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Ein verärgerter Potsdam: TV-Star Günther Jauch wundert sich über Immobiliengeschäfte in seiner Heimatstadt.

© dpa

Immobilien-Affären: Jauch stellt Potsdam die Millionenfrage

UPDATE. Der TV-Moderator hatte schon einmal ein mittleres Erdbeben in der Politik seiner Heimatstadt verursacht. Nach seiner Kritik am Umgang mit Bauherren und -investoren greift er nun erneut die Stadt wegen Grundstücksverkäufen an den Investor Semmelhaack an. Und erhebt Vorwürfe gegen den Oberbürgermeister

Der Fernsehjournalist Günther Jauch erhebt in der Immobilien-Affäre um die Privatisierung von rund 1050 Wohnungen im Jahr 2000 schwere Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und den Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba Horst Müller-Zinsius. Jauch äußert den Verdacht, dass der Unternehmer Theodor Semmelhaack als Käufer der Immobilien von Stadt und Gewoba bevorzugt wurde. Einen entsprechenden Bericht des „Stern“ bestätigte Jauch am Mittwoch.

Die Gewoba hatte im Jahr 2000 rund 100 städtischen Immobilien für 26,3 Millionen Euro an Semmelhaack verkauft. Potsdams Oberbürgermeister war damals der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Jauch kritisiert die Intransparenz des Verkaufs. Die Immobilien seien „unter Bedingungen, die nahelegen, dass außer Herrn Semmelhaack kein anderer beim Erwerb zum Zuge kommen sollte“ veräußert worden, schrieb der Fernsehjournalist, der seit Mitte der 1990er Jahre in Potsdam lebt, nach eigenen Angaben vor einigen Wochen an Jakobs und Müller-Zinsius. Eine Antwort habe er bis heute nicht erhalten. Jauch verblüfft zudem, dass Semmelhaack offensichtlich kaufen konnte, ohne Auflagen zur Sanierung zu bekommen. Jauch selbst habe, schreibt der „Stern“, beim Kauf städtischer Immobilien immer wieder strenge Sanierungspflichten mit starren Fristen erfüllen müssen.

Oberbürgermeister, Gewoba-Chef und Semmelhaack hatten vor zwei Wochen nach einem ersten Bericht des „Stern“ alle Vorwürfe zurückgewiesen. Zugleich war jedoch bekannt geworden, dass das städtische Rechnungsprüfungsamt seinerzeit zahlreiche Verstöße der Stadt im Verfahren und teilweise einen Verkauf des städtischen Vermögens unter Wert festgestellt hatte. Jakobs, der auch Aufsichtsratschef der Gewoba war und ist, hatte den Rechnungsprüfern gedroht, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

Jauch hatte die Umstände der Privatisierungen nach dem „Gewoba-Modell“ bereits vor zwei Jahren als fraglich bezeichnet. Potsdam, damals in Finanznöten, verkaufte Immobilien für 60 Millionen Euro an die städtische Gewoba, die wiederum zur Refinanzierung privatisierte. Im August 2009 habe er einen zweiseitigen Brief mit Fragen an Jakobs und Müller-Zinsius geschickt, so Jauch. Erst sei er von beiden „bis nach der Landtagswahl hingehalten“ worden, dann seien bei einem Gespräch im Rathaus „meine Fragen zum größten Teil nicht beantwortet“ worden. Dazu, so hätten Jakobs und Müller-Zinsius erklärt, „sei man nicht verpflichtet“. Mit keinem Wort hätten Oberbürgermeister und Gewoba-Chef die Bedenken der Rechungsprüfer oder die Haftungsfreistellung erwähnt, die sich Müller-Zinsius vom damaligen Oberbürgermeister Platzeck ausstellen ließ (PNN berichteten). Müller-Zinsius hatte es abgelehnt, die Verantwortung zu tragen, sollte der Gewoba ein Schaden aus dem Kauf der städtischen Immobilien entstehen. Jakobs und Müller-Zinsius hätten ihm stattdessen deutlich gemacht, so Jauch, dass „der Verdacht, den ich durch meine Fragen aufkommen ließe, völlig absurd sei“. Nun bestätige sich, dass er völlig richtig gelegen habe. „Und das wussten die Beteiligten natürlich auch.“ Daher habe er nun erneut an Jakobs und Müller-Zinsius geschrieben und um schriftliche Beantwortung seiner Fragen gebeten.

