zum Hauptinhalt
Sehnsucht nach Meer. Benno Pludra starb am 27. August 88-jährig.

© dpa/Archiv

Landeshauptstadt: Im Herzen immer noch Schiffsjunge

Der beliebte Kinderbuchautor Benno Pludra ist auf dem Neuen Friedhof beigesetzt worden

Die Musik versprühte wehmütige Seemannsromantik. In einige Trauerkränze war leuchtend orangefarbener Sanddorn eingeflochten. Und die Urne zierte ein Foto vom Sonnenuntergang am Strand der Ostseeinsel Hiddensee, die Benno Pludra so liebte. Am gestrigen Montag wurde der Kinderbuchautor, der seit 1970 mit seiner Familie in Potsdam-Nedlitz lebte und am 27. August im Alter von 88 Jahren gestorben war, auf dem Neuen Friedhof beigesetzt.

Rund 50 Gäste waren zur Trauerfeier in der Großen Trauerhalle gekommen, nicht nur die Familie – Pludra hat zwei Söhne und drei Enkelkinder –, sondern auch Freunde und Weggefährten, etwa die Schriftstellerin und Texterin Monika Erhardt-Lakomy, der Schriftsteller Peter Abraham, die Drehbuchautorin Christa Kozik, Klaus Höpcke, früher als stellvertretender DDR-Kulturminister für Buchverlage zuständig, und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Aber auch Pludras „geistige Kinder“ waren mit dabei beim Abschied: Rund um das Porträt des Verstorbenen waren die Bücher drapiert, mit denen er sich unsterblich gemacht hat – „Lütt Matten und die weiße Muschel“, „Bootsmann auf der Scholle“ oder „Die Reise nach Sundevit“.

„Er sah nicht so widerspenstig aus, der Benno, aber in all seinen Büchern findet sich der leise, konsequente Protest, wenn da etwas hingenommen werden sollte“, erinnerte sich Monika Erhardt-Lakomy in einer persönlichen Rede an ihren Mentoren und Freund. Sie würdigte dessen Einfühlungsvermögen in das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen den kindlichen oder jugendlichen Hauptfiguren und der Welt der Erwachsenen. „Die Probleme der Gesellschaft machen um Kinder keinen Bogen – damals nicht und heute nicht.“

Das zeigt sich auch beim Blick auf Pludras Jugend. Geboren 1925 als Sohn eines Metallgußformers in Mückenberg, dem heutigen Lauchhammer-West im Landkreis Oberspreewald-Lausitz, ging Benno Pludra 1942 zur Handelsmarine und absolvierte eine Matrosenausbildung als Schiffsjunge auf dem Segelschulschiff Padua. 19 Jahre alt war er, „da kam das Grauen über ihn“, wie Monika Erhardt-Lakomy berichtete. Das Schiff wurde von einem Torpedo getroffen, Pludra konnte sich mit dem Schiffshund durch einen glücklichen Zufall retten. „Er bekam schneeweiße Haare danach.“ Von der Zeit auf dem Viermaster, der heute unter russischer Flagge und dem Namen Kruzenshtern vom Heimathafen Kaliningrad aus noch im Einsatz ist, habe Pludra in seinen letzten Lebensmonaten immer wieder erzählt. Ein Modell des Schiffs hatte er in seinem Zimmer in der Seniorenresidenz, in die er nach dem Tod der Ehefrau Traudel vor vier Jahren gezogen war. „Du warst immer noch der Schiffsjunge“, sagte Monika Erhardt-Lakomy.

Die See hat Pludra nicht losgelassen, als er nach Kriegsende 1945 zunächst im sächsischen Riesa als sogenannter Neulehrer Kinder unterrichtete, dann selbst das Abitur nachholte und in Halle/Saale und Berlin Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte studierte. Seit 1952, ein Jahr nach der Hochzeit mit Gertraude, war er freiberuflicher Schriftsteller – und konnte gut davon leben. Das Meer war für ihn und seine Bücher Quelle der Inspiration, wie es die befreundete Hamburger Schriftstellerin Marie-Thérèse Schins in ihrem Nachruf ausdrückte. Ein Segelboot hatte er in Stralsund und ein Haus auf Hiddensee, Familiendomizil für die Sommermonate und Rückzugsort zum Schreiben zugleich.

Mehr als 40 Bücher hat Pludra geschrieben, viele wurden verfilmt, viele übersetzt. „Kinder brauchen Literatur, die gut und stark macht“, zitierte Trauerrednerin Heike von der Fecht ein Pludra-Motto. Seine Kinderbücher wurden gelesen, nicht nur in der DDR, sondern auch im Ausland. Für sein schriftstellerisches Werk hat der Potsdamer unzählige Preise bekommen, auch nach dem Mauerfall, der für Pludra ein Einschnitt war, ihn erschreckt hat, wie Erhardt-Lakomy und Schins berichteten. „Überlebensprobleme habe ich nicht, aber die Welt im Ganzen sieht nach wenig Hoffnung aus“, so ein Zitat aus einem Brief Pludras aus dem Jahr 1998. Ein Jahr später erschien sein letztes Buch: „Jakob heimatlos“.

Es war dieses Buch, das Oberbürgermeister Jann Jakobs im vergangenen Dezember auf dem Gabentisch zu seinem 60. Geburtstag fand, ein Geschenk des Schriftstellers, den er seit dessen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt im Jahr 2006 persönlich kannte. Die Geschichte um den elfjährigen Jakob, der von zu Hause wegläuft und auf den Straßen von Berlin Menschen kennenlernt, die am Rande der Gesellschaft leben, habe er gern gelesen, den Schriftsteller als sehr eigenwillig in Erinnerung, sagte Jakobs.

Als wortkarg und leise beschrieb Marie-Thérèse Schins den Verstorbenen: „Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte kamen dir nur sporadisch über die Lippen.“ Von seiner letzten Romanidee mit dem Titel „Der weiße Lincoln“ kamen noch 20 Seiten auf Papier, wie Trauerrednerin von der Fecht sagte. Pludra habe sich das Geschriebene vorlesen lassen und war zufrieden, wohl ahnend, dass er das Buch nicht mehr vollenden würde: „Ja, das hört sich doch gut an. Das hätte etwas werden können.“ Jana Haase

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false