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Handel in Potsdam: Dieses Jahr gar kein verkaufsoffener Sonntag?

Solange im Rechtsstreit mit Verdi kein Urteil fällt, erlässt die Stadt keine Satzung für das Jahr 2018. Der Handel in Potsdam befürchtet, im laufenden Jahr noch mehr Kunden an Berlin zu verlieren.

Potsdam - Schlechte Nachrichten für den Potsdamer Handel: Die Stadtverwaltung fürchtet, dass es in diesem Jahr womöglich gar keine verkaufsoffenen Sonntage geben könnte. „Im schlimmsten Fall nicht einmal zu Weihnachten“, sagte Potsdams Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs am Mittwoch den PNN auf Anfrage. Grund ist ein anhaltender Rechtsstreit mit der Gewerkschaft Verdi vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg.

Frerichs sagte, wegen des Gerichtsverfahrens – einen konkreten Prozesstermin gebe es noch nicht – bestehe eine große juristische Unsicherheit: Man wisse nicht, welche Sonntage nun als verkaufsoffen deklariert werden könnten. Dafür muss die Stadt jedes Jahr eine Satzung erlassen, mit einer Vorlaufzeit von je rund zwei Monaten. Durch die Situation gebe es keine Planungssicherheit für die Händler, beklagte Frerichs: „Wir stecken in einer Sackgasse, die Situation ist unbefriedigend.“

Schon im vergangenen Jahr hatte das OVG nach der Klage von Verdi die geplanten verkaufsoffenen Sonntage zum Großteil im Eilverfahren kassiert – etwa zum Stadtwerkefest. Vier der vom Rathaus festgelegten sechs Termine hatten sich als rechtswidrig erwiesen. Letztlich durften die Geschäfte nur am 3. und 17. Dezember öffnen, sowie zur Antikmeile am 1. Oktober in Teilen der Innenstadt. Und selbst hier könne das OVG noch urteilen, dass dies nicht statthaft war, hieß sagte der Wirtschaftsfachbereichsleiter im Rathaus, Dieter Jetschmanegg, am Mittwochabend auch im Hauptausschuss. Nun werde eben auf die OVG-Entscheidung im eigentlichen Hauptverfahren gewartet.

In Potsdam braucht der Handel für die Sonntagsöffnung einen besonderen Anlass

Bitter für die Stadt ist auch, dass sich das Gericht auf das eigentlich für Potsdam novellierte Brandenburger Landesladenöffnungsgesetz bezogen hat. Damit müssen die verkaufsoffenen Sonntage mit „besonderen Ereignissen“ begründet werden, zu denen auch auswärtige Besucher angezogen werden. Die Anlässe zur Begründung in Potsdam seien aber „häufig konstruiert“, hatte Verdi die Klage begründet – laut OVG zu Recht. Die Anforderungen der Gerichte, warum die Sonntagsruhe gestört werden soll, würden immer schärfer, hieß es dazu von Jetschmanegg.

Wirtschaftsförderer Frerichs bringt genau diese enge Auslegung des Gesetzes in die Bredouille. Dazu akzeptiere das OVG die von der Stadt vorgelegten Beweise, etwa Hotelbelegungen, bisher nicht. Als Beispiel nannte Frerichs die Schlössernacht. Dort wisse man, dass am Sonntag noch viele auswärtige Gäste in der Stadt seien – nur beweisen könne man das bisher nicht. Nun habe man auch Potsdamer Händler aufgefordert, alle möglichen Beweise, dass auswärtige Besucher angezogen werden, zu sammeln und an das Rathaus zu senden. Die Stadt selbst hatte zum Beispiel den Weihnachtsmarkt auf der Brandenburger Straße mit einer Drohne überfliegen lassen – um mit Luftbildern die Besucherströme für das Gericht zu dokumentieren. „Wir wissen aber auch hier nicht, ob das als Beweis akzeptiert wird“, so Frerichs. Sein Chef Jetschmanegg sagte im Ausschuss, man müsse das Gericht eben inhaltlich noch besser überzeugen.

„Die Händler brauchen die verkaufsoffenen Sonntage, um Umsätze zu generieren, gerade bei Touristen“ 

Da das novellierte Gesetz offenbar aber auch gute Klagechancen biete, appellierte Frerichs an das von Diana Golze (Linke) geführte Landessozialministerium: Das Gesetz sei „nicht praxistauglich“ und „muss überprüft werden“. Ein Sprecher des Ministerium sagte dagegen, es seien keine weiteren Änderungen geplant. Das 2017 novellierte Gesetz sei den Städten bereits entgegengekommen. „Brandenburg hat im Ländervergleich das liberalste Ladenöffnungsgesetz nach Berlin“, so der Sprecher. Allerdings hatte Verdi auch dort gerade mehrere verkaufsoffene Sonntage per Gerichtsbeschluss kippen lassen.

Frerichs betonte, die fehlenden Sonntagsöffnungszeiten seien insbesondere ein Problem für die Innenstadt. „Sonntag ist im Internet stets der umsatzstärkste Tag“, merkte er an. Manfred Gerdes, Vorsitzender der Händler in der AG Innenstadt, bestätigte: „Die Händler brauchen die verkaufsoffenen Sonntage, um Umsätze zu generieren, gerade bei Touristen.“ Wenn Berliner Geschäfte sonntags häufiger öffnen, zögen sie Potsdamer Kunden und deren Kaufkraft ab. Der Chef des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, erklärte, er bedaure die Situation sehr, habe aber Verständnis für die vorsichtige Position der Stadt. Indem die Gewerkschaft überall klage, fahre Verdi eine bundesweite und zentral koordinierte Strategie, so Busch-Petersen. „Der Nonsens der neuesten Rechtsprechung macht Sonntagsöffnung faktisch unmöglich, denn Verdi hat es geschafft, dass die Maßstäbe dafür immer höher geschraubt wurden“, schimpfte Busch-Petersen. Verdi sei „keinen Millimeter kompromissbereit“. Es sei ein „ideologischer Glaubenskrieg“.

Verdi hatte mehrmals erklärt, es gehe nur um die Durchsetzung der geltende Rechtslage. Der Sonntagsschutz stehe über Umsatz- und Kundeninteressen.

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