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HEYES Woche: Papierflieger in Sicht

Herbstanfang. Zeit, einen Blick zurückzuwerfen.

Herbstanfang. Zeit, einen Blick zurückzuwerfen. Ich denke dabei an ein kleines Motorschiff am Ufer des Tiefen Sees, das dort in jedem Sommer ankert. Auch in diesem Jahr war es so. Ich freue mich immer schon darauf, die kleine Familie wiederzusehen, die offenbar ihre Ferien auf dem Kajütboot verbringt. Und jedes Mal vertäuen sie es für einige Zeit in Ufernähe, gleich neben dem so wunderbar altmodischen Freibad, das unterhalb des Flatowturms im Schlosspark Babelsberg seine bunten Strandkörbe verteilt. Neben dem Freibad gibt es die Badestelle, die ohne Eintritt jeden einlädt, den Tag mit einem Sprung in die Havel zu beginnen oder zu beenden. Wenn ich sommermorgens durch den Park jogge, hoffe ich auf das kleine Boot. Ich nehme dieses Bild dann mit in den Tag und schwimme hinaus, an dem Reiher vorbei, der grau und stoisch auf einem Polder hockt.

Seit die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten die Streitaxt begraben und sowohl Radfahrern als auch sonnenhungrigen Babelsbergern wieder ein bisschen Freizeitvergnügen genehmigt hat, mehrt sich die Zahl derer, die ihren Picknickmüll wieder mitnehmen. Längst noch nicht alle haben verstanden, das Weltkulturerbe, das Schloss, den Park und den See vor der Haustür auch als ihr eigenes zu hütendes Erbe zu betrachten. Meine Sommererinnerungen überfallen mich wieder, als ich las, dass der große Anschlag auf mein Idyll nicht stattfinden wird. Vor wenigen Monaten hieß es noch: Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion habe den Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals für Großmotorschiffe genehmigt. Für die breitere und tiefere Fahrrinne sollten 800 Bäume gefällt werden. Der Protest war groß. Zumal das zusätzliche Kanalwasser in den Potsdamer Havelseen fehlen und der durch größere Schiffe ausgelöste Wellengang zu Schäden an der Uferlandschaft führen würde. Das hätte ufernahe Gebäude des Weltkulturerbes gefährdet, etwa die Sacrower Heilandskirche oder das Maschinenhaus im Babelsberger Park. Der Bundesverkehrsminister zeigt Einsicht und will den Kanal jetzt nur noch vertiefen, nicht aber verbreitern. Es fehlen die Frachtschiffe, die ihn befahren sollen. Die für den Ausbau des Kanals veranschlagten 65 Millionen Euro können also gespart werden. Jetzt bitte den ganzen Plan zusammenfalten als Papierflieger für den nächsten Sommer.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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