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Höchste Niederschlagsmenge seit Wetteraufzeichnung: Sintflut-Regen: Potsdam unter Wasser

Mehr Regen kam seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1893 nie vom Himmel in Potsdam. Straßen und Keller wurden überflutet. Die Feuerwehr war im Dauereinsatz. Die Wassermassen haben auch Folgen für das Stadtwerkefest.

Potsdam - Starke Regenfälle sorgten am Donnerstag in mehreren Teilen Potsdams für Verkehrschaos und Ausfälle im öffentlichen Nahverkehr. Die Feuerwehr musste mehrmals zu Wohnungen und Kellern ausrücken, die zu überfluten drohten.

Am Mittag hatte es zunächst begonnen, stark zu regnen und zu gewittern. Um 15 Uhr gab es eine amtliche Unwetterwarnung vor „extrem ergiebigem Dauerregen“ des Deutschen Wetterdienstes (DWD). In der Zeit von 13 Uhr am Donnerstag und Freitag um 0.30 Uhr waren in Potsdam infolge der sintflutartigen Regenfälle Rekord-Niederschlagsmengen zu verzeichnen. In der Zeiten sind 112,5 Liter pro Quadratmeter gemessen worden. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1893. Die bisher höchste Tagesmenge von Niederschlägen ist in Potsdam am 8. August 1978 mit 105,7 Litern pro Quadratmeter gemessen worden. Damit ist am Donnerstag und in der Nacht zu Freitag in Potsdam mehr Regen gefallen als sonst in einem Monat. Bislang kam in dieser Zeit ein Sechstel der sonst üblichen Jahresmenge herunter. Im Durchschnitt sind es 600 Liter pro Quadratmeter im Jahr in Potsdam

Überall Stau im Potsdamer Stadtgebiet

Hatte es bei dem Gewitter keine nennenswerten Vorkommnisse gegeben, so sorgte der Starkregen schnell für überflutete Straßen. Unter anderem standen Horstweg, Zeppelinstraße, Gutenbergstraße, Nansenstraße, Schopenhauerstraße und Lennéstraße unter Wasser. Autos fuhren bei Schritttempo. Der Verkehr staute sich in der Potsdamer Straße stadteinwärts sowie in der Zeppelinstraße, der Behlertstraße und der Breiten Straße. Auf der Nutheschnellstraße ging es bis zum Stern-Center am Nachmittag zeitweise überhaupt nicht mehr voran. Auch auf der Langen Brücke gab es Stau. In vielen anderen Straßen floß der Verkehr nur zähflüssig.

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Am Schlaatz und in Babelsberg standen nicht nur Straßen, sondern ganze Bürgersteige unter Wasser. Zum Studentenwohnheim „How8“, das ebenfalls im Horstweg liegt, musste die Feuerwehr ausrücken: Das Wasser lief ins Haus. Einen ähnlichen Vorfall gab es in der Saarmunder Straße, hier lief Wasser durch die Wände in ein Wohnhaus. Auch in der Wilhelmgalerie in der Innenstadt und im Fx-Center in Babelsberg lief das Wasser in die Gebäude. Der Stadtkanal überflutete ebenfalls. „Bald kann man wieder im Kanal baden“, schrieb dazu sarkastisch ein Facebook-Nutzer, der in einer Gruppe ein Video hochlud – das Wasser lief wie ein Wasserfall direkt von der Yorckstraße in den Kanal. Auf der Zeppelinstraße war ein Mann stehend auf einem Surfbrett unterwegs. Dieses Foto postete eine Potsdamerin bei Twitter.

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Feuerwehr musste immer wieder ausrücken

Bei den überflutenden Straßen konnte die Potsdamer Feuerwehr am Nachmittag zunächst nicht eingreifen. „Was wir rauspumpen, läuft sofort wieder rein“, erklärte Nicole Naake von der Feuerwehrleitstelle in Potsdam den PNN. Bereits am frühen Nachmittag mussten Kräfte nach Groß Glienicke ausrücken – dort drohte ein Regenwasserrückhaltebecken überzulaufen. Mit einer Pumpe sei das Wasser der Kanalisation zugeführt worden. Solche Becken sind eigentlich dazu da, größere Mengen Wasser – wie bei Starkregen – zu speichern.

Die Sirenen der Feuerwehr heulten fast ununterbrochen. 46 Einsätze zählte die Leitstelle der Feuerwehr bis Mitternacht – vorrangig ging es um Wohnungen beziehungsweise Keller, in denen das Wasser einlief. Zudem waren zwei Bäume umgeknickt und auf die Straße gefallen. Zwei Straßen, die Große Weinmeisterstraße und der Heidereiterweg, mussten wegen Überschwemmung sogar zeitweilig gesperrt werden. 

