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Der Eingang zum Gelände der Observatorien auf dem Potsdamer Telegrafenberg, dem heutigen Wissenschaftspark.

© N.N./ Sammlung des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin

Historischer Potsdam-Kalender 2022: Neuer Blick auf Altbekanntes

Der Potsdamer Peter Rogge ist für seinen elften Potsdam-Kalender im Architekturmuseum Berlin fündig geworden. Die Fotos dienten einst als Anschauungsmaterial für Studierende.

Potsdam - Der Helmertturm steht frei auf dem Telegrafenberg, die Bäume längst nicht so hoch gewachsen wie heute, die geriffelte helle Blechfassade makellos in der Sonne, die Rabatten davor tipptopp gepflegt, die Tür steht offen, im Innern ist wohl gerade der eine oder andere Geodät zugange: Das Observatoriumsgebäude, das mittlerweile seit vielen Jahren im Wissenschaftspark vor sich hin rostet und rottet, ist auf dem Foto kaum wiederzuerkennen. Es war einst der Nullpunkt für die Vermessung des Landes Preußen. Zu sehen ist das Foto aus den 1890er Jahren auf dem Oktoberblatt des Potsdam-Kalenders von Peter Rogge für 2022.

Kaum wiederzuerkennen: Der heutige Helmertturm auf dem Telegrafenberg.
Kaum wiederzuerkennen: Der heutige Helmertturm auf dem Telegrafenberg.

© N.N./ Sammlung des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin

Der Grafik-Designer hat mit seinen Kalendern mit historischen Aufnahmen aus der Stadt eine eigene Tradition begründet. Der nun in einer Auflage von 950 Stück vorgelegte und im Potsdamer Buchhandel erhältliche Kalender ist der elfte. Anders als in anderen Jahren gibt es keinen thematischen Schwerpunkt - der Untertitel lautet schlicht „fotografische Kostbarkeiten“.

Foto statt Aquarell: Damals topmodernes Anschauungsmaterial für die Architektenausbildung

Das verbindende Element ist diesmal die Sammlung, aus der die Fotos stammen: Gefunden hat Rogge die bislang in Potsdam kaum bekannten Aufnahmen beim Architekturmuseum Berlin. Die Recherche war – coronakonform – über das Internet möglich, erzählt der 59-Jährige den PNN.

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Wieso das Berliner Architekturmuseum Potsdam-Fotos hat? Die Einrichtung wurde 1885/86 an der Technischen Hochschule Berlin gegründet, erklärt Rogge. Sie versammelte seinerzeit verschiedene Materialien und Dokumente für die Architektenausbildung. Neben Bauplänen und Aquarellen von Baumeistern wie Schinkel gehörten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch Fotografien dazu: „Sie wurden das Mittel per excellence, um Studierenden Bauten zu zeigen, einen Eindruck zu vermitteln.“

Das Hauptgebäude des metereologischen Observatoriums auf dem Telegrafenberg wird heute vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung genutzt.
Das Hauptgebäude des metereologischen Observatoriums auf dem Telegrafenberg wird heute vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung genutzt.

© N.N./ Sammlung des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin

Die Anfang der 1880er Jahre fertiggestellten Wissenschaftsbauten auf dem Telegrafenberg – der später nach dem Potsdamer Geodäten Friedrich Robert Helmert benannte Turm gehörte dazu – waren beispielhafte Neubauten. Im Kalender ist der Wissenschaftspark gleich dreifach vertreten: Auch der Eingangsbereich mit Tor und Pförtnerhaus sowie das Hauptgebäude des Meteorologischen Gebäudes – das heute vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung genutzte Süring-Haus – sind zu bestaunen.

