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HEYES Woche: Post vom Finanzamt – Jawoll

Post vom Finanzamt! Das ist jedes Mal ein erwartungsvoller Moment.

Post vom Finanzamt! Das ist jedes Mal ein erwartungsvoller Moment. Nein, hier geht es nicht darum, dass das staatliche Inkasso-Unternehmen überfällige Steuern anmahnen könnte. Sollte das tatsächlich einmal der Fall sein, wäre ein Anruf beim Steuerberater der übliche Weg. Auch geht es nicht darum, dass ich mich mal wieder über die Steuerlast ärgern wollte. Ohne Steuern können weder Schulen, noch Polizei etc. finanziert werden, Straßen auch nicht. Nein, wenn ich Post vom Finanzamt kriege, bin ich immer gespannt auf dessen einfallsreiche Formulierungen. Stets finde ich neue, so noch nicht gelesene Bedrohungen oder in barschen Ton gefasste Wendungen, die den mutmaßlich säumigen Zahler zu schnellstmöglicher Zahlung antreiben sollen. Das kann nur das Finanzamt. Es hat mich noch nie enttäuscht.

Deshalb reiße ich jedes Mal hoffnungsvoll den Brief auf und erfreue mich immer wieder an einer Sprache, die den Empfänger offenkundig stramm stehen lassen soll. Dem Finanzamt Potsdam gelingt das in hinreißender Perfektion. Nun weiß ich, dass es nicht der Finanzminister des Landes ist, der seine robuste Fähigkeit, bürgernah zu kommunizieren, in solchen Briefen freien Lauf lässt. Nein, mein Verdacht ist ein anderer. Es muss in den Kellern des Potsdamer Finanzamtes Vorlagen geben, die direkt zurück gehen auf das Reich von Kaiser Wilhelm Zwo. Eine geradezu schnarrende Sprache, zugeschnitten auf den „Untertan“, den Heinrich Mann in seinem gleichnamigen Roman beschrieben hat: handfester Säbel, strikter Gehorsam, Hacken zusammenschlagen. Aus solchen Vorlagen scheinen mir die Formbriefe geschnitzt zu sein, die das Finanzamt seinen Kunden zusendet. Nur nichts verkommen lassen. Dieser neumodische Firlefanz, ein Finanzbeamter könnte so etwas wie ein freundlicher Dienstleister am Bürger sein, der dünstet glücklicherweise aus keiner Zeile in der Post vom Finanzamt. Dafür gelingt es, geradezu artistisch und in nur acht Zeilen unmittelbar die Assoziationskette Stillgestanden-Kasernenhof-Kerker hervor zu rufen. Wundervoll der jüngste Brief aus der Steinstraße: „Schuldbetrag“ sofort, sonst „Pfändung, Vollstreckung und Vollziehungsbeamter“. Es geht um „Eink- St.Säum.Z für das 1. Vj .2009“. Die Steuererklärung war zehn Minuten zu spät im Datenspeicher des Finanzamtes gelandet. Fristüberschreitung. Das kostet Strafe. – Nu aber dalli. Hochachtungsvoll.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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