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Platz für den Fortschritt. Rund 30 000 Kubikmeter Beton müssen rückgebaut werden. Drei Millionen Euro lässt sich die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) den Abriss kosten.

© Andreas Klaer

Großprojekt der EWP: Ein Industrie-Relikt verschwindet

Das alte Heizwerk im Gewerbegebiet nahe Drewitz wird abgerissen, in den nächsten zehn Jahren soll hier der „Erzeugungspark Potsdam-Süd“ entstehen.

Potsdam - Kreischendes Metall, zerbrochene Betonplatten und Unmengen rostiger Schrott: Die Szenerie rund um das alte Heizwerk Potsdam mutet apokalyptisch an, mächtig ragt die baufällige Industrie-Ruine aus den Bergen von Schutt empor, die aus dessen eigenen Überresten bestehen. Hier, am Ende der Straße „Am Heizwerk“ im Gewerbegebiet Drewitz steht das Gebäude, das der Straße einst ihren Namen gab. 

Bereits seit 1995 ist es außer Betrieb, doch nun hat das Relikt der Kohle-Ära endgültig ausgedient: „Seit Januar läuft der Abriss, bis Juni oder Juli werden wir fertig sein“, sagt Projektleiter René Elgert von der Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP). Bereits seit 2020 wurde der Rückbau geplant und vorbereitet.

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Drei Millionen Euro lässt sich das Unternehmen den Abriss kosten, denn auf dem Gelände soll in den kommenden zehn Jahren der „Erzeugungspark Potsdam-Süd“ mit einem neuen Kraftwerk entstehen, welches das Heizkraftwerk Potsdam-Süd ablösen soll. „Wir schaffen Baufreiheit für die Zukunft, denn mittelfristig steht wieder ein Brennstoffwechsel im Dienste des Klimaschutzes an“, sagt Cordula Schmaler, EWP-Bereichsleiterin für Erzeugung und Entsorgung.

EWP will auf ökologische Energieerzeugung umsteigen

Der letzte Brennstoffwechsel fand in den 90er-Jahren statt: 1995 erfolgte mit dem Bau des Heizkraftwerkes Potsdam-Süd der Sprung von Kohle auf Erdgas. Worin genau der nächste Wechsel besteht, darüber schweigt die EWP; klar ist jedoch, dass es sich dabei um ökologische Energieerzeugung handeln soll, mit der die Ziele des „Masterplans Klimaschutz“ erfüllt werden sollen. Bereits 2019 wurde direkt neben der Heizwerk-Ruine eine Solarthermie-Anlage in Betrieb genommen, zudem hatte die EWP in der Vergangenheit Erkundungen für Geothermie in Potsdam durchgeführt.

Anspruchsvoll. Die EWP hat gezielt Spezialfirmen aus der Lausitz angeheuert.
Anspruchsvoll. Die EWP hat gezielt Spezialfirmen aus der Lausitz angeheuert.

© Andreas Klaer

Bevor der neue „Erzeugungspark“ realisiert werden kann, muss jedoch das zwei Hektar große Areal komplett beräumt werden: „Wir werden rund 70 000 Kubikmeter umbauten Raum abtragen, darunter rund 30 000 Kubikmeter Beton“, sagt René Elgert. Auch die große Kranbrücke muss weichen, die sich jetzt noch zwischen dem Heizwerk und dem ehemaligen Kohlelagerplatz befindet: Mit ihr wurde früher die Kohle auf ein Förderband gehievt, das die sechs Kessel des Heizwerks mit Nachschub versorgte.

Immer wieder Vandalismus und Kabeldiebstahl

Es kracht, eine riesige Aschewolke quillt aus der halboffenen Fassade des Heizwerks hervor. „Das ist die alte Entaschung, die lief früher komplett mechanisch“, sagt Elgert. Auf einem entkernten Vorbau sind noch die alten Zyklonfiltertrichter zu sehen, durch die die Asche früher aus dem Gebäude gesaugt wurde.

1976 war das Heizwerk erbaut worden; da es nur Wärme aber keinen Strom erzeugte, handelte es sich nicht um ein Kraftwerk im technischen Sinne. Auch ein Braunkohle-Heizwerk befand sich hier einst; beide waren für die Wärmeversorgung der Neubaugebiete zuständig, die damals im Potsdamer Süden entstanden. „Die Lage ist günstig durch die Nähe zu den Bahnschienen, dadurch konnte man leicht die Kohle antransportieren“, sagt Elgert. 

