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Stärken erkennen. Dieter Dudeck (l.) mit Lehrling Ricarda Volpers.

© Björn Stelley

Hotel am Großen Waisenhaus in Potsdam: Lehre mit Handicap

Das Hotel am Großen Waisenhaus in Potsdam kümmert sich zum Start in das Ausbildungsjahr um eine Gehörlose. Schon mehrmals fanden dort Menschen mit Behinderung eine Lehrstelle.

Potsdam - Ricarda Volpers hat eine Chance verdient. Die 17-Jährige hört zwar deutlich schlechter als andere Jugendliche, dennoch wird sie als Auszubildende im Hotel am Großen Waisenhaus in Potsdam künftig das Frühstück vorbereiten, den Kaffee servieren und beim Abräumen der Tische helfen. Volpers begann am gestrigen Montag ihre Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. „Wir wollen benachteiligten Jugendlichen helfen“, sagte der Geschäftsführer des Hotels, Dieter Dudeck, am gestrigen Mittwoch. Sein Haus richte sich mit seinem Ausbildungsangebot an junge Menschen, die wegen persönlicher Schwierigkeiten sonst wenig Chancen haben.

Dabei ist die Lehre in der Gastronomie kein Zuckerschlecken. So begann der Arbeitstag für Ricarda Volpers um 5.30 Uhr. Sie sei schon müde gewesen, räumte sie ein. Die junge Frau wohnt bei ihren Eltern in Golm und wurde von ihrer Mutter nach Potsdam gefahren. „Dann ging es aber, ich war sehr aufgeregt“, fügte sie hinzu.

Mehrere Lehrlinge mit Behinderung im Hotel am Großen Waisenhaus

Den Betrieb kennt sie schon etwas. Zwei Mal war sie für ein Wochenpraktikum in dem Hotel, das mit der Stiftung „Großes Waisenhaus zu Potsdam“ verbunden ist. Diese ist im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe aktiv.

In den vergangenen Jahren waren schon öfters Menschen mit Behinderung als Lehrlinge im Hotel. Dort erhalten sie eine Ausbildung, die auf deren besondere Voraussetzungen und Möglichkeiten eingeht, wie Dudeck betont. „Wir hatten eine lernbehinderte Frau“, sagte Dudeck. „Wenn ich jemanden mit einem Handicap bekomme, nehme ich den auch. Es melden sich aber zu wenige“, bedauerte er. Er hat auch schon eine junge Mutter aus Vietnam beschäftigt, die kaum Deutsch konnte.

Bereitschaft, etwas zu lernen

Und jetzt Ricarda. Anders als in einer regulären Ausbildung erhält die 17-Jährige mehr Urlaub und muss zweimal pro Woche in die Berufsschule ins Oberlinhaus. „Normal ist Blockunterricht“, sagte Dudeck den PNN. Der Kontakt zu der Nachwuchskraft entstand durch eine engagierte Lehrerin an der Wilhelm-von-Türk-Schule. Sie empfahl Ricarda für eine Ausbildung in der Gastronomie. „Wichtig ist uns die Motivation“, betonte Dudeck. Die Lehrlinge müssten die Bereitschaft mitbringen, „etwas zu lernen und etwas zu tun“. Das sei bei Ricarda auf jeden Fall gegeben. Auch werde sie von ihren Eltern unterstützt.

Die Hörprobleme wurden bei Ricarda bereits sehr früh festgestellt. Bereits im Kindergarten merkten die Eltern und Erzieher, dass etwas nicht stimmte. „Ich wurde gerufen und gerufen und habe nichts gehört“, sagt die Jugendliche. Wahrscheinlich hatte sie bereits von Geburt an einen Hörschaden. Jetzt muss die Jugendliche immer ein Hörgerät tragen. Die Hörleistung liegt nur noch bei rund 60 Prozent. Bedingt dadurch litt auch ihr Sprachgefühl. Es fällt ihr weiterhin schwer, sich auszudrücken. Sie habe logopädischen Unterricht erhalten, sagte Ricarda. Jetzt sei sie so weit und traue sich die Ausbildung zu.

Noch viele Lehrstellen sind unbesetzt

Das Ausbildungsjahr beginnt erst zum 1. Oktober. Einzelne Berufe starten aber bereits jetzt in die Lehre, wie die Sprecherin der Potsdamer Agentur für Arbeit, Isabel Wolling, den PNN sagte. Demnach sind auch in Potsdam noch viele Lehrstellen unbesetzt. So gibt es derzeit laut Wolling 284 freie Stellen in Potsdam. 222 Bewerber suchen noch. Landesweit sind es 5168 offene Lehrstellen in allen Berufen. Auch Süßwarentechnologen oder Veranstaltungskaufleute werden gesucht. Seit vergangenem Jahr bewarben sich 115 Jugendliche mit Behinderung in Brandenburg um eine Ausbildung. 49 davon suchen auch jetzt noch.

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Stefan Engelbrecht

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