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Landeshauptstadt: IHK erleidet Niederlage vor dem Arbeitsgericht

Kammer muss Ex-Vizegeschäftsführerin wieder einstellen. Fristlose Kündigung wurde unwirksam

Von Matthias Matern

Die neue Vize-Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) ist die alte – am Montag hat das Arbeitsgericht Potsdam die fristlose Kündigung von Gundula Stelzner abgeschmettert. Der ebenfalls in den Strudel der Affäre um den Ex-Präsidenten Victor Stimming geratenen, langjährigen IHK-Mitarbeiterin hatte die Kammerspitze wie berichtet mehrfache Beleidigung sowie eine Mitverantwortung für mehrere Vergehen vorgeworfen, die Stimming zur Last gelegt werden. Dem gestrigen Urteil zufolge muss die IHK Stelzner nun zu den alten Konditionen an ihrem alten Arbeitsplatz weiterbeschäftigen. Der heutige Dienstag ist der erste Arbeitstag nach ihrem Rauswurf Mitte März. „Frau Stelzner liebt die IHK, will unbedingt dort weiterarbeiten“, sagte ihr Anwalt Thomas Jürgens den PNN.

Zunächst hatte es so ausgesehen, als ob sich beide Seiten möglicherweise auf einen Vergleich einigen könnten. Beim letzten Verhandlungstag Anfang Juni hatte die Vorsitzende Richterin Nadja Schön wenig Zweifel daran gelassen, dass sie die Vorwürfe der Kammer gegen Stelzner für kaum ausreichend hält, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Nach Ansicht der IHK-Anwälte soll Stelzner wie berichtet die vielen Entscheidungen Stimmings zu seinen Gunsten, so etwa die Beschäftigung einer Sekretärin in seiner Firma auf IHK-Kosten oder hohe Entschädigungsleistungen, zumindest ungeprüft durchgewinkt haben. Insgesamt sieht die IHK einen Schaden von knapp 250 000 Euro in der Verantwortung der früheren Chefin der Abteilung Zentrale Dienste.

Auch an den wohl spektakulärsten Vorwurf, Stelzner habe eine Stasi-Akte eines Mitarbeiters aus einem geheimen Tresor der Kammer verschwinden lassen, hatte Schön für wenig plausibel gehalten. Wie berichtet hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die mit der Aufarbeitung der Stimming-Affäre von der Kammer beauftragt worden war, in der IHK-Chefetage einen angeblich geheimen Tresor entdeckt. Nachdem der Tresor zunächst unter Beisein Stelzners geöffnet worden war, fehlte wenig später beim erneuten Öffnen eine der Akten.

„Das Gericht ist noch mal jeden einzelnen Kündigungsgrund durchgegangen, kam aber schließlich zu dem Schluss, das reicht nicht. Auch die Schadensersatzforderung in Höhe von rund 250000 Euro sind zurückgewiesen worden“, sagte Stelzners Anwalt Jürgens.

Der Vergleich ist nach PNN-Informationen an 20 000 Euro gescheitert. Der entsprechende Vorschlag des Gerichts sah vor, dass die IHK Stelzner bis Ende des Jahres unter vollen Bezügen – und zudem rückwirkend ab März – weiterbeschäftigt, sie aber für diesen Zeitraum freistellt. Danach sollte die alte und neue Vizegeschäftsführerin mit 65 000 Euro abgefunden werden. Das war der Kammer zu viel. Außerdem verlangte die IHK eine Entschuldigung für vermeintliche Beleidigungen, die Stelzner über leitende IHK-Kollegen geäußert haben soll. „Frau Stelzner hat niemanden beleidigt, folglich muss sie sich auch nicht entschuldigen“, sagte Anwalt Jürgens am Montag.

Mit der Urteilsbegründung wird in rund vier Wochen gerechnet. Jürgens erwartet, dass die IHK in Berufung geht. Entsprechend hieß es am Montag von IHK-Sprecher Detlef Gottschling: „Das Urteil überrascht uns sehr. Wir werden genau prüfen, wie wir weiter verfahren und behalten uns weitere Schritte vor."

Unterdessen hat Anwalt Jürgens am Montag auch Zweifel daran geäußert, dass der neue Geschäftsführer der Kammer, Mario Tobias, tatsächlich seit Monatsanfang rechtskräftig im Amt ist. Zwar habe dieser einen Arbeitsvertrag, sei aber nie von der Vollversammlung der Kammer wirksam bestellt worden. Dem widersprach Gottschling. „Diese Auffassung können wir nicht teilen. Die Vollversammlung der IHK Potsdam hat Mario Tobias am 3. Juli 2014 mit Wirkung zum 1. September 2014 zum Hauptgeschäftsführer bestellt.“ Matthias Matern

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