Nach der Stilllegung 1995 verfiel das Gebäude zunehmend, der 120 Meter hohe Schornstein wurde bereits 1997 gesprengt. „Es kam in den letzten Jahren immer wieder zu Vandalismus und Kabeldiebstahl“, sagt Elgert. Um Unbefugten das Betreten der Anlage zu erschweren, wurde sogar das untere Treppenhaus abgerissen.

Außer Betrieb. Nach der Stilllegung 1995 verfiel das Gebäude zunehmend.
Außer Betrieb. Nach der Stilllegung 1995 verfiel das Gebäude zunehmend.

© Andreas Klaer

Beton und Stahl sollen recycelt werden

25 Mann arbeiten aktuell auf der Baustelle. Die EWP hat gezielt Firmen aus der Lausitz angeheuert, die viel Erfahrung im Rückbau alter Industrieanlagen haben. Mehrere Bagger sind auf dem Gelände unterwegs: Sie brechen Betonplatten, zerschneiden alte Metallverkleidungen oder transportieren Schutt von A nach B. Von der Fassade des Heizwerks regnen Funken: Mit einem Schweißgerät zertrennt einer der Arbeiter Stahlverbindungen an der Außenhaut eines der Heizkessel.

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Der Abriss ist aufwändig, denn zum einen enthält die Heizwerkruine viele Schadstoffe, die speziell entsorgt werden müssen, und zum anderen noch nutzbare Baustoffe wie Stahl und Beton, die recycelt werden können. Deshalb muss ein selektiver Rückbau vorgenommen werden, bei dem die schädlichen und nützlichen Stoffe gründlich voneinander getrennt werden. 

Die Innereien der Ruine liegen sortiert auf dem Vorplatz: Die großen Haufen aus rostigen Überhitzer-Rohren, die sich vor dem Heizwerk türmen, wirken wie die Knochen eines ausgeschlachteten Ungeheuers; passend dazu erinnern die Stahlscheren-Bagger mit ihren saurierartigen Köpfen an Aasfresser, die die Überreste des einstigen Kolosses zerkleinern.

Wegen Schadstoffen müssen Bauarbeiter Vollschutz tragen

13 Einzelgebäude müssen auf dem Gelände abgerissen werden, nur zwei Gebäude, die zum Teil gewerblich vermietet sind, bleiben stehen. An ihnen wurden 24 Nistkästen für Turmfalken, Sperlinge, Hausrotschwänze, Blaumeisen, Bachstelzen, Stare und Fledermäuse angebracht. Angesichts der industriellen Umgebung überrascht diese Rücksicht auf den Artenschutz ein wenig, doch man darf nicht vergessen, dass das Gelände direkt an die Nuthewiesen grenzt, also an ein Landschaftsschutzgebiet.

Projektleiter René Elgert von der EWP
Projektleiter René Elgert von der EWP

© Andreas Klaer

Die Bauarbeiten an dem Heizwerk sind nicht ungefährlich: Im Gebäude befindet sich viel kontaminierte Asche, künstliche Mineralfasern und Asbest. Drinnen müssen die Bauarbeiter mit Vollschutz und Masken arbeiten, um keine Schadstoffpartikel einzuatmen. Hinzu kommt die Gefahr durch das Gebäude selbst: „Die Statik in solchen Anlagen ist nicht ohne“, sagt Elgert. Der Rückbau muss Stück für Stück erfolgen, von oben nach unten. Im Inneren des Gebäudes wird darauf geachtet, dass niemals ein Bauarbeiter über einem anderen Kollegen arbeitet.

Drei Meter Schutt müssen abgetragen werden

Wenn die oberirdischen Arbeiten im Sommer abgeschlossen sind, geht es in die Tiefe: Der ganze Heizhauskomplex steht auf einem Fundament aus drei Metern Schutt, der in den 60er-Jahren hier aufgeschüttet wurde. „Das sieht man gut an dem Höhenunterschied im Vergleich zu den Nutheweisen“, sagt Elgert. Durch diesen Schuttpanzer müssen er und seine Mitarbeiter durch, „Tiefenenttrümmerung“ lautet das Fachwort.

Elgert hofft, dass es dabei keine Überraschungen gebe, die seinen Zeitplan durcheinanderbringen. Damit sind vor allem unerwartete Schadstoffbelastungen gemeint: Niemand kann sicher sagen, was damals alles zusammen mit dem Schutt in den Boden gekippt wurde. „In den 60er-Jahren hat man es ja noch nicht so genau genommen mit den Umweltauflagen“, sagt Elgert.

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