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HEYES Woche: Ein Kreis schließt sich

Der Anruf ereilte mich an einem Vormittag. Es ging um eine Verabredung mit dem Team, das gerade dabei ist, die Lebensgeschichte meiner Mutter für eine zweiteilige ZDF-Produktion zu verfilmen.

Der Anruf ereilte mich an einem Vormittag. Es ging um eine Verabredung mit dem Team, das gerade dabei ist, die Lebensgeschichte meiner Mutter für eine zweiteilige ZDF-Produktion zu verfilmen. Einige Szenen werden auch in Babelsberg gedreht. Ich hatte ihr Leben in einem Buch beschrieben, dessen Titel wohl auch der Film tragen wird: „Vom Glück nur ein Schatten“. Für mich war das ein Versuch, am Lebensschicksal meiner Mutter die Schrecken deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert abzubilden. Sie sollte stellvertretend für die Frauengeneration stehen, die nach dem Ersten Weltkrieg aufwuchs, die Weimarer Republik als Kind noch erlebt und den Nationalsozialismus erlitten hatte und die nach dem Zweiten Weltkrieg das Leben weiter trug. Das waren Lebensläufe, die gefleddert von den Anforderungen einer politisch und menschlich vergifteten Ära, bei vielen zum tragischen Verzicht auf das eigene Glück führten.

So fuhr ich zur Filmkulisse „Berliner Straße“ in der Marlene-Dietrich-Allee in Babelsberg, um dort die Hauptdarstellerin Maria Furtwängler und den Regisseur Miguel Alexandre zu treffen. Ich lerne zwei warmherzige und kluge Menschen kennen. Und als ich wenig später im alten DDR-Rundfunkhaus in Berlin die ersten Szenen in einem Zusammenschnitt sah, war ich berührt von der Spielkunst von Maria Furtwängler.

Schon immer läuft in meinem Kopf ein Film ab, wenn ich mich der Filmstadt Babelsberg nähere. In meinem inneren Kino spielen dabei Künstler der Babelsberger Ufa-Zeit mit, von Heinrich George bis Heinz Rühmann, von Sonja Henny bis zur großen Diseuse der Nazi-Zeit Zarah Leander, die auch auf dem Lazarettschiff „Gustloff“ noch kurz vor Ende des Krieges mit ihrem Durchhaltesong unterhielt: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“.

Nicht viele haben sich damals mit Ruhm bekleckert, nicht viele hatten die Kraft, sich vor ihre jüdischen Kollegen zu stellen. Die jüdischen Künstler, die das lebend überstanden, gaben ihre Antwort in Hollywood. Die Leander, wie viele andere aus der Babelsberger Kulisse, wurde in Danzig von Ursula Heye, meiner Mutter betreut, die dort bis Ende 1944 für das Unterhaltungsprogramm für verwundete und erholungsbedürftige Frontsoldaten arbeitete. Und während ich mich dem Wagenpark nähere, der so ein Filmset begleitet, schließt sich ein Kreis. Vielleicht doch kein Zufall, dass ich in Babelsberg lebe.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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