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Starke Frau. Hannah von Bredow – hier 1971 im Schweizer Chalet l'Espérance – sagte deutlich ihre Meinung über Hitler und unterstützte Verfolgte des NS-Regimes.

© Leopold B. von Bredow

Hannah von Bredow und der 20. Juli: Eine Bismarck-Enkelin aus Potsdam im Widerstand gegen Hitler

Mutig, aufrecht, selbstbewusst: Die Potsdamerin Hannah von Bredow war eine überzeugte Gegnerin der Nazis und gehörte zum Umfeld des 20. Juli.

Potsdam - Hannah von Bredow war eine hellsichtige Frau: „Ich habe Gottfried gesagt, dass in 10 Jahren alles vorbei sein und es kein Deutschland mehr geben wird, es sei denn, Hitler wurde vorher umgebracht“, schrieb sie am elften März 1933 in ihr Tagebuch. Die Enkelin des Reichsgründers Otto von Bismarck sah früh das Unheil durch die Nationalsozialisten voraus und tat ihre Meinung darüber deutlich kund. Auch wenn sie selbst nicht am gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt war, bewegte sie sich lange im Umfeld der Mitwissenden, pflegte intensive Kontakte zu Widerständlern, war Mitglied der bekennenden Kirche und half Verfolgten des NS-Regimes.

Zur Erinnerung an Hannah von Bredow findet anlässlich des 74. Jahrestages des Attentatsversuchs auf Hitler am heutigen Freitag um 18 Uhr eine Veranstaltung im Stadthaus, Saal 280 a, statt: Der ehemalige Diplomat und Autor Reiner Möckelmann wird zusammen mit dem Sohn Hannah von Bredows, Leopold Bill von Bredow, seine jüngst erschienene Biographie vorstellen.

„Sie war eine starke Frau, die sich von ihrer Familie und ihren ständischen Traditionen emanzipiert hatte“, sagt Möckelmann. Tatsächlich hätte Hannah von Bredows Lebensweg ganz anders verlaufen können: 1893 als Hannah Leopoldine Alice Gräfin von Bismarck-Schönhausen geboren, war sie Teil einer hochangesehenen Adelsfamilie. „Zwei ihrer Brüder traten früh der NSDAP bei und ihre Mutter warf ihr immer wieder vor, dass sie nicht die positiven Seiten des NS-Staates sehen wolle“, sagt Möckelmann.

„Wenn er Diktator wird, wird Deutschland ein Irrenhaus“

Doch von Bredow war Kosmopolitin, unterhielt eine weitverzweigte Korrespondenz und hatte Kontakte zu vielen hochstehenden Persönlichkeiten, unter anderem zu Erwin Plack, der als Politiker während der Weimarer Republik in der Reichskanzlei arbeitete und sich später am Widerstand gegen Hitler beteiligte. Dadurch hatte die intelligente und politisch interessierte Frau gute Einsicht in die Pläne der Nationalsozialisten. Schon 1930 schrieb sie in ihrem Tagebuch über Hitler: „Wenn er Diktator wird, wird Deutschland ein Irrenhaus.“ Einen Tag nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 konstatierte sie: „Die Welt ist aus den Fugen, und wir können nur abwarten, bis uns das Genick umgedreht wird.“

Von Bredow war 1919 mit ihrer Familie nach Potsdam in die Villa Ysenburg, später: Villa Menzel, in der Wörtherstraße 15, heute: Menzelstraße, gezogen. Hier flatterten jedoch nie Hakenkreuzfahnen, den Eintritt in die NSDAP verweigerte von Bredow ebenso wie den Hitlergruß. „Sie hielt ihre acht Kinder größtenteils aus allen NS-Organisationen fern“, sagt Möckelmann. Auch an jüdischen Freundschaften und Geschäftsbeziehungen hielt von Bredow bis zuletzt fest, der Bankier Otto von Mendelssohn Bartholdy konnte 1943 mit ihrer Hilfe der Deportation entkommen: „Er war schon mit dem Auto abgeholt worden, doch sie setzte sich ans Telefon und machte ihren Einfluss in Potsdamer Regierungskreisen geltend, so dass er wieder freikam“, sagt Möckelmann.

14 Tage lang wurde von Bredow am Krankenbett von der Gestapo verhört

Als gläubige Protestantin und Mitglied der Potsdamer Heiliggeistgemeinde schloss sich von Bredow 1935 der Bekennenden Kirche an, die gegen die Gleichschaltung der Kirche Widerstand leistete. Auch im Solf-Kreis, einem Salon für Gegner und Verfolgte des NS-Regimes, verkehrte sie regelmäßig.

Von den konkreten Attentatsplänen des 20. Juli wusste von Bredow nichts, so Möckelmann. Aber dass es Pläne in diese Richtung gab, wusste sie definitiv. Immerhin gehörten etliche Personen aus ihrem Umfeld zu den Mitwissern, darunter ihre Tochter Philippa, ihr Bruder Gottfried von Bismarck oder ihr enger Vertrauter Sydney Jessen. Alle drei wurden kurz nach dem gescheiterten Anschlag festgenommen und verbrachten zwischen sechs und acht Monaten in Haft. Hannah von Bredow selbst entging der Festnahme, weil sie sich in der Schweiz aufgehalten hatte und erst Ende 1944 schwerkrank zurückkehrte. 14 Tage lang wurde sie am Krankenbett von der Gestapo verhört, die ihr „Ausländerei“, „Erziehung der Kinder zu Staatsfeinden“, „gefährliche Rede“, „Auslandsspionage“, „Umgang mit dubiosen Elementen“ und Beleidigungen von NS-Größen vorwarf.

Denunziert hatte sie Franz von Papen, „belastendes Material“ gab es genug: Seit 1933 war von Bredow im Visier der Gestapo. „Wilhelm von Wedel, der Polizei- und Gestapochef von Potsdam, hat sie wie wild verfolgt und ihre Korrespondenz überwacht“, sagt Möckelmann. „Der Krieg wird noch den Winter durch anhalten. Er wird im Mai oder Juni enden“, prophezeite von Bredow am ersten Januar 1945. Ende 1945 zog sie nach Berlin um, danach siedelte sie in die Schweiz über. 1971verstarb Hannah von Bredow mit 77 Jahren in Hamburg.

Reiner Möckelmann: Hannah von Bredow – Bismarcks furchtlose Enkelin gegen Hitler. Erschienen 2018 im Theiss-Verlag. 272 Seiten, 22 Euro.

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