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Hausbesuch. Hebamme Elke Gutzmer (links) besucht die junge Mutter Carsta Jüngling und ihren Sohn Oskar Leo, sechs Wochen alt, zur regelmäßigen Untersuchung des Neugeborenen und zur Unterstützung der Familie einmal die Woche.

© Andreas Klaer

Hebammen in Potsdam: Wunder unter Zeitdruck

Hebamme Elke Gutzmer betreut Carsta Jüngling und ihr Baby in Busendorf. Zu sechs Familien fährt die Hebamme täglich auf Hausbesuch.

Von Birte Förster

Busendorf - Nur die kleinen Füßchen schauen aus dem blauen Tuch heraus, als Elke Gutzmer das ganze Bündel von oben anhebt. Aus dem Inneren ist ein helles Schreien zu hören. Mit der Hängewaage überprüft die Hebamme das Gewicht des sechseinhalb Wochen alten Babys. 150 Gramm nehme er derzeit pro Woche zu, stellt Elke Gutzmer fest – eine normale Gewichtszunahme. Als der kleine Oskar Leo wieder auf der Wickelmatte liegt, beruhigt er sich und fixiert interessiert eine grüne Plüschdecke, die oberhalb des Schrankes hervorlugt. „Jeden Tag entdeckt er etwas Neues“, sagt Gutzmer. Die Potsdamer Hebamme besucht die Familie Jüngling im Beelitzer Ortsteil Busendorf derzeit einmal die Woche, um zu schauen, wie sich der kleine Junge entwickelt. Auf dem Wickeltisch im Kinderzimmer tastet sie das Kind vorsichtig ab, bewegt seine Beine und legt ihn einmal kurz auf den Bauch. So überprüfe sie die Muskulatur des Babys, die Beweglichkeit und ob er genug Flüssigkeit hat, erklärt sie. Die Bauchlage sei hin und wieder wichtig, damit das Kind langsam lerne, seinen Kopf zu bewegen, so Gutzmer. Außerdem achtet sie auch auf die Bindung zwischen Mutter und Kind.

Aber die Hebamme ist nicht nur für das Kind wichtig. Auch Mutter Carsta Jüngling beruhigt ihre Anwesenheit. Sie kann all ihre Fragen loswerden. „Man kann mit ihr über die intimsten Dinge sprechen“, sagt die junge Mutter. Sie sei froh über die Unterstützung der Hebamme. Es sei wichtig, die Eigenkompetenz der Eltern zu stärken, betont die Hebamme. „Oft haben Eltern Angst, etwas falsch zu machen“, ist ihre Erfahrung. Es sei wichtig, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Das darf auf keinen Fall wegfallen.“

In Bad Belzig hat die Geburtenstation 2015 trotz massiver Proteste geschlossen

Obwohl Elke Gutzmer an dem Tag noch sechs weitere Familien zu Hause besucht, ist die Hebamme kein bisschen gehetzt. Mit Geduld und Ruhe untersucht sie sowohl das Kind als auch die Mutter, informiert Carsta Jüngling bereits über die nächsten Entwicklungsschritte und anstehende Untersuchungen. Man merkt, dass sich die beiden Frauen bereits eine Weile kennen, der Umgang ist persönlich und vertrauensvoll.

Elke Gutzmer hat Carsta Jüngling bereits während der Schwangerschaft betreut. Die 28-Jährige hatte Glück, sie stieß im Internet auf die Praxis der Hebamme in Borkwalde und besuchte dort kurz darauf Geburtsvorbereitungskurse. „Das hat von Anfang an gepasst“, freut sich Jüngling. Dennoch bedauert auch sie, dass die Wahlmöglichkeiten in der Region gering sind und immer wieder Frauen Schwierigkeiten hätten, eine Hebamme zu finden. Für die Entbindung suchte die werdende Mutter aber das Klinikum „Ernst von Bergmann“ in Potsdam auf. Seit Anfang 2017 bietet Elke Gutzmer, die seit knapp 30 Jahren in ihrem Beruf tätig ist, keine Geburtshilfe mehr an.

