zum Hauptinhalt

Grundstück am Groß Glienicker See: Anwohner klagt Vorkaufsrecht aus Nazizeit ein

Das Landgericht verhandelt über die Klage eines Anwohners gegen die Stadt: Es geht um den freien Zugang zum Ufer des Groß Glienicker Sees - und um ein dubioses Vorkaufsrecht aus der Zeit des Faschismus.

Groß Glienicke - Ein Vorkaufsrecht aus der Nazizeit, geflohene jüdische Alteigentümer, ein Mauergrundstück und die Angst vor einer Sperrung des Uferzugangs – eine für den Donnerstag kommender Woche angesetzte Verhandlung am Potsdamer Landgericht bietet reichlich Konfliktstoff. Es geht um 352 Quadratmeter Wiese, die laut geltendem Bebauungsplan nicht einmal bebaut werden dürfte: Flurstück 160 liegt zwischen dem Ende der Sackgasse der Landhausstraße und dem Ufer des Groß Glienicker Sees.

Seeanrainer Rainer Dallwig verklagt die Stadt und die Grundstückseigentümerin Nancy Joy Felsten auf die Herausgabe des Grundstücks. Felsten – Erbin der jüdischen Familie Blaustein, die 1938 vor den Nazis über Frankreich in die USA flüchtete – hatte das Grundstück im Jahr 2005 der Stadt geschenkt. Dadurch fühlte sich Dallwig in seinen Rechten verletzt und erhob 2012 Klage. „Die Stadt hätte das Geschenk niemals annehmen dürfen“, sagte er am Dienstag den PNN. Für die Wiese war im Grundbuch ein Vorkaufsrecht eingetragen – berechtigt war der Eigentümer des Nachbargrundstücks. Und das gehört seit dem Jahr 2000 Dallwig. Die Wiese am Ufer sei von den Erben der früheren jüdischen Eigentümer zu Unrecht finanziell verwertet worden, meint Dallwig. Denn im Zuge der Schenkung wurde mit anderen Anwohnern ein auf 90 Jahre laufendes Mitnutzungsrecht am vom Ufer weiter entfernt liegenden Flurstück 159 ausgehandelt. Dafür flossen 20 000 Euro – etwa der Grundstückswert.

Die Stadtverwaltung sieht das anders: „Wir werden um das Grundstück kämpfen“, so Sprecher Stefan Schulz. Die Landeshauptstadt halte bereits die Eintragung des Vorkaufsrechts für sittenwidrig und daher für unwirksam, nichts anderes könne für die Ausübung gelten. Grund für die Einschätzung der Stadt, dass das Vorkaufsrecht sittenwidrig sei, ist der Zeitpunkt der Eintragung ins Grundbuch: Im Dezember 1940 war der Eintrag im Grundbuch auf Betreiben von Bernd von Zander vorgenommen worden. Von Zander war der frühere Eigentümer des Dallwig-Grundstücks und ein „strammer Nazi“, ist der Klageerwiderung zu entnehmen, die den PNN vorliegt. Er hatte es auf das Nachbargrundstück abgesehen. Doch die bereits 1938 geflohenen Blausteins wollten nicht verkaufen. Dann tauchte ein sogenannter Abwesenheitspfleger auf und ließ das Vorkaufsrecht ins Grundbuch eintragen. „Unstreitig dürfte sein, dass das im Jahr 1940 geschaffene Vorkaufsrecht Ausfluss nationalsozialistischen Unrechts ist“, heißt es dazu in der Klageerwiderung der Stadt weiter. Der Abwesenheitspfleger habe keine Vollmacht der Blausteins gehabt. Außerdem habe es für das Vorkaufsrecht keine Gegenleistung gegeben.

Zu DDR-Zeiten wurde die Fläche als Mauergrundstück enteignet und nach der Wende an die in New York lebenden Erben der Blausteins zurückgegeben. Bereits 1991 widersprach ein Anwalt der Erben dem Vorkaufsrecht – ohne Erfolg. Das Vermögensgesetz regelte lediglich die Streichung von Eigentümerfragen und Grundschulden, nicht jedoch sonstige Dienstbarkeiten wie Vorkaufsrechte.

So blieb es bei dem heute fast 74 Jahre alten Eintrag, auf den sich Dallwig beruft. Man könne nicht jedes Vorkaufsrecht aus der Nazizeit pauschal als Unrecht ansehen, sagt er. Nach seinen Recherchen gehe er davon aus, dass Wally Blaustein mit dem Vorkaufsrecht einverstanden war. „Die Erben sind ja Eigentümer geblieben“, so Dallwig. Er habe sein Grundstück gekauft und damit auch das Vorkaufsrecht am Nachbargrundstück miterworben.

Die Stadt möchte ihr Geschenk natürlich gern behalten, denn es dient als Verbindung des geplanten Uferweges mit der Landhausstraße. Die Klage solle in Wahrheit der Stadt die Durchsetzung eines öffentlichen Uferwegs erschweren, heißt es. Dem widerspricht Dallwig: Er habe keineswegs vor, die Verbindung zwischen Uferweg und Landhausstraße für Erholungssuchende zu sperren. Er selbst habe die angrenzende Badestelle gepflegt und mit Genehmigung der Stadt sogar eine Lkw-Ladung Ostseesand bringen lassen. Seine Kinder und Kinder aus der Nachbarschaft würden dort im Sommer baden. „So verhält man sich doch nicht, wenn man den Uferzugang sperren will“, sagte Dallwig.

Nun muss das Landgericht entscheiden. Gewinnt Dallwig, ist der Streit allerdings nicht zu Ende. „Wird der Klage stattgegeben, wäre zu prüfen, ob die nächste Instanz den Sachverhalt anders würdigt“, so Stadtsprecher Schulz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false