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Seit Jahren steigt die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher in Potsdam.

© dpa

Hartz IV in Potsdam: Weniger Klagen, mehr Strafen

Potsdams Jobcenter verhängt erneut mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher. So viele wie noch nie. Ursache ist unter anderem die gute wirtschaftliche Lage in Potsdam.

Das Potsdamer Jobcenter hat auch im vergangenen Jahr hart gegen Hartz-IV-Empfänger durchgegriffen, die sich nach Auffassung der Behörde nicht genügend um eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt bemühen. Das geht aus Unterlagen hervor, die den PNN vorliegen. So sind laut einer vorläufigen Statistik von September 2014 bis August 2015 knapp 3000 Strafen verhängt worden – so viele wie nie zuvor und rund acht Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Jedes Jahr mehr Sanktionen

Damit hat die Behörde seit 2011 von Jahr zu Jahr jeweils mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher vermeldet. „Durch die gute Arbeitsmarktlage werden weniger motivierte Kunden leichter identifiziert“, sagte Jobcenter-Chef Thomas Brincker auf Anfrage.

Die mit Abstand meisten Strafanordnungen hat es einmal mehr für Meldeversäumnisse gegeben, also wenn Jobcenter-Kunden ohne triftigen Grund nicht zum Treffen mit dem Arbeitsvermittler kamen. Bis August 2015 zählte das Jobcenter 2466 solcher Fälle – knapp neun Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Fast unverändert waren die Zahlen bei Verweigerung der Aufnahme einer Arbeit, Ausbildung oder die Teilnahme an Fördermaßnahmen. Bis August verhängte das Jobcenter dazu 254 Sanktionen – fünf Fälle mehr als Vorjahreszeitraum.

Konsequenzen für manche Hartz-IV-Empfänger

Im Jobcenter, in dem im vergangenen Jahr durchschnittlich 10 300 Arbeitslosengeld-II-Empfänger betreut wurden, wird die steigende Zahl der Sanktionen seit Jahren auf die gute konjunkturelle Lage in Potsdam zurückgeführt. Daher könne man viele Arbeitsangebote unterbreiten – damit ist zum Beispiel auch die Zahl der verpassten Termine gestiegen.

Für die Betroffenen – es geht jeden Monat um knapp drei Prozent aller Potsdamer Hartz-IV-Bezieher – hat das Konsequenzen: Im Schnitt sei die Leistung bei einer Sanktion um 83 Euro pro Person gekürzt worden. Bundesweit liegt der Wert bei rund 108 Euro. Der Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende war Anfang des Jahres leicht auf durchschnittlich 404 Euro gestiegen. Besonders oft werden unter 25-Jährige sanktioniert – rund zehn Prozent im Monat.

Die von Strafen Betroffenen wehren sich relativ selten. Von September 2014 bis August 2015 gab es lediglich 149 Widersprüche, 163 waren es im Vorjahreszeitraum. Erfolg mit ihrem Einspruch hatten die angezählten Hartz-IV-Bezieher nur noch in 36 Prozent der Fälle, im Jahr zuvor waren es knapp 45 Prozent.

1000 Gerichtsverfahren

Die Klagewelle von Hartz-IV-Empfängern gegen das Jobcenter geht indes weiter zurück. Aktuell sind 1000 Verfahren bei Sozialgerichten anhängig, vor einem Jahr waren es 400 mehr, Anfang 2014 noch 950 mehr als jetzt. Und: Im Jahr 2013 hatte das Jobcenter noch knapp 57 Prozent der Klagen verloren, jetzt sind es 50 Prozent. Gesunken sind damit seit 2013 auch die Kosten, die dem Jobcenter durch Klagen und Widersprüche gegen fehlerhafte Hartz-IV-Bescheide entstanden sind – von 496 000 auf zuletzt 428 000 Euro im Jahr. Vor vier Jahren lag diese Zahl allerdings noch bei nur 274 000 Euro. Den rapiden Anstieg hatte das Jobcenter damit begründet, dass am bis dato überlasteten Sozialgericht wegen zusätzlicher Richter verstärkt auch ältere Verfahren beendet worden seien. Jetzt sagte Jobcenter-Chef Brincker, der größere Klageerfolg aus Sicht seiner Behörde lasse sich mit der „gefestigten Rechtsprechung“ und einer „verbesserten Bescheiderteilung“ begründen.

Gesunken ist auch die Zahl der Kundenwidersprüche – von knapp 3400 im Jahr 2013 auf 2500 im vergangenen Jahr. Rund ein Drittel der aktuellen Beschwerden entpuppte sich dabei als vollständig oder teilweise berechtigt – in den vergangenen Jahren lag dieser Wert bei bis zu knapp 36 Prozent. Selbst Strafanzeigen wegen Sozialbetrugs hat das Jobcenter in 27 Fällen gestellt: Diese Entwicklung sei konstant, so Brincker.

Die Zufriedenheit der Potsdamer Hartz-IV-Bezieher mit dem Jobcenter pendelt bei Umfragen auf einer Zensurenskala seit Jahren bei 2,5 bis 2,7 – also „gut“ bis „befriedigend“. Sechsmal musste die Polizei 2015 im Jobcenter anrücken, etwa wegen Bedrohungen gegen Behördenmitarbeiter – im Jahr zuvor gab es vier, im Vorjahr acht solcher Vorfälle.

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