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Horror-Überfall in Potsdam: „Angstbedingte Aggression“ soll zur Eskalation beigetragen haben

Im Prozess um den brutalen Überfall in einer Villa am Jungfernsee haben nun die Anwältin der betroffenen Familie und die Verteidiger eines der Angeklagten plädiert.

Potsdam - Im Prozess um den Überfall in der Bertinistraße hielt am Montag die Nebenklage, die Anwältin der betroffenen Familie T.*, ihr Plädoyer. Außerdem plädierten die beiden Verteidiger von John R., einem der zwei Hauptangeklagten. Er soll gemeinsam mit Jorge H. in der Nacht auf den 25. Juli 2017 in das Haus der Potsdamer Familie eingebrochen und äußerst brutal gegen das durch den Lärm aufgeweckte Ehepaar sowie deren minderjährige Tochter vorgegangen sein. R. und H. hatten im Haus eine hohe Summe angebliches Schwarzgeld vermutet – so hatte es Florian G., der dritte der insgesamt vier Angeklagten, von der Putzfrau der T.s gehört. G. soll die Familie mittels Videokamera ausgekundschaftet und den Kontakt zu den beiden nun Hauptangeklagten hergestellt haben. Während der Staatsanwalt für John R. und Jorge H. neun Jahre beziehungsweise neun Jahre und drei Monate Haft gefordert hatte, hatte er bei Florian G. auf drei Jahre Haft plädiert. Für den vierten Angeklagten Nico N. hatte er Freispruch gefordert.

Familie leidet noch unter den Folgen

Die Anwältin von Familie T. beleuchtete am Montag zunächst die Rolle von G. Während die beiden Hauptangeklagten sich „aufrichtig und anständig entschuldigt“ hätten, sei der 33-Jährige Mitangeklagte im Verfahren „ein bisschen zu sehr verschont worden“. Die Anwältin warf ihm einen schweren Vertrauensbruch vor. Er habe Informationen der Putzfrau, die für seine Eltern gedacht waren, „für sich gebraucht“. Der Berliner habe zudem „enorme kriminelle Energie“ bei der Planung der Tat aufgebracht.

Die Familie leide bis heute unter den seelischen Folgen der Tat, so die Anwältin: „Man fühlt sich nicht mehr sicher, hat ein Urvertrauen verloren.“ Die finanziellen Sorgen, die die Hauptangeklagten als Grund für ihre Beteiligung angegeben hatten, „können nicht rechtfertigen, was passiert ist“. Die Rechtsanwältin gab der Hoffnung der Familie Ausdruck, dass die Angeklagten zu Einsicht und Empathie gelangen. Die Familie wünsche sich, „dass so etwas nie wieder anderen passieren soll“.

Alkohol und Drogen

Die Verteidigung von John R. verwies auf den hohen Alkoholkonsum, verbunden mit Cannabis, vor der Tat sowie fehlende kriminelle Vorerfahrungen ihres Mandanten. Auch sein sofortiges umfangreiches Geständnis müsse ihm strafmindernd angerechnet werden, so der Verteidiger. Zu den vom Staatsanwalt geforderten neun Jahren Haft sagte er: „Das scheint mir deutlich zu hoch.“ Die Verteidigerin erklärte R.’s scheinbar unkontrollierten Gewaltausbruch als „angstbedingte Aggression“. R. sei erst am Tatabend in die Pläne eingeweiht worden. Es sei „nicht zweifelsfrei geklärt“, ob er überhaupt mitbekommen habe, dass er im Haus mit Menschen rechnen musste. In der akuten Situation habe er dann „so reagiert, wie es nicht sein Wesen ist“. R. sei „kein böser Mensch, der lange weggesperrt werden muss“, so die Verteidigerin.

Das Verfahren hatte sich zuletzt wegen Erkrankungen verschiedener Beteiligter verzögert. Für die Plädoyers der weiteren Angeklagten sind nun noch zwei weitere Termine angesetzt. Das Urteil fällt voraussichtlich am 26. April.

*Name von der Redaktion geändert

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