 Gästen, mehr als 1,27 Millionen Übernachtungen und einer durchschnittlichen Bettenauslastung von 54,6 Prozent in gewerblichen Betrieben ist das Reisegebiet sehr gut aufgestellt“, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage.

Oder-Spree in Brandenburg Spitzenreiter

Zwar kann sich Potsdam großer Beliebtheit erfreuen, ist aber trotzdem nicht die bestbesuchte Reiseregion Brandenburgs: Mehr Besucher zog es 2018 ins Seenland Oder-Spree, in den Spreewald und ins Ruppiner Seenland. Nur beim Zuwachs der Übernachtungsgäste (plus 9,1 Prozent) ist Potsdam Spitzenreiter.

Ähnliches gilt für Brandenburg insgesamt: Zwar kamen im ersten Quartal sechs Prozent mehr Gäste als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, aber verglichen mit anderen Bundesländern ist die Mark kein Topziel: Bundesweit rangiert Brandenburg bei der Beliebtheitsskala von Touristen auf Platz zwölf.

Hintergrund

Unter Übertourismus beziehungsweise Overtourism wird seit einigen Jahren das Phänomenen bezeichnet, dass gewisse Städte und Sehenswürdigkeiten einen solchen Zulauf an Touristen haben, dass darunter die Lebensqualität der örtlichen Anwohner leidet (z.B. durch Störung der Nachtruhe), die Umwelt verschmutzt wird oder Mieten steigen. Ursachen sind unter anderem Billigflieger, Kreuzfahrtschiffe mit vielen Tagesgästen und die Vermietung von Airbnb-Wohnungen an Touristen.

Bekanntestes Beispiel für Übertourismus ist Venedig, das vor allem mit Massen von Kreuzfahrtgästen zu kämpfen hat und deshalb seit diesem Jahr eine Eintrittsgebühr für die Stadt erhebt. Obwohl in Venedig selbst nur rund 55.000 Menschen wohnen, besuchen jährlich etwa 28 Millionen Menschen die Stadt. Zum Vergleich: Potsdam hat etwa 178.000 Einwohner und wird jährlich von rund 16,5 Millionen Tagesgästen besucht. Damit sind die Zahlen in den letzten Jahren sogar gesunken: 2011 zählte die Landeshauptstadt 18,5 Millionen Tagesgäste. Leicht angestiegen sind hingegen die Zahlen der Übernachtungsgäste.

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