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Nur noch Stehplätze. Die Regionalzüge zwischen Potsdam und Berlin sind voll – vor allem zu den Stoßzeiten. Das soll der Landesnahverkehrsplan ab 2022 ändern. Kritikern ist das aber viel zu spät. Auch im Potsdamer Rathaus ist man unzufrieden.

© Andreas Klaer

Große Pläne für Regionalverkehr: In vollen Zügen

Der neue Landesnahverkehrsplan verspricht mehr Regionalzüge für Potsdam. Aber die Freude darüber hält sich in Grenzen. Die gemächliche Umsetzung hinkt dem Boom der Region hinterher, sagen Kritiker.

Potsdam - Ein Student tippt auf seinem Laptop, daneben liest jemand in einer Tageszeitung, während ein Reisender vergeblich nach einem Abstellplatz für seinen Koffer sucht. Währenddessen instruiert ein Fremdenführer seine Gruppe lautstark quer durch den Waggon und der Duft einer Leberwurststulle weht umher. In den Regionalzügen zwischen Potsdam und Berlin spielt das pralle Leben. Doch häufig kommen sich die Fahrgäste ungewollt nahe. Denn es wird seit Jahren immer voller, besonders im Berufsverkehr – dann sind häufig nur noch Stehplätze zu haben. Eine Einladung für Autofahrer zum Umstieg auf die Bahn sind solche Zustände nicht. Deshalb fordern Brandenburger Kommunen und Fahrgastverbände seit Jahren bessere Regionalzugverbindungen von und nach Berlin.

Nun tut sich etwas: Am Montag haben Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) und die Geschäftsführerin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, Susanne Henckel, den Plan für die Regional- und S-Bahnen in der Region ab 2022 vorgestellt. Für Potsdam sieht er unter anderem einen 20-Minuten-Takt für den stark genutzten Regionalexpress 1 im Berufsverkehr vor. Außerdem soll es eine neue Regionalbahnverbindung von Potsdam über Golm zum Fernbahnhof in Berlin-Spandau geben. Auch die Regionalexpresslinie 7 soll ab 2022 zweimal pro Stunde fahren statt einmal. Bis 2023 soll auch der obere Bahnsteig des Bahnhofs Pirschheide auf der Strecke zwischen Potsdam und Schönefeld wieder offen sein. „Wir werden das Angebot an vielen Stellen im Netz ausweiten“, sagte Schneider.

Umsetzung erst 2022: Stadt Potsdam dringt auf schnellere Lösungen

Doch das Versprechen für die Zukunft erntet in Potsdam nicht allzu viel Applaus: Sowohl im Potsdamer Rathaus als auch beim Fahrgastverband Pro Bahn und der Universität Potsdam wird zwar die Absicht begrüßt, das Angebot mit neuen Linien und dichteren Takten auszuweiten. Doch Verbesserungen in fünf Jahren kämen zu spät, so der Tenor der Kritik.

In der Stadtverwaltung spricht man von einer lange bekannten Situation. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Forderungen gegeben, besonders den RE 1 von Magdeburg nach Frankfurt (Oder) häufiger und mit mehr Waggons fahren zu lassen – Letzteres scheitert bisher daran, dass außerhalb des Berliner Außenrings die Bahnsteige oft zu kurz sind. „Wir bedauern, dass die Umsetzung des Landes erst zu 2022 erfolgt“, sagte Stadtsprecherin Friederike Herold.

Stadtverwaltung will Bahnhof Marquardt zur Drehscheibe ausbauen

Vor allem für die dringend erforderliche Taktverdichtung des RE1 zwischen Potsdam und Berlin sei das viel zu spät. In dieser Sache wolle man auch nicht locker lassen: „Hier bitten wir erneut dringend um eine vorzeitige Lösung“, so Herold. Ganz ausgeschlossen ist das auch nicht. Der VBB prüft nämlich derzeit, den Takt des RE1 schon zum Fahrplanwechsel 2018 – also in gut einem Jahr – zu verdichten.

