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Landeshauptstadt: In der Unterwelt

Bunker des Winzerbergs werden untersucht

Innenstadt - Die Interessenten, die am Sonnabend an der zweiten Führung auf den Winzerberg teilnahmen, wurden in die Geheimnisse des Stollensystems eingeführt. Es war 1944/45 in den Hang des friderizianischen Weinbergs getrieben worden, um für etwa 3000 Potsdamer Luftschutzräume zu schaffen. Es bestand aus dem Königsweg-, dem Sanssouci- und dem Augustastollen. Der stellvertretende Vorsitzende des Bauvereins für die Wiederherstellung der Terrassenanlage, Diethelm Marche, erläuterte die denkmalpflegerischen Untersuchungen, die unter anderem klären sollen, ob Teile der Stollen für das Publikum geöffnet werden können.

Das ist noch nicht entschieden, erklärte Marche, sondern hängt vom Zustand der Bunkeranlage, aber auch vom denkmalpflegerischen Konzept ab, das derzeit in der Stiftung Schlösser und Gärten erarbeitet wird. Keine Sensationen erwartet der Diplomingenieur in den Hohlräumen, die bei Untersuchungen mit einer Kamerasonde Mitte der 90er Jahre in der nach Kriegsende gesprengten und verfüllten Anlage festgestellt worden waren. Dabei handele es sich wohl nur um den oberen Bogen der Stollen, der von der Füllmasse nicht erreicht worden ist. Das Bernsteinzimmer werde man jedenfalls nicht unter dem Winzerberg finden.

Unter den Teilnehmern der Führungen waren bereits zwei Potsdamer, die am Kriegsende 1945, damals im Schuljungenalter, in den Bunkern Schutz gesucht hatten. Siegfried Lieberenz hatte hier die Nacht nach dem englischen Bombenangriff vom 14. April 1945 verbracht, Manfred Wenske das Monatsende, als die sowjetischen Truppen die Stadt eroberten. In den halbfertigen und schlecht belüfteten Stollen verlebten die Schutzsuchenden bange und schwere Stunden ohne Wasser und Licht. Auch Toiletten gab es nicht. Ein junger Arzt kümmerte sich um die Erkrankten und Verletzten. Als ein Mann mit weißer Fahne Wasser holen wollte, wurde er angeschossen. Auch für Manfred Wenske wäre der Versuch, den Bunker zu verlassen, beinahe zum Verhängnis geworden. Auf dem Winzerberg stand ein deutsches Geschütz, dessen Feuern die Bunkerwände erbeben ließ. Als die eindringenden Russen in den Stollen vom Bau herrührende Gleise und Loren entdeckten, vermuteten sie, damit sei das Geschütz mit Munition beliefert worden. Das brachte die Bunkerinsassen in große Gefahr, erschossen zu werden.

Lieberenz und Wenske werden dem Verein, der jeden ersten Sonnabend im Monat um 10 Uhr zu Führungen einlädt, als Zeitzeugen zur Verfügung stehen – das nächste Mal am 6. Mai. E. Hohenstein

E. Hohenstein

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