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HEYES Woche: Die Idylle könnte trügen

Das idyllische Potsdam lädt dazu ein, das Leben ganz ok zu finden. Wunderbare Parks und Hügel und Seen drum herum: eine Idylle, gäbe es da nicht See-Anrainer, denen man gern das Grundgesetz unter den Arm klemmen möchte, mit Lesezeichen bei Artikel 14.

Das idyllische Potsdam lädt dazu ein, das Leben ganz ok zu finden. Wunderbare Parks und Hügel und Seen drum herum: eine Idylle, gäbe es da nicht See-Anrainer, denen man gern das Grundgesetz unter den Arm klemmen möchte, mit Lesezeichen bei Artikel 14. Die Frage, ob es wirklich Spaß macht, eingemauert den See-Blick zu genießen, von den weniger betuchten Mitbürgern trefflich getrennt, stellen wir nicht.

Ansonsten, wie gesagt, kann das Leben in Potsdam alles in allem in verlässlich ruhigen Bahnen verlaufen. Es sei denn, der Blick aus dem Potsdamer Sessel fällt auf die Schlagzeilen der Zeitungen, die Bilder der Fernsehnachrichten und auf die Berichte aus aller Welt. Ein Vulkan auf Island spuckt Staub und Asche und schon bricht der Luftverkehr zusammen. Es wurde nicht ganz klar, wer nun mehr gefährdet war: die Passagiere oder die Gewinnerwartung der Luftfahrtgesellschaften – und schon war man wieder in der Luft. Das Zauberwort hieß: Sichtflug. Davon unabhängig war es eigentlich ganz schön, mal für eine Weile die Luft anzuhalten und über die Frage nachzudenken, ob ein flugfreier Tag bei täglich 28 000 Flügen über Europa der Luft nicht auch ganz gut tun würde. Schließlich werden dabei eine Million Tonnen Kohlendioxid an einem normalen Tag ausgestoßen, wie „Atmosfair“ ausgerechnet hat. Der Wunsch bleibt müßig. Und kaum hatte man – Kondensstreifen wieder am Himmel – es sich erneut im Potsdamer Sessel bequem gemacht, da schoss die Ölfontäne aus der Tiefe des Golfs von Mexiko. Wo gestern das Bohrloch noch Gradmesser großartiger Ingenieurleistung war, liegt heute das Wrack der explodierten Deepwater Horizon, es verpesten täglich 800 000 Liter Rohöl das Meer und bringen den Tod in die Natur. Eine menschengemachte Katastrophe. Mit dem Bohren in der Tiefsee könnte eine weitere Grenze des technisch Beherrschbaren erreicht sein. Das gilt auch für die wahnwitzige Idee, gefährlichen Atommüll für eine Million Jahre „sicher“ unter die Erde zu bringen. Menschenketten gegen Atomkraft hier und Offshore-Windparks auch in den USA könnten helfen, die Richtung zu ändern. Die Richtung hin zu beherrschbaren Techniken, die ohne den eben nicht fehlerfreien Menschen auskommen. Ob im Luftverkehr, bei den Ölmultis oder beim Atom: Vernunft versus Profit? Was das mit den See-Anrainern zu tun hat? Nichts natürlich. Außer dass es auch in Potsdam Probleme gibt. Und was für welche.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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