Aus dem Potsdamer Rathaus hieß es am Mittwoch zu den Äußerungen von Jauch, dass sein Brief an Jakobs eingegangen sei und „zeitnah“ beantwortet werde. Jauch sei „ein wichtiger Bürger unserer Stadt, wir nehmen ihn ernst“, so Sprecher Stefan Schulz. Wenn er „noch so viele Fragen hat“, gebe es auf jeden Fall die Möglichkeit, dass er erneut ein persönliches Gespräch mit Jakobs und Müller-Zinsius führen könne. Die Stadt sei aber davon ausgegangen, so Schulz, dass bei dem Treffen vor zwei Jahren Jauch „alle Fragen beantwortet“ worden seien.

Jauch hat laut „Stern“ bereits im August 2009 die Privatisierungs-Umstände angezweifelt, weil Semmelhaack damals 31 von der Stadt erworbene Immobilien am Markt zum Verkauf anbot, auch dem TV-Moderator. 29 der Immobilien soll Semmelhaack bei dem Geschäft im Jahr 2000 für 8,5 Millionen Euro erworben und dann nach Ablauf der Spekulationsfrist für 18,2 Millionen Euro angeboten haben, laut „Stern“ bei steuerfreien Gewinnen. 20 der 29 Objekte habe Semmelhaack unrenoviert gekauft und bis zum Weiterverkauf nicht saniert, zwei nur teilweise. Semmelhaack ließ dem Magazin mitteilen, er habe damals „nur einige wenige Objekte für 5,3 Millionen Euro weiterverkauft“. Jauch sagt, er habe sich im August 2009 darüber gewundert, dass er sich bei keinem der von Semmelhaack angebotenen Objekte daran erinnern konnte, dass es von der Stadt jemals zum Verkauf ausgeschrieben worden war. Dabei habe er den Potsdamer Markt zur Jahrtausendwende intensiv beobachtet.

Die Gewoba hatte die rund 100 städtische Immobilien im Jahr 2000 in zwei Paketen verkauft und dabei EU-Regeln für transparente Bieterverfahren missachtet. Das erste Grundstückspaket bot sie sechs selbst ausgewählten Unternehmen an, das zweite schrieb sie mit einer einzigen Anzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus. Das sei „ganz offenkundig im Einvernehmen zwischen allen dazu befugten Entscheidungsträgern des Unternehmens und seiner Organe“ erfolgt, erklärte die Gewoba-Mutter, der kommunale Konzern Pro Potsdam. Eine Ausschreibungspflicht für städtische Gesellschaften existiere im Übrigen nicht.

Unklar bleibt, ob Platzeck und Jakobs im Detail von den dubiosen Verkaufsmodalitäten wussten. Der Ministerpräsident hat sich bisher in der Immobilien-Affäre nur zu vom „Stern“ aufgeführten Sponsoring Semmelhaacks für damals von SPD-Ministern geführte Potsdamer Sportvereine SV Babelsberg 03 und VfL Potsdam geäußert. Er versicherte dazu, dass er „niemals für eine Amtshandlung eine Gegenleistung erwartet oder erhalten“ habe. Die städtischen Rechnungsprüfer konnten den Verkauf durch die Gewoba mangels Befugnis nicht kontrollieren; das Stadtparlament beschloss zwar das „Gewoba-Modell“, war aber nicht über das Geschäfsgebaren informiert. Stadtverordnete waren im Aufsichtsrat unter Aufsichtsratschef Jakobs vertreten.

Wie viele städtische Immobilien zu welchen Preisen bisher insgesamt an Semmelhaack veräußert wurden, dazu verweigert die Pro Potsdam mit Verweis auf die Rechte Dritter jede Auskunft. Semmelhaack ist der wohl größte private Immobilienanbieter in Potsdam; das Unternehmen errichtete unter anderem in Eiche und im Zentrum neue Quartiere mit mehreren Tausend Wohnungen. Die architektonische Qualität der Bauten steht dabei immer wieder in der Kritik.

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