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"Hexenjagd" nach Dopingvorwurf: Claudia Pechstein über den Kampf ihrer Rehabilitierung

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein sprach in Potsdam über die Tiefschläge ihrer Karriere und einen Kampf, den sie noch immer nicht gewonnen hat.

Von Birte Förster

Potsdam - Fünf Olympiasiege konnte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein vorweisen, als 2009 der Tiefschlag ihrer Karriere folgte: Wegen Dopingverdachts wurde die Sportlerin für zwei Jahre für weitere Wettkämpfe gesperrt. Erst später stellte sich der Vorwurf als falsch heraus.

In der Oberlinkirche in Babelsberg berichtete die Eisschnellläuferin am Dienstagabend im Rahmen der traditionellen Oberlinrede von der schweren Zeit nach der Sperre und ihrem jahrelangen Kampf um Aufklärung und Rehabilitierung. „Ich bin keine Betrügerin“, sagte Pechstein in dem voll gefüllten Kirchensaal. Eine vererbte Blutanomalie hatte bei ihr zu einer erhöhten Retikulozyten-Konzentration geführt. Es sei einer von zehn Parametern, der auf Doping hinweisen könne. Alle anderen Werte hätten bei ihr aber dagegengesprochen, sagte Pechstein.

"Mir ist der Sport genommen worden"

Die Entscheidung der Internationalen Eislaufunion (ISU), die später vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) bestätigt wurde, veränderte ihr Leben. „Mir ist der Sport genommen worden“, sagte Pechstein. Schlimm sei für sie auch die Verurteilung durch die Öffentlichkeit und die Medien gewesen, sagte die Sportlerin und sprach von einer „Hexenjagd“. 

Nicht nur ihre Stelle bei der Bundespolizei war durch den Dopingverdacht zeitweise gefährdet. Die Sportlerin berichtete in ihrer Rede auch davon, wie durch die Krise ihre Ehe zerbrach und sie sogar an Suizid dachte. Es sei Wahnsinn, was eine Fehlentscheidung einem Menschen antun könne. „Die Eigenarten des menschlichen Körpers und Abweichungen von der Norm dürfen nie zu Diskriminierungen führen“, sagte Pechstein und bezog sich damit auch auf die Arbeit des Oberlinhauses, das sich für Menschen mit Behinderung einsetzt.

Seit einigen Jahren nun ist Pechstein wieder erfolgreich zurück im Leistungssport. Dabei habe sie auch ihr jetziger Lebensgefährte Matthias Große unterstützt. Die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft hatte erst kürzlich bekanntgegeben, Große aus dem Betreuerstab der Nationalmannschaft zu streichen. Dieser hatte die Führung des Verbands zuvor scharf kritisiert, wie die Deutsche Presseagentur berichtete.

Ihre Blutanomalie ist mittlerweile bestätigt

Pechsteins Blutanomalie wurde von ärztlicher Seite inzwischen bestätigt. Erst am Wochenende gewann sie bei den deutschen Eisschnelllauf-Meisterschaften ihre 39. Goldmedaille im 5000-Meter-Lauf. Mit ihren 47 Jahren gilt sie inzwischen als eine der ältesten Eisschnellläuferinnen der Welt und konnte sich trotz ihres vergleichsweise hohen Alters im vergangenen Jahr erneut für die Olympischen Spiele qualifizieren.

Trotz ihres sportlichen Comebacks ist ihr Kampf um Gerechtigkeit noch nicht beendet. Sie sei damals dazu gezwungen worden, einen Vertrag mit der ISU zu unterschreiben. Sonst hätte sie nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen können. Dieser enthält die Vereinbarung, bei Streitigkeiten auf die Anrufung der deutschen Gerichte zu verzichten und sich stattdessen an den CAS zu wenden. Gegen diese Regelung geht Pechstein nun gerichtlich vor, bisher ohne Erfolg. „Ich werde bis zum Ende kämpfen“, sagte Pechstein. Denn das hat sie aus ihrer Krise gelernt: Weiterzukämpfen, selbst, wenn es aussichtslos scheint.

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