Gut kommt im Rathaus hingegen der Plan des Landes an, Potsdam über Golm mit Spandau zu verbinden. Das sei eine Alternative für Pendler aus dem Potsdamer Norden. Der Stadtverwaltung spielt die Idee in die Hände, denn sie will den Bahnhof Marquardt ab 2019 zu einer sogenannten Mobilitätsdrehscheibe ausbauen. Konkret sollen erstmal Fahrradständer, ein Parkplatz und eine Wendeschleife für Busse entstehen. Denn den Bahnhof selbst müsste die Bahn als Eigentümer sanieren. Durch die neue Verbindung würde das Vorhaben jedoch eine höhere Priorität bekommen. Potsdam müsse auch seine eigene Nahverkehrsplanung auf das künftige Bahnangebot abstimmen. „Hier müssen sinnvolle Takte gefunden werden“, so Herold.

Beim Fahrgastverband hält sich der Jubel in Grenzen: „Drei Regionalexpresszüge pro Stunde hatten wir schon 1998“

Auch bei der Uni Potsdam ist man über den Spandau-Plan erfreut. „Sowohl pendelnde Studenten und Wissenschaftler als auch Besucher könnten profitieren“, sagte die Verkehrsbeauftragte Katrin Schneider. Der Fernbahnhof in Spandau wäre nämlich deutlich schneller zu erreichen als der Berliner Hauptbahnhof. Die Verbindung war schon seit Jahren eine Forderung des Wissenschaftsparks Golm. Die Taktverdichtung beim RE1 wird hingegen bei der Universität zurückhaltender kommentiert. Die Kapazitätsprobleme seien lange bekannt. Man sei froh, dass nun mit dem 20-Minuten-Takt zumindest eine Verbesserung angekündigt werde. Allerdings hätte man sich vier Fahrten pro Stunde gewünscht, so Schneider.

Beim Fahrgastverband Pro Bahn formuliert man deutlicher: „Drei Regionalexpresszüge pro Stunde hatten wir schon 1998“, erinnerte sich Sprecher Hans Leister, „und zwar den ganzen Tag über und nicht nur in der Stoßzeit.“ Die Überfüllung der Züge sei schon lange offenkundig. Die Ankündigungen des Landes kämen spät. Im Regionalverkehr gebe es großen Nachholbedarf. „Potsdam und die Kommunen im Umland wachsen ja weiter“, sagte Leister. In fünf Jahren werde der Bedarf noch deutlich größer sein. Die Pläne des Landes seien nicht ausreichend. Auch beim Fahrgastverband Igeb hätte man sich die Ausweitung des Angebots auf der Schiene schon früher gewünscht. Aber: „Endlich erkennt das Land, dass es hier etwas machen muss“, so Sprecher Jens Wiesecke.

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Hintergrund: Der Landesnahverkehrsplan

Mehr Züge, mehr Kilometer: Statt aktuell 31,5 Millionen Zugkilometern pro Jahr im Regionalverkehr sollen es 2022 rund 34 Millionen sein. Das sieht der Entwurf des neuen Landesnahverkehrsplans vor. Der Bedarf ist da: 2001 wurden bei den Regionalzügen 42,6 Millionen Fahrten gezählt, 2015 dann 77,4 Millionen. 2016 nahm die Fahrgastzahl um 5,2 Prozent zu.

Doch mit dem größeren Angebot stößt der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg „an die Grenzen der Infrastruktur“. Daher verhandeln die Länder Berlin und Brandenburg derzeit mit der Bahn im Rahmen des Zukunftsprojekts „i2030“ über den Ausbau der Strecken, besonders auf dem eingleisigen Weg nach Cottbus ist es eng. Auf der möglichen Stammbahn nach Potsdam hält Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) Regionalbahnen für sinnvoller, um die überfüllte Stadtbahn in Berlin zu entlasten. Bis 2030 soll auch ein zweites S-Bahngleis zwischen Griebnitzsee und Wannsee kommen.

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