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Diagnostik und Aufklärung. Mona Dreesmann, Leiterin der Neuro- und Sozialpädiatrie, und Thomas Erler, Ärztlicher Direktor des Klinikums Westbrandenburg, eröffneten das Epilepsiezentrum am 19. Februar 2020.

© Sebastian Rost

Im Schnitt zwei neue Patienten wöchentlich: Epilepsiezentrum in Potsdam eröffnet

In Potsdam werden 300 betroffene Kinder und Jugendliche behandelt. Angst vor Anfällen begleitet viele Eltern, die Kinder bekommen die Anfälle oft gar nicht mit.

Von Birte Förster

Potsdam - Der erste epileptische Anfall eines Kindes ist vor allem für die Eltern ein Schock. Bei vielen von ihnen dominiert zunächst die Angst. „Es ist die totale Unplanbarkeit“, sagt Ärztin Mona Dreesmann. Schließlich könne ein Anfall jederzeit auftreten. Am Epilepsiezentrum in Potsdam kann Betroffenen nun noch besser geholfen werden.

Aufbau dauerte zehn Jahre

Am Mittwoch ist das Zentrum in der Behlertstraße 45a offiziell eröffnet worden. Im Juli vergangenen Jahres war das Sozialpädiatrische Zentrum des Klinikums „Ernst von Bergmann“ von der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie als Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche zertifiziert worden. Über zehn Jahre sei das Zentrum aufgebaut worden, indem das medizinische Fachpersonal entsprechend geschult wurde, sagt Dreesmann, Leiterin der Neuro- und Sozialpädiatrie. Voraussetzung für die Zertifizierung seien außerdem verschiedene medizinische Instrumente: EEG-Geräte (Elektroenzephalografie) sowie Langzeit-EEGs, um Hirnstromkurven abzuleiten, sowie ein MRT-Gerät (Magnetresonanztomographie). Nach und nach sei das Zentrum, das sich bis zur Zertifizierung Epilepsie-Ambulanz nannte, ausgestattet worden. „Wir können die Patienten deutlich besser behandeln als noch vor ein paar Jahren“, sagt Dreesmann.

Im Schnitt zwei neue Patienten täglich

Neben dem Potsdamer Zentrum gibt es noch zwei Epilepsiezentren in Berlin sowie eines in Neuruppin. Über 300 Epilepsiepatienten im Alter bis zu 18 Jahren betreut das Potsdamer Zentrum. Dazu zählen neben Potsdamern auch Patienten aus dem Umland. Jede Woche kämen im Schnitt zwei neue Patienten dazu, sagt die Ärztin. Die meisten von ihnen werden in der Tagesklinik ambulant behandelt. Außerdem gebe es vier bis sechs stationäre Plätze, je nach Bedarf aber auch mehr. Meist würden betroffene Kinder und Jugendliche nach dem ersten Anfall stationär aufgenommen, so Dreesmann.

Unterschiedliche Ursachen

Ursache, Häufigkeit der Anfälle und die Behandlungsmöglichkeiten sind laut Dreesmann ganz unterschiedlich. Bei kleinen Kindern könne es sich auch um einen einmaligen Fieberkrampf handeln. Erst bei zwei Anfällen spricht man von Epilepsie. Bei manchen Kindern verschwinden die Anfälle mit der Pubertät. Bei schwereren Formen könne die Epilepsie auch mit einer Veränderung im Erbgut zusammenhängen, erklärt die Ärztin. Genauso könne eine vorbestehende neurologische Erkrankung ausschlaggebend sein. „Die Klassifikation ist für uns ganz wichtig.“ So unterschiedlich wie die Ursachen sind auch die Behandlungsmöglichkeiten: Diese reichen von bestimmten Diäten bis zu medikamentösen Therapien. Auch chirurgische Eingriffe am Gehirn seien in bestimmten Fällen möglich. Diese könnten im Potsdamer Zentrum aber nicht durchgeführt werden. 60 bis 70 Prozent der Patienten lassen sich Dreesmann zufolge gut behandeln. In selteneren Fällen treten die Anfälle so häufig auf, dass sie Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben können.

Vor Ort begleiten auch besonders geschulte Psychologen und Sozialpädagogen die Familien. Dazu kommen Angebote wie Selbsthilfegruppen für Eltern von Epilepsiekranken Kindern. Neben der Familie ist aber auch die Aufklärung des ganzen Umfeldes entscheidend. Schließlich sei die Epilepsie „eine sehr stigmatisierende Erkrankung“. So gehen Mitarbeiter an Schulen und Kitas, um über Epilepsie und über Notfallmedikamente zu informieren. Außerdem werden verschiedene Schulungen angeboten. „Sie versuchen, Ängste abzubauen“, sagt Dreesmann. Die Kinder selbst würden oft nichts von den Anfällen mitbekommen, weil sie häufig bewusstlos werden, sagt Dreesmann. Die Angst vor dem nächsten Anfall dürfe bei den Eltern daher nicht zu sehr im Vordergrund stehen. „Es ist wichtig, dass sie lernen mit der Erkrankung zu leben und die Kinder normal aufwachsen lassen.“

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