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Mit Spielecke: In dem Beratungszelt der Stadt können sich Kinder der Flüchtlinge beschäftigen

© Andreas Klaer

Hilfe für ukrainische Flüchtlinge: Potsdam lässt Beratungszelt länger stehen

Die Solidarität für Geflüchtete aus der Ukraine reißt in Potsdam nicht ab. Auch das Rathaus hält Hilfsangebote aufrecht. Das Gastgewerbe bietet sich als Arbeitgeber an

Potsdam - Trotz des abnehmenden Zustroms von Flüchtlingen aus der von Russland angegriffenen Ukraine ist die Spenden- und Hilfsbereitschaft in Potsdam ungebrochen groß. „Wir sehen hier keinen Rückgang“, sagte die Chefin der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt (Awo), Angela Schweers, den PNN jetzt auf Anfrage. Die Awo koordiniert zu großen Teilen die ehrenamtliche Hilfe in der Stadt.

Schweers schilderte, viele Potsdamer würden die im Internet unter www.ukraine-hilfe.awo-potsdam.de verbreiteten Spendenaufrufe lesen und zielgerichtet bereitstellen, was gerade benötigt würde. 

Zuletzt hatte die Awo appelliert, derzeit würden für die Flüchtlinge insbesondere Fahrräder und Reparatur-Flickzeug, Töpfe, Geschirr und Haushaltsgeräte wie Wasserkocher benötigt, die an drei Spendensammelstellen der Hilfsorganisation im Stadtgebiet abgegeben werden können. Regelmäßig würden auch noch Sammelspenden von Vereinen oder Unternehmen eingehen – erst am vergangenen Freitag zum Beispiel von der Ikea-Filiale in der Brandenburger Straße. Weiterhin nötig seien auch Hygieneartikel aller Art, so die Awo-Chefin. Die Organisation selbst habe derzeit einen stabilen Stamm von mehr als 500 ehrenamtlichen Helfern, sei es zum Sortieren von Spenden oder als Dolmetscher.

Angela Scheers, die Potsdamer Awo-Chefin
Angela Scheers, die Potsdamer Awo-Chefin

© Andreas Klaer

Der Zustrom wird geringer

Wie berichtet waren vor allem nach Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar innerhalb weniger Wochen täglich zum Teil mehrere hundert Flüchtlinge nach Potsdam gekommen. Inzwischen ist der Zustrom – vermutlich auch angesichts des Rückzugs der russischen Truppen bei Kiew – abgeebbt. Das zeigen auch am Mittwoch von der Stadtverwaltung veröffentlichte Zahlen.

Demnach hätten inzwischen 2860 Ukrainer bei der Ausländerbehörde vorgesprochen. Anfang des Monats hatte die Stadt noch von 2775 Gesprächen berichtet – die Zahlen sind seither also nur geringfügig weiter gestiegen. Zugleich schließt sich die Lücke zwischen den Anträgen auf Asylhilfen und tatsächlichen Auszahlungen: Anfang des Monats gab es noch 1779 Anträge, wovon 1587 auch bearbeitet wurden. Jetzt liegt das Verhältnis bei 1820 Anträgen und 1720 Auszahlungen. Meier hatte auch erklärt, erste Ukrainer würden bereits zurück in ihre Heimat gehen.

Das Info- und Versorgungszelt für ukrainische Flüchtlinge auf dem Bassinplatz
Das Info- und Versorgungszelt für ukrainische Flüchtlinge auf dem Bassinplatz

© Andreas Klaer

Beratung im großen Zelt

Gleichwohl ist das Interesse an Hilfe in Potsdam noch groß. Daher hat das Rathaus die Betriebszeit für das Ende April eingerichtete Info- und Versorgungszelt auf dem Bassinplatz auf Mitte Juni verlängert. Täglich nutzten noch bis zu 200 Ukrainer das Angebot dort, erklärte Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD) am Donnerstag bei einem Pressetermin vor Ort. Unter anderem würden pro Tag bis zu 300 Lunchpakete mit belegten Brötchen und Äpfeln ausgegeben, ferner kann man vor Ort Wäsche waschen und Kleiderspenden abholen, die dort neuerdings in Kooperation mit der Arche Potsdam ausgegeben werden. Doch auch Beratungen werden vor Ort angeboten.

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Viel Informationsbedarf sei auch wegen angekündigter Gesetzesänderungen auf Bundesebene vorhanden, die in diesen Tagen den Bezug von Asyl- und Sozialleistungen neu regeln sollen, so Meier. Die Änderungen stellten im Übrigen die Sozialbehörden in Kommunen wie Potsdam, in denen überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufgenommen wurden, vor besondere Herausforderungen stelle, wie die Dezernentin deutlich machte. Auch Familien- und Jobberatung findet in dem von der Flüchtlingshilfe des Deutschen Roten Kreuzes betriebenen Zelt statt.

Gastronomie hat freie Stellen

Auf Bedarf an Mitarbeitern wies am Donnerstag die Landesgewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hin. Demnach zählte das Gastgewerbe in Potsdam im April 156 offene Stellen – mehr als doppelt so viele wie noch vor einem Jahr, so die NGG. Das könne für die Flüchtlinge eine Perspektive sein, sagte NGG–Regionalchef Sebastian Wiesner. „Und das ist auch eine Chance für die Gastronomen und Wirte, die faire Bedingungen bieten.“ Die Lage der Menschen dürfe nicht ausgenutzt werden, appellierte er. Wichtig sei auch ein einfacher Zugang zur Sprachkursen und die Anerkennung ukrainischer Bildungsabschlüsse. Vor Ort im Hilfezelt am Bassinplatz arbeitet bereits eine 19 Jahre alte Cybersicherheits-Studentin als Übersetzerin, die aus der Ostukraine nach Deutschland geflohen sei, wie es hieß.

Probleme mit gemeinnütziger Arbeit

Allerdings kann aktuell nicht jeder mit Arbeitswillen auch loslegen. So kritisierte Awo-Chefin Schweers, dass die Stadt derzeit für Flüchtlinge in Gemeinschaftseinrichtungen keine „Gemeinnützigen zusätzlichen Arbeiten (GzA)“ mehr anbiete, die mit 80 Cent pro Stunde vergütet werden. So hätten sich Flüchtlinge vieler Nationalitäten mit zum Beispiel einfachen Reinigungsarbeiten immer noch ein paar Euro extra verdienen können, erklärte sie. 

Bis Ende März hätten 33 Personen so gearbeitet, teilte eine Rathaussprecherin auf PNN-Nachfrage mit. Neue Bescheide habe der zuständige Fachbereich Soziales noch nicht wieder ausgestellt – wegen der Bearbeitung der Sozialleistungen für die ukrainischen Flüchtlinge, wie die Sprecherin bestätigte. Dies wolle man nach der Umsetzung der besagten Gesetzesänderungen aber unverzüglich wieder aufnehmen, versprach die Sprecherin.

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