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Voller Körpereinsatz. Das reale Quidditch nennt sich auch Muggel-Quidditch und ist eine Mischung aus Völkerball, Handball und Rugby. Viel Ausdauer und schnelle Reaktionen sind gefordert, wenn es heißt: „Brooms up!“ („Besen hoch!“) und das Spiel los geht. Geflogen wird natürlich nicht, die Besen sind etwa ein Meter lange Plastikstäbe – über die so mancher Spieler auch mal stolpert.

© Andreas Klaer

Harry-Potter-Sport: Schweißtreibender Zaubersport

Die Universität Potsdam bietet im Rahmen des Hochschulsports einen Quidditch-Kurs an. Der Sport aus dem Harry-Potter-Universum ist weltweit populär und sportlich anspruchsvoll

Von Sarah Kugler

Bälle fangen, Wurfgeschossen ausweichen, in Ringe zielen und viel rennen: Mit Magie hat das Training, das derzeit jeden Montag auf dem Sportplatz der Universität Potsdam am Neuen Palais stattfindet, wenig zu tun. Nur die jeweils drei Ringe an den Enden des Platzes und der Plastikstab zwischen den Beinen der Spieler lassen es erahnen: Was hier gespielt wird, ist die Muggel-Version von Quidditch, einer Sportart, die aus der berühmten Harry Potter-Buchreihe von Autorin J.K. Rowling stammt. Muggel heißen die nicht-magischen Menschen in den Romanen.

In Rowlings Universum ist Quidditch an den magischen Schulen das, was bei uns Fußball ist: Ein Sport, der international gespielt und zelebriert wird. Bei der Beliebtheit der Harry Potter-Bücher und -Filme, den vielen Merchandiseprodukten und sogar einem eigenen Themenpark, ist es kein Wunder, das auch der magische Sport seinen Weg in die reale Welt fand. Das Muggel-Quidditch wurde 2005 von zwei Studenten des Middlebury College im US-Amerikanischen Bundesstaat Vermont entwickelt. Seit 2008 wird jährlich der Quidditch World Cup in den USA ausgetragen, seit 2012 gibt es, ausgehend von den Quidditch Summer Games im englischen Oxford, alle zwei Jahre eine Weltmeisterschaft. Die letzte fand 2016 in Frankfurt am Main statt.

Das Potsdamer Uni-Team mit dem Namen „SanssouSea Serpents“ besteht seit vergangenem Jahr. Im Sommer 2016 wurde der Sport im Rahmen des Hochschulsportes angeboten, in diesem Jahr wird der Kurs weitergeführt. Noch bis zum 15. Oktober läuft er, ein Einstieg ist jederzeit möglich, wie Sarah Burchert, eine der Kursleiterinnen, sagt. Die 23-jährige Mathematikstudentin ist von Anfang an dabei und spielt inzwischen auch bei den „Berlin Cups“ Quidditch. „Ich habe früher viel getanzt und wollte etwas Neues ausprobieren“, erzählt sie. Wie die meisten der Kursteilnehmer ist sie Harry Potter-Fan, allerdings kein fanatischer. „Ich habe die Bücher gelesen und mag sie, mehr aber auch nicht.“

Diese Antwort geben fast alle der insgesamt neun Spieler, es ginge doch eher um den Sport, um eine neue Herausforderung. Die bietet Quidditch definitiv. Als eine Mischung aus Völkerball, Handball und ein bisschen Rugby beschreibt Sarah Burchert den Sport. Im Gegensatz zum magischen Quidditch, bei dem die Spieler auf Flugbesen über dem Spielfeld agieren, laufen die Muggel-Teams mit besenartigen Stäben zwischen den Beinen über den Rasen. Keine einfache Sache, aber alles eine Frage der Übung, wie Burchert sagt. Trotzdem fallen die etwa einen Meter langen Plastikstäbe häufig runter. Sie dürfen zwar auch festgehalten werden, doch die Spieler brauchen ihre Hände, um die Bälle zu händeln. Wie bei Harry Potter gibt es verschiedene: Der wichtigste, nämlich der im Roman geflügelte goldene kleine Schnatz, ist hier ein gelber Tennisball, der dem Schnatzspieler per Klettstreifen an den unteren Rücken geheftet wird. Gespielt wird so lange, bis der Ball gefasst wird. Der sogenannte Sucher der jeweiligen Mannschaft konzentriert sich nur darauf, an den Schnatz zu kommen – bei Erfolg gibt es 30 Punkte extra. „Wir lassen den Schnatz allerdings häufig weg, weil wir zu wenige Spieler sind und das Spiel sich sonst enorm verlängert“, erklärt Sarah Burchart.

Denn das ist so schon anstrengend genug. Roy Adler, der am vergangenen Montag das erste Mal dabei ist, stößt irgendwann nur ein keuchendes: „Ich habe wirklich nicht die Ausdauer“ hervor. Seine Freundin Maleika Schirmer ist da schon etwas fitter. Sie ist die einzige, die sich als Potterhead – so heißen die Potterfans – bezeichnet und stolz ein Ravenclaw-Quidditch-Shirt trägt. „Ich lese die Bücher alle mindestens einmal im Jahr“, erzählt sie. Die 21-jährige Biowissenschaftsstudentin würde wahrscheinlich auch auf dem magischen Besen eine gute Figur abgeben: Souverän balanciert sie den Plastikstab zwischen den Beinen und wirft den Quaffel – ein weiterer wichtiger Ball – hin und her. Der ist hier ein Volleyball, den die Spieler – auch Jäger genannt – in die gegnerischen Torringe bringen müssen. Dabei ist es egal, ob die Ringe von vorne oder hinten angesteuert werden.

Der Torwart oder Keeper muss die Bälle abwehren. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, währenddessen den drei Klatschern auszuweichen. Die fliegen bei Harry Potter als selbstständige wildgewordene Bälle durch die Luft und stoßen die Spieler von ihren Besen. In der Realität übernehmen das die sogenannten Treiber, indem sie weiche Bälle auf die Gegner feuern. Wer getroffen ist, muss einmal an den Ringen abklatschen und darf dann erst wieder auf das Feld. „Unsere Klatscher sind also nicht ganz so gefährlich“, sagt Teamleiterin Sarah Burchert. „Hier wird keiner ohnmächtig geschlagen.“ Auch die fehlende Möglichkeit des Fliegens verringere die Verletzungsgefahr enorm, sagt sie und lacht. Mundschutz tragen trotzdem fast alle Spieler, denn fester Körperkontakt ist erlaubt und notwendig. Vor dem Spiel wird immer wieder das richtige Abrollen geübt – aber auch, wie der Gegner effektiv zu Fall gebracht werden kann. Wer was wie darf, ist in einem 200-seitigen Regelwerk festgehalten. Um im Spiel den Überblick zu behalten, sind mehrere Schiedsrichter nötig.

In Potsdam endet das Spiel am Montag nach etwa 15 Minuten, die Spieler sinken auf die Sitzbänke, wer gewonnen hat, ist nicht so wichtig. „Hauptsache, wir haben Spaß“, sagt Sarah Burchart, die anderen nicken sichtlich erschöpft – aber glücklich. Alle wollen dabei bleiben, auch Neuling Roy Adler überlegt, in den Kurs einzusteigen. „Es macht wirklich totalen Spaß“, sagt er – und das glückliche Lächeln ist dann doch ein wenig magisch.

Quidditch findet jeden Montag ab 16.30 Uhr am Neuen Palais statt. Anmeldung unter www.uni-potsdam.de/hochschulsport

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