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Von draußen nach drinnen. Vor Beginn der Sitzung des Hauptausschusses demonstrierten rund 60 Menschen vor dem Stadthaus in der Friedrich-Ebert-Straße für den Erhalt der Wagenhausburg. Später zogen sie in den Sitzungssaal.

© A. Klaer

Grundstücksverkauf beschlossen: Wagenhausburgler stürmten Rathaus

Bewohner der Wagenhausburg auf Hermannswerder und ihre Unterstützer haben am Mittwochabend die Sitzung des Hauptausschusses der Stadtverordnetenversammlung gestürmt.

Potsdam - Mit der Aktion wollten sie gegen den Verkauf des bisher von ihnen gepachteten 5000 Quadratmeter großen Grundstücks protestieren. Kurz zuvor hatte der Hauptausschuss beschlossen, dass auf dem städtischen Areal ab dem Jahr 2017 Wohnungen gebaut werden können. Mit sarkastischem Applaus zogen daraufhin rund 60 Menschen, darunter viele Frauen mit Kindern, in den Saal des Hauptausschusses.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gelang es nicht, die Sitzung des Ausschusses weiterzuführen, da die Protestierenden den Saal nicht verlassen wollten. Sie warfen Jakobs und den Fraktionen von SPD, CDU, Bündnisgrünen und FDP vor, mit dem Verkaufsbeschluss Familien die Existenzgrundlage zu nehmen. Es gehe nur ums Geld, so ein Zwischenruf, „Hauptsache man hat Kohle in dieser Stadt.“ Alternative Wohnprojekte seien nicht gewollt. Es blieb jedoch bis auf wenige aggressive Worte friedlich, auch die Polizei musste nicht gerufen werden. Nach zehnminütiger Sitzungspause konnte der Ausschuss weiter tagen.

Nach dem gestrigen Beschluss können die derzeit 24 Menschen, die in sechs Bauwagen und einem Gebäude auf dem rund 5000 Quadratmeter großen Grundstück an der Straße Am Tornow leben, noch fünf Jahre dort bleiben. Ihr Pachtvertrag wird für diese Zeit verlängert. Danach aber müssen die Wagenhausburgler umziehen. Dafür muss die Stadt während der gesamten Laufzeit des Pachtvertrags ein Grundstück am Kuhforter Damm in Golm als Ersatzstandort für die Wagenhausburg bereithalten. Per Änderungsantrag der SPD-Fraktion wird die Verwaltung zudem verpflichtet, mit dem Ortsbeirat und den Bewohnern der Wagenhausburg „die Machbarkeit der Ansiedlung verbindlich festzustellen“. Außerdem muss den Bewohnern ein Vorkaufsrecht für das auf Hermannswerder genutzte Grundstück eingeräumt werden. Zudem soll in den fünf Jahren über Konditionen verhandelt werden, so Jakobs.

Bisher zahlen die Wagenhausburgler 15 000 Euro Pacht pro Jahr. Dieser Vertrag sollte eigentlich am 30. September enden. Laut einem Gutachten des Berliner Sachverständigen Wolfgang Richter hat das Wagenhausburg-Grundstück einen Verkehrswert von 1,9 Millionen Euro. Der Verkauf des gesamten, 17 000 Quadratmeter großen Areals würde laut dem Finanzbeigeordneten Burkhard Exner (SPD) fünf bis sechs Millionen Euro in die Stadtkasse bringen – Geld, das Potsdam wegen der dramatisch sinkenden Zuschüsse für Investitionen am besten schon jetzt dringend braucht. Exner sagte, das Angebot an die Wagenhausburgler sei eine „Riesenkonzession“. Dafür habe sich die Stadtspitze entschieden, weil „uns das Projekt am Herzen liegt“. Sonst hätten „wir uns die Mühe nicht machen müssen“. Später sollen auf dem Gelände 80 Wohnungen für 160 Menschen entstehen.

Die Wagenhausburgler warfen der Stadtverwaltung vor, mit ihnen nie über einen Erbbaurechtsvertrag verhandelt zu haben. Alle Gespräche hätten nicht auf Augenhöhe stattgefunden. Zudem sei nicht geklärt, ob das Ausweichgelände in Golm, auf dem einst „Sowjetfunker“ untergebracht gebracht gewesen seien, frei von Altlasten sei. Zudem habe der Golmer Sportverein Ansprüche auf das Grundstück angemeldet. Man wolle jedoch niemandem etwas wegnehmen, sagte Bewohner Karol Sabo. Hoffnung setzen sie in die Linke. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg will, dass das Stadtparlament nächsten Mittwoch endgültig über die Wagenhausburg entscheidet. Er fordert, dass die Stadt das Grundstück nicht verkauft: „Kommunales Vermögen kann auch vorgehalten werden.“ Im restlichen Bereich könnten Wohnungen gebaut werden.

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