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Ohne Gewalt. Friedlich und ohne Ausschreitungen hat die Polizei am Dienstagnachmittag das erst am Vortag besetzte Haus in der Stiftstraße 5 geräumt. Die 17 Besetzer aus der linksalternativen Szene wollten mit der Aktion unter anderem auf hohe Mieten und Wohnungsnot aufmerksam machen.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Hausbesetzung von Polizei beendet

Friedlicher Einsatz. Anzeigen wegen Hausfriedensbruch. Streit zwischen Stadt und linker Szene

Brandenburger Vorstadt - Nach der Räumung eines am zweiten Weihnachfeiertag von Mitgliedern der linksalternativen Szene besetzten Hauses durch die Polizei hat die Stadtverwaltung die Aktion verteidigt. „Die Besetzung fremden Eigentums ist keine Lösung“, sagte Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger am Dienstagabend. Politische Forderungen an die Stadt müssten, „wie im Rechtsstaat vorgesehen“, über die „verfassungsmäßigen Gremien“ diskutiert werden, so die parteilose Beigeordnete. Die Besetzer hatten die Aktion unter anderem mit fehlendem bezahlbaren Wohnraum in Potsdam begründet.

Am Dienstagnachmittag hatte die Polizei – erstmals seit Jahren in Potsdam – die Hausbesetzung in der Stiftstraße 5 beendet. Der Einsatz mit Dutzenden Polizisten vor Ort verlief nach Behördenangaben friedlich. Die Beamten seien durch ein Fenster im Erdgeschoss ins Haus gelangt, da die Tür verbarrikadiert gewesen sei, hieß es. In dem Gebäude hätten sich sechs Frauen und elf Männer im Alter zwischen 19 und 41 Jahren befunden, ihre Personalien seien aufgenommen worden, so die Polizei. Nun werde wegen Hausfriedensbruchs und möglicherweise wegen Sachbeschädigung ermittelt. Das Haus werde nun gesichert, sodass es nicht noch einmal besetzt werden könne.

In der Stiftstraße hatte der aktuelle Eigentümer, die Stiftung „Hasenheyerstift“, in Kooperation mit dem Landesausschuss für Innere Mission (Lafim) 2010 noch ein Heim für Demenzkranke einrichten wollen. Die Pläne haben sich nach Angaben von Lafim-Sprecher Martin Dubberke inzwischen zerschlagen, weil die Kosten für das Projekt durch gesetzliche Auflagen zu hoch geworden seien – das Haus sei danach an einen privaten Investor verkauft worden, der dort Wohnungen plane. Der Kaufvertrag sei unterschrieben, die Übergabe in bereits knapp einer Woche Anfang Januar vorgesehen. Nach PNN-Informationen soll es sich bei dem neuen Besitzer um den in Potsdam bekannten Bauunternehmer Holger Behnke handeln. Er war gestern für die PNN nicht zu erreichen.

Vor der Räumung des Hauses hatten Eigentümer-Vertreter und Sozialdezernentin Müller-Preinesberger noch am Dienstagmittag vergeblich versucht, die Besetzer zum freiwilligen Abzug aus dem Haus zu bewegen. Doch das Gespräch war vor allem von Vorwürfen geprägt. So beschuldigten die Besetzer die Lafim als diakonischen Sozialträger, mit dem Verkauf des Hauses nicht ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen. Generell beklagten sie zu hohe Mieten in Potsdam. Viele der Besetzer könnten sich derzeit keine andere Bleibe in Potsdam leisten. Vorschläge, wegen hoher Mieten doch in eine andere Stadt zu ziehen, seien „zynisch“, hieß es. Das Angebot von Müller-Preinesberger, die Bemühungen der Stadt um bezahlbaren Wohnraum bei einem Extra-Termin vorzustellen, blieben genauso ohne konkrete Reaktion wie der Verweis der Dezernentin auf zahlreiche Angebote der Stadt für Obdachlose.

Die Besetzer richteten ihren Zorn auch auf andere Streitpunkte zwischen Stadt und Szene. So hatte zuletzt etwa die kommunale Bauholding Pro Potsdam die Pachtzinsen für mehrere alternative Wohnprojekte um bis zu 16 Prozent erhöht, auch dagegen gab es verbale Proteste (PNN berichteten). Über einen Antrag der Fraktion Die Andere auf Rücknahme der Erhöhung müssen die Stadtverordneten noch befinden. In diesem Zusammenhang erklärte Müller-Preinesberger gestern, die Stadt sei „an allen sozialen Wohnformen interessiert“. Geschlossene Verträge müssten aber von jeder Seite eingehalten werden. Die Pro Potsdam hatte zur Erhöhung der Pachtzinsen erklärt, diese sei vertraglich sogar alle drei Jahre möglich – doch erst nach zehn Jahren habe man von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Kritisiert wurde von den Besetzern am Dienstag auch, dass das 2008 besetzte „La Datscha“-Kulturprojekt am Babelsberger Park aktuell eine Wasserrechnung für drei Jahre in Höhe von 3000 Euro erhalten habe – dies sei zu hoch und nicht nachvollziehbar.

Die Besetzung führte gestern zu unterschiedlichen politischen Reaktionen: Die Potsdamer CDU-Chefin Katherina Reiche sagte, die Probleme mit hohen Mieten in Potsdam rechtfertigten keine „illegalen Aktionen“ wie eine Hausbesetzung. „Damit werden keine Probleme gelöst.“ Eine Situation mit häufigen Hausbesetzungen und Räumungen wie in den 90er Jahren in Potsdam müsse „unbedingt“ vermieden werden – daher dürfe die Stadt die Hausbesetzung nicht tatenlos hinnehmen, so Reiche. Dagegen wertete Linke-Kreischef Sascha Krämer die Besetzung als „Zeichen gegen steigende Mieten“. Um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, müsse in Potsdam unter anderem die Praxis von Verkäufen kommunaler Grundstücke an Private zur kurzfristigen Haushaltskonsolidierung beendet werden.

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