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Das "Thusnelda von Saldern Haus" in Babelsberg.

© Andreas Klaer

Hintergrund nach der Gewalttat: Was ist das Thusnelda-von-Saldern-Haus?

Im Thusnelda-von-Saldern-Haus wurden Mittwochnacht vier Menschen getötet. Worin besteht die Arbeit der Einrichtung des Oberlin-Hauses?

Potsdam - Das Thusnelda-von-Saldern-Haus ist ein Wohnverbund für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung und erworbenen Hirnschädigungen, die hier zeitweise oder dauerhaft ein neues Zuhause finden. 2010 wurde es auf dem Campus des Oberlinhauses an der Rudolf-Breitscheid-Straße erbaut. Das Haus hat 65 Plätze, rund 80 Angestellte arbeiten hier, unter anderem zur Assistenz und Pflege der Bewohner:innen. 

Laut Matthias Fichtmüller, dem theologischen Vorstand des Oberlinhauses, herrscht im Wohnverbund ein familiäres Miteinander: „Viele Bewohnerinnen und Bewohner haben natürlich eine Herkunftsfamilie, aber ihre Familie im Lebensvollzug sind die anderen Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus. Deshalb sind die aktuellen Ereignisse für uns eine innerfamiliäre Erschütterung.“ Derzeit werden den Bewohner:innen zahlreiche seelsorgerische Angebote gemacht. 

Drei Bereiche

Das Leistungsspektrum des Thusnelda-von-Saldern-Hauses gliedert sich in drei Bereiche: Der erste Wohnbereich gehört zur sogenannten Eingliederungshilfe, vor allem für Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen, aber auch mit geistigen Behinderungen. Die Menschen wohnen hier in der Regel dauerhaft und werden im Alltag unterstützt. 

In der Einrichtung werden Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung und erworbenen Hirnschädigungen betreut. 
In der Einrichtung werden Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung und erworbenen Hirnschädigungen betreut. 

© Andreas Klaer

Der zweite Bereich ist das Übergangswohnen: „Dieses Angebot ist deutschlandweit in seiner Form einzigartig“, sagt Tina Mäueler, Leiterin des Bereichs Wohnen im Oberlinhaus. Dabei handelt es sich um eine Art verlängerte Reha für Menschen, die nach einem Unfall körperliche und neurologische Beeinträchtigungen erworben haben. Dabei geht es vor allem um Schädel-Hirn-Trauma, cerebrale Hypoxie, Hirninfarkte oder Hirnblutungen, entzündlichen Erkrankungen des Gehirns oder andere neurologisch fortschreitende Erkrankungen. 

Im Anschluss an die normale Reha können die Betroffenen hier bis zu drei Jahre ihre Reha verlängern und werden medizinisch und sozial begleitet, bis sie wieder selbstständig wohnen können. „Das Konzept ist sehr erfolgreich, wir erhalten viel positives Feedback von unseren Bewohnerinnen und Bewohnern“, so Mäueler. 

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Unfälle oder Erkrankungen

Der dritte Bereich ist die Wohnpflege, deren Schwerpunkt auf jungen Erwachsenen liegt: „Dies richtet sich vor allem an Menschen, deren Behinderungen nicht angeboren sind, sondern die sie im Laufe ihres Lebens erworben haben“, sagt Mäueler. Ursachen dafür können vor allem Unfälle oder Erkrankungen sein. Die Betroffenen sind so von ihren Behinderungen beeinträchtigt, dass sie eigentlich in ein Pflegeheim umsiedeln müssten, obwohl viele von ihnen noch relativ jung seien. Für diese Gruppe fehle es an Angeboten. „Hier finden sie ein langfristiges Zuhause“, sagt Mäueler. Alle vier Getöteten gehörten dem Bereich Wohnpflege an. 

Aktive Teilhabe

Das Betreuungs- und Assistenzkonzept des Thusnelda-von-Saldern-Hauses sei laut Oberlinhaus auf die individuellen Beeinträchtigungen und Bedürfnisse seiner Bewohner:innen zugeschnitten. Dies umfasst pflegerische Maßnahmen, diese stünden aber nicht im Vordergrund der Unterstützung. Vielmehr geht es darum, den Bewohner:innen eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft zu ermöglichen. 

Benannt ist das Haus nach der Potsdamerin Thusnelda von Saldern, die 1837 als Kind einer alten Adelsfamilie in Potsdam geboren wurde. Laut Oberlinhaus war „ein stets offenes Haus und eine aufgeschlossene Haltung ihren Mitmenschen gegenüber“ kennzeichnend für die Familie Saldern. Thusnelda von Saldern kümmerte sich persönlich um Arme, Kranke und Gebrechliche im Breslauer Diakonissenmutterhaus „Bethanien“. 1879 wurde sie als erste Oberin in die Diakonissenanstalt „Oberlin“ nach Nowawes berufen.

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