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Abschied. Als Propst Klaus-Günter Müller vor 19 Jahren seine Dienstwohnung bezog, waren die Linden auf dem Bassinplatz noch sehr klein, frisch gepflanzt. Die St. Peter und Paul-Gemeinde wuchs, die Bäumchen auch. Jetzt geht Müller in den Ruhestand.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Gott, nicht Sozialismus

Er wäre gerne Lehrer geworden, aber nicht in der DDR. So wurde Klaus-Günter Müller Pfarrer. Am Sonntag feiert er Priesterjubiläum und seinen Eintritt in den Ruhestand

Dafür, dass er in wenigen Tagen umzieht, ist Propst Klaus-Günter Müller sehr entspannt. Ein paar Umzugskartons sind schon noch zu packen, sagt er, aber Zeit für die eine oder andere letzte Minute auf dem Balkon der Dienstwohnung am Bassinplatz muss sein. „Das ist der Drei-Kirchen-Blick“, sagt Müller. Vom zweiten Stock des Holländerhauses sieht man Nikolaikirche, Französische Kirche und St. Peter und Paul. Hier wird Müller am Sonntag in den Ruhestand verabschiedet und zum 30. Juni entpflichtet – nach 19 Jahren als Gemeindepfarrer und Propst, Vertreter des Bischofs im Land. Eine Aufgabe, die mit vielen zusätzlichen Terminen verbunden war, sagt Müller. Und die auch mal zu Überschneidungen führte. Im Zweifel, sagt der Propst, habe er lieber einen Repräsentations-Besuch sausen lassen, damit der Religionsunterricht in Potsdam nicht ausfallen musste. „Ich konnte die Kinder doch nicht alleine lassen.“

Sechs Kinder sind es insgesamt in der Familie in Brandenburg an der Havel, in die Klaus-Günter Müller 1952 hineingeboren wird. Als Jugendlicher erlebt Müller Gemeinde und Kirche als einen Ort der Freiheit, eine wohltuende Insel in einer von Lügen geprägten Diktatur. „In der Gemeinde musste man sich nicht verbiegen.“ Seine Eltern sind Lehrer, und vielleicht hilft ihm das damals, dass er als aktiver Christ Abitur machen darf. Er, der im Staatsbürgerkundeunterricht nur eine Zwei bekommt. „Das Wissen war ja da, aber ich hatte nicht den Glauben an den Sozialismus“, das habe ihm damals die Lehrerin wörtlich gesagt.

Freie Berufswahl hat er trotz Abi nicht. Gerne wäre er Lehrer geworden, aber eben nicht in dieser DDR. Blieb damals als Alternative ein unpolitisches technisches Studium. Aber weil er etwas mit Menschen machen möchte und Pfarrer gesucht werden, entscheidet er sich für ein Theologiestudium in Erfurt und letztlich für den Priesterberuf. 1978 wird er in der Berliner Hedwigskathedrale geweiht – auf den Tag genau feiert er am Sonntag nicht nur Abschied, sondern auch sein 40-jähriges Priesterjubiläum.

Als Priester kommt er