Noch vor den Weltkriegen wurden Potsdams Bauwerke "durchfotografiert"

Auch einige Aufnahmen der sogenannten Königlich Preußischen Meßbildanstalt hat Rogge in der Sammlung des Architekturmuseums gefunden. Die Meßbildanstalt sei – noch vor beiden Weltkriegen und damit lange bevor die späteren Zerstörungen in der Innenstadt absehbar waren – damit beauftragt worden, „Potsdam durchzufotografieren“, sagt er. Die Aufnahmen entstanden mittels einer speziellen Technik, für die zum Beispiel der Abstand des Fotografierenden zu seinem Objekt entscheidend war – so konnten aus der Aufnahme später per Rückschluss Größenverhältnisse und Abstände genau bestimmt werden. Das ist zum Beispiel für den Denkmalschutz spannend, denn so kann noch heute rekonstruiert werden, wie Kubaturen aussahen oder wo Fenster und Skulpturen genau waren.

Der Ehrenhof von Sanssouci - aber reichlich bepflanzt.
Der Ehrenhof von Sanssouci - aber reichlich bepflanzt.

© Königlich-Preußische Meßbildanstalt/Sammlung des Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin

Das Messbildarchiv wird heute beim Brandenburgischen Landesdenkmalamt verwahrt, einige Aufnahmen aber auch im Architekturmuseum Berlin. „Wahrscheinlich sind sie dort gelandet, weil es um Bezüge zur Architekturgeschichte geht“, sagt Rogge. Im Kalender sind zum Beispiel das Stadtschloss mit der Havelkolonnade unweit der Langen Brücke, die Große Stadtschule in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße, der Blick über den Stadtkanal zur Garnisonkirche, das Berliner Tor und der Ehrenhof vom Schloss Sanssouci zu sehen.

"Man lernt seine Stadt anders kennen"

Dabei gibt es oft gerade bei berühmten und tausendfach fotografierten Orten Überraschungen: Der Ehrenhof von Sanssouci etwa ist auf dem Foto reichlich bepflanzt, weswegen man ihn im ersten Moment nicht wiedererkennt. Die Bepflanzung hatte König Friedrich Wilhelm IV. im 19. Jahrhundert vornehmen lassen, berichtet Peter Rogge. „Das ist für mich das Spannende, wenn ich in diesen Zeitschichten etwas Bekanntes ganz unbekannt sehe“, sagt der Grafikdesigner und Künstler: „Man lernt seine Stadt anders kennen.“

Die Villa Kayser am Griebnitzsee ist im Zuge des Mauerbaus verschwunden - heute befindet sich an ihrer Stelle ein Hotel.
Die Villa Kayser am Griebnitzsee ist im Zuge des Mauerbaus verschwunden - heute befindet sich an ihrer Stelle ein Hotel.

© Hermann Rückwardt/Sammlung des Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin

Und man sieht Ecken, die es so heute nicht mehr gibt: Neben den schon erwähnten Aufnahmen von der Garnisonkirche und dem Berliner Tor ist das im Kalender auch die Villa Kayser am Griebnitzsee, ein herrschaftliches Wohnhaus im Stil der Neorenaissance mit fünf Etagen, das im Zuge des Mauerbaus abgerissen wurde. Gebaut wurde es seinerzeit für den Architekten Hermann Kayser, dessen Entwürfe die Villenkolonie Neubabelsberg prägen. Heute steht an dieser Stelle unweit des Bahnhofs Griebnitzsee ein Hotel.

Rogge hat noch viele Ideen für historische Kalender: "Tiere in Potsdam" ist eine

Menschen spielen im Kalender – anders als in anderen Jahren – diesmal kaum eine Rolle. Den Fotografen ging es um die Architektur, womöglich waren sie deshalb zu Tageszeiten unterwegs, an denen die Stadt ohnehin still war, vermutet Peter Rogge. Nur bei genauem Hinschauen entdeckt man vereinzelt einen Zeitgenossen, der am Zaun lehnt und in Richtung Kamera blickt.

Der elfte Potsdam-Kalender wird nicht der letzte bleiben. Peter Rogge, der auch eine private Sammlung mit Potsdam-Fotografien pflegt, hat noch mehrere Ideen. Eine davon sind historische Fotos unter dem Motto „Tiere in Potsdam“, sagt er. In der Garnisonstadt habe es früher enorm viele Pferde und Hunde gegeben, die das Stadtbild prägten. „Darauf wäre ich neugierig.“

Den Kalender gibt es für 18,90 Euro im Potsdamer Buchhandel oder über die Webseite von Peter Rogge.

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