Die Geburtenstation des Krankenhauses in Bad Belzig, in der die Hebamme freiberuflich tätig war, hat trotz massiver Proteste 2015 geschlossen. Frauen müssten für die Entbindung nun bis Potsdam oder Brandenburg an der Havel fahren. Durch die größere Entfernung steigt das Risiko, dass es bis zum nächsten Krankenhaus nicht schnell genug geht. „Es gibt immer mal wieder Babys, die auf der Bundesstraße geboren werden“, merkt Gutzmer an. Die Schließung habe außerdem zu „einer eingeschränkten Wahlfreiheit des Geburtsorts“ geführt, sagt die Hebamme. „Die Geburtshilfe schreibt keine schwarzen Zahlen.“ Das sei immer ein Verlustgeschäft. Schade sei es dennoch, dass der wirtschaftliche Aspekt dabei nicht stärker ausgeklammert werde.

Vor allem wenn Schwangerschaft mit gesundheitlichen Problemen einhergeht, ist intensive Betreuung wichtig

Als Selbstständige wolle sie nun auch wegen der hohen Haftpflichtbeiträge, die in Bad Belzig das Krankenhaus übernommen hat, keine Geburtshilfe mehr anbieten. Elke Gutzmer bedauert, dass sie das, was sie über Jahre getan hat, aufgeben musste. Mit ihrem Verdienst komme sie gut über die Runden, sagt Gutzmer. Das liege auch daran, dass sie in der Region bereits gut etabliert sei. Aber durch die Freiberuflichkeit sei es finanziell riskanter. Wenn sie außerdem die Zeit am Schreibtisch sowie die Weiterbildung über Fachliteratur und die Teilnahme an Fortbildungen dazu berechne, falle der Stundenlohn sehr gering aus. „Das ist eine Hemmschwelle für junge Kolleginnen“, weiß sie.

Zu ihren Aufgaben zählen nun die Vorbereitung der werdenden Mütter auf die Geburt, die Schwangerschaftsvorsorge sowie die anschließende Wochenbettbetreuung. Außerdem bietet sie in ihrer Praxis Rückbildungskurse und Babymassagekurse an. Zwei Tage die Woche arbeitet die 48-Jährige in ihrer Praxis, die übrige Zeit, auch am Wochenende, macht sie Hausbesuche bei Familien in Potsdam, Beelitz, Glindow, Werder oder Michendorf, im Schnitt sechs am Tag. „Aber es lässt sich nicht immer so planen", weiß sie auch. Viele Familien hat sie nicht nur bei einer Schwangerschaft betreut. Die gesamte Schwangerschaft und Stillzeit über hat eine Frau laut Gutzmer Anspruch auf Betreuung durch eine Hebamme. „Der Arzt hat dafür wenig Zeit."

Eine intensive Betreuung ist wichtig, vor allem, wenn die Schwangerschaft mit gesundheitlichen Problemen einhergeht. Davon kann auch Carsta Jüngling berichten. Ihre Schwangerschaft sei nicht immer einfach gewesen, sagt sie. Man nehme zu, vor allem auch durch Wassereinlagerungen, und es werde immer schwieriger zu schlafen, erzählt sie von ihren Erfahrungen. Dazu kam bei ihr, dass eine Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert wurde. Vor jedem Ultraschall hatte sie irgendwann Angst, dass etwas nicht stimmen könnte. Aber es gebe auch schöne Momente, betont sie. „Wenn man spürt wie sich das Kind im Bauch dreht.“ Es sei ein „Wunder der Natur“. Nach der Geburt dann die Erleichterung: Die junge Mutter brachte ein gesundes Kind zur Welt.

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Hintergrund: Geburten in den Krankenhäusern

In Brandenburg steigen die Geburtenzahlen. Laut dem Hebammenverband Brandenburg gab es im Jahr 2015 landesweit 19 112 Geburten, 2016 waren es schon 20 933. Für 2017 liegen noch keine abschließenden Zahlen vor. Im Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ kamen 2016 den Angaben zufolge 2029 Kinder zur Welt, im St. Josefs-Krankenhaus waren es im vergangenen Jahr 854 Kinder.

Im Bergmann-Klinikum arbeiten laut Kliniksprecherin Damaris Hunsmann 23 festangestellte Hebammen und vier Beleghebammen, die über einen Kooperationsvertrag als Freiberufliche dort tätig sind. Alle Hebammen würden von der Haftpflichtversicherung der Klinik abgedeckt, so Hunsmann.

Im St. Josefs-Krankenhaus werden alle zwölf derzeit dort tätigen Hebammen über einen Kooperationsvertrag mit einer Hebammenpartnergesellschaft beschäftigt. Ein Anteil der anfallenden Haftpflichtbeiträge wird vom St. Josefs- Krankenhaus übernommen.

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Kommentar: Sandra Calvez kommentiert die Situation eines schönen Berufs, den zu wenige ausüben wollen.

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