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Landeshauptstadt: Heiliger See bald Kloake?

Untersuchungen belegen: Ab vier Meter Tiefe kaum noch Leben möglich

Der Ruf kommt aus der Tiefe: Dem Heiligen See droht in den kommenden Jahren der Kollaps. Schon jetzt ist im Lieblingssee der Potsdamer ab einer Tiefe von vier Metern kaum noch Leben möglich, sagt Bernd Reißland. Er schlägt Alarm, damit der See, an dem Prominente wie Günther Jauch und Wolfgang Joop leben und arbeiten, gerettet werden kann. Seit 30 Jahren taucht Reißland im Heiligen See, so schlimm sei der Zustand noch nie gewesen. Als Beweis zeigt er Wasseranalysen von den letzten Monaten, in denen er das Wasser speziell kontrollieren ließ. Der Befund: Der See ist schwer krank.

In der Stadtverwaltung hielt man sich gestern mit Bewertungen zurück. Die Proben, die das Gesundheitsamt im vergangenen Jahr genommen hat, sind in Ordnung gewesen, sagte eine Sprecherin. Jedoch werden diese nicht in den Tiefen genommen, in die Reißland taucht, um den See zu pflegen. Das Gesundheitsamt testet zudem andere Kriterien als der Taucher mit seiner Initiative zur Seerettung. Der 50-Jährige hat einige Ideen, wie der See vor dem kompletten Umkippen im nächsten Jahrzehnt bewahrt werden könnte. Dazu werde es in der kommenden Woche ein erstes Treffen mit potenziellen Förderern, u.a. aus dem Baugewerbe, sowie der Schlösserstiftung geben, in deren Bereich der Heilige See liegt. Vorschläge für eine Lösung seien bislang auf Büro- und Verwaltungsebenen „versickert“.

Die Entwicklung der Flora und Fauna unter Wasser hat Reißland in den letzten Jahren miterlebt. Bis Mitte der 90er Jahre waren noch riesige Schwärme Jungfische – Hechte, Aale und Karpfen – zu beobachten, sagt Reißland. Die Sichtweite habe in den Klarwasserphasen fünf Meter und mehr betragen. Und heute? Völlige Ödnis, so Reißland. Eine deutlich geringere Sicht, fester Sandgrund sei in vielen Bereichen stinkendem Schlick gewichen. Die maximale Wassertiefe, die an einer schmalen Stelle einmal 14 Meter betragen hat, beträgt nur noch zehn Meter. Es gebe eine hohe Konzentration an Schwefelwasserstoff in den tieferen Bereichen, die ein Leben dort unmöglich machten. Ammoniak entstehe, das sei weder für Anlieger noch für Badegäste ein Vergnügen.

Warum die Wasserqualität des Sees, der jeden Sommer von Badenden überschwemmt wird, in den letzten Jahren so nachgelassen hat, weiß Reißland nicht. Diese Ursache müsse analysiert werden, sagte er. Die Badenden sieht er nicht als Grund – eher die Art des Wasseraustausches. Wenn Wasser in die benachbarte Havel fließt, dann nur das sauerstoffreiche, so Reißland. Die kranken und toten Schichten würden unberührt im See verbleiben. „Schlämme und Altwasser müssen raus“, sagt der Tauchsportler, der in den letzten Jahren 76 Kubikmeter Müll aus dem See geholt hat. „Jetzt kostet die Rettung des Sees Geld, in einigen Jahren ist sie nicht mehr möglich“, sagt Reißland. Und wenn nichts passiert hätte Potsdam „einen wunderbaren Neuen Garten mit Kloake vor der Tür“. Das städtische Unternehmen Energie und Wasser hat bereits vor zwei Jahren damit begonnen, sämtliche Ableitungen zu verändern, damit das ungereinigte Wasser von den Straßen der Umgebung künftig in die Havel fließt.

Ein Wasseraustausch des Sees durch das Öffnen der Tore zur Havel ist zudem nicht so einfach möglich. Experten gehen davon aus, dass das Absenken des Wasserspiegels auch die hölzernen Gründungspfähle des Marmorpalais in Mitleidenschaft ziehen würde. Jan Brunzlow

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