Klassik-Konzert bei Stadtwerkefest ohne Sitzplätze, Tram-Verkehr teilweise unterbrochen

Auch auf das Klassik-Konzert, das am Freitagabend den Auftakt zum Stadtwerkefest bildet, hat der anhaltende Regen Auswirkungen. Wie Stefan Klotz, Sprecher der Stadtwerke mitteilte, können auf der Rasenfläche im Lustgarten nicht wie geplant 6500 Stühle aufgestellt werden. Dafür haben die Wassermassen den Boden zu stark aufgeweicht. Am Freitagnachmittag gaben die Stadtwerke grünes Licht: Das Konzert wird stattfinden. Kurz darauf brachten Lastwagen Kunststoffplatten auf das Gelände, die auf dem aufgeweichten Boden vor der Bühne ausgelegt wurden. In einer Mitteilung empfehlen die Stadtwerke den Zuhörern des Konzerts festes Schuhwerk mitzubringen. Nach jetzigem Stand allerdings soll die musikalische Darbietung auf 70 bis 90 Minuten verkürzt werden. Nach gegenwärtigen Planungen seien die Veranstaltung mit Rock und Pop am Sonnabend und das Familienfest am Sonntag nicht vom wetterbedingten Ausfall betroffen.

Aufgrund des Niederschlags war auch der Straßenbahnverkehr teilweise beeinträchtigt. So war die Linie zwischen Platz der Einheit und Pirschheide ab etwa 15 Uhr unterbrochen, ein Ersatzverkehr wurde eingerichtet. Wie Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz den PNN mitteilte, war eine Überschwemmung in der Zeppelinstraße in Höhe der Kreuzung zur Straße Auf dem Kiewitt die Ursache. Die Linien 91, 94 und 98 verkehrten gut eineinhalb Stunden nicht. Später fuhren sie wieder, wenn auch teilweise mit Verspätungen. 

Das Problem der Straßenüberschwemmungen ist nicht neu. Schon oft kam es beispielsweise in der Zeppelinstraße in Höhe der Einfahrt zur Geschwister-Scholl-Straße zu Überflutungen – das dortige Kanalnetz verfügt nicht über ausreichend Speicherkapazitäten. Erste Umbaumaßnahmen sollten laut EWP bereits im ersten Quartal 2014 erfolgen und im kommenden Jahr realisiert sein. Laut Klotz erfolgte auch eine Sanierung des Regenrückhaltebeckens. Scheinbar konnte das Becken dem Starkregen dennoch nicht standhalten.

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Die starken Regenfälle haben auch Auswirkungen auf das für heute Abend geplante Klassikkonzert des Stadtwerkefestes im Lustgarten. Wegen des aufgeweichten Bodens könnten womöglich die 6500 Stühle nicht aufgestellt werden, sagte Klotz. Die Besucher müssten das Konzert dann „ganz oder teilweise im Stehen verfolgen“. Die Entscheidung soll heute Vormittag fallen. 

Zwischen 13 und 17 Uhr fielen rund 60 Liter Niederschlag in Potsdam, bis 19.30 Uhr waren es sogar bis zu 72,7 Liter. Für Abend und Nacht war weiterer Regen angekündigt. Schon jetzt war es das regenreichste Unwetter, das seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in einem Juni in Potsdam gemessen wurde. Ein ähnlicher Wert wurde nur im Juni im Jahre 1940 mit 69,2 Litern pro Quadratmeter gemessen. Das Gewitter ist das fünftregenreichste in Potsdam seit mehr als 100 Jahren.

Auch Potsdam-Mittelmark stark betroffen

Stark betroffen von dem Unwetter war auch der Landkreis Potsdam-Mittelmark. Straßen wurden überflutet, Keller liefen voll. Wie Ines Kohlack von der zuständigen Leistelle in Brandenburg den PNN mitteilte, konzentrierten sich die Einsätze in Teltow, Werder, Beelitz und Stahnsdorf. Mehrmals rückten die Wehren aus, um Wasser zu pumpen und Keller und Wohnungen vor Überflutungen zu bewahren. „Für Auskünfte haben wir jetzt keine Zeit!“, beschrieb der Einsatzleiter der zuständigen Regionalleitstelle Brandenburg die angespannte Situation. 

Besonders heftig traf es den Süden, dort gab es Hunderte Einsätze, wie die Regionalleitstelle Lausitz mitteilte. Die Feuerwehr musste vollgelaufene Keller und Tiefgaragen auspumpen. Betroffen war vor allem die Region in und um Königs Wusterhausen südöstlich von Berlin, aber auch weiter im Süden waren Vetschau, Lübbenau, Calau, Spremberg, Burg und Drebkau betroffen.

Auch im Norden Brandenburgs, wie zum Beispiel in Oranienburg, machte sich der Regen bemerkbar. Autofahrer mussten sich mit ihren Wagen durch völlig überflutete Straßen kämpfen. Am späten Abend war dann auch die Prignitz betroffen, wo es zu einem ersten Einsatz der Feuerwehr kam. Hier gab das Landesumweltamt obendrein eine Hochwasserwarnung für das Einzugsgebiet der Stepenitz heraus.

Für die Regionalleitstelle Lausitz war ein Schwerpunkt der berlinnahe Raum. So standen auf Koppeln in beziehungsweise bei Schönefeld und Königs Wusterhausen vereinzelt Pferde bis zum Bauch im Wasser, wie ein Sprecher am Abend berichtete. In Wildau war überdies die Zufahrtsstraße zum A10-Center überschwemmt, so dass sie für den Verkehr voll gesperrt wurde. Der Sprecher ging davon aus, dass die Einsätze der Hilfskräfte noch die ganze Nacht dauern würden.

Berliner Stadtautobahn A100 zeitweise gesperrt

In Berlin war wegen der heftigen Regenfälle der Ausnahmezustand ausgerufen worden. Die Feuerwehr rückte bis zum Abend (21.30 Uhr) zu mehr als 2200 Einsätzen aus, von denen 1034 witterungsbedingt waren. Über vier Stunden stauten sich nach Angaben eines Sprechers durchschnittlich etwa 50 Notrufe in der Leitung, so dass Anrufer bis zu elf Minuten ausharren mussten. Das toppt sogar die in der Regel auch nicht gerade ruhige Silvesternacht.

Eine der meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands, die A100, war wegen einer Überschwemmung nahe dem Dreieck Funkturm in Richtung Süden vorübergehend gesperrt. Sie gehört an dieser Stelle mit mehr als 160 000 Fahrzeugen pro Tag zu den fünf Autobahnen im Bundesgebiet mit dem stärksten Verkehr. Auf dem Flughafen Tegel wurden Flüge gestrichen, Maschinen wurden auch umgeleitet und U-Bahnhöfe liefen voll Wasser.

Ein Sprecher von Air Berlin teilte zunächst mit, Maschinen könnten nur eingeschränkt starten oder landen, es gebe Verspätungen. Die Fluggesellschaft appellierte an die Berliner Luftfahrtbehörde, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen: Flugzeuge müssten auch nach 23.00 Uhr abheben können. Es solle vermieden werden, dass Passagiere wie in der Vorwoche festsitzen, als ein schweres Unwetter niedergegangen war und rund ein Dutzend Flüge gestrichen wurden.

Am späten Abend teilte die Flughafengesellschaft dann mit, dass es beim Nachtflugverbot eine Ausnahmegenehmigung gebe, womit viele Fluggäste trotz der Wetterunbilden weiterreisen könnten.

Feuerwehrchef warnt: „Bleibt zu Hause, liebe Bürger“

Feuerwehr-Chef Wilfried Gräfling sagte in der rbb-„Abendschau“, die Einsatzkräfte stellten sich darauf ein, die ganze Nacht durchzuarbeiten. Er appellierte an die Einwohner: „Bleibt zu Hause, liebe Bürger“. Um 12.26 Uhr war der Ausnahmezustand ausgerufen worden. Gräfling sprach von „einer ganz schwierigen Situation“.

Teilweise fließe das abgepumpte Wasser wieder zurück. Auch Gullydeckel würden hochgedrückt. Die Pumpen schafften die Mengen nicht, sagte ein Sprecher. Auch das Technische Hilfswerk unterstützte die Berliner Feuerwehrleute.

Im Stadtteil Charlottenburg wurde ein Haus so heftig unterspült, dass es evakuiert werden musste. Ein Statiker sei an der Ecke Bismarckstraße/Suarezstraße und prüfe eine mögliche Einsturzgefahr, hieß es bei der Feuerwehr, die auch noch kurz vor Mitternacht vor Ort war.

Auf zahlreichen Straßen stand das Wasser knöchelhoch, die Berliner Innenstadt war teilweise lahmgelegt. Busse fuhren nur mit großer Verspätung. In Durchsagen bei der U-Bahn hieß es, dass die Züge zum Teil in Bahnhöfen nicht halten, sondern wegen überfluteter Eingänge durchfahren würden. (mit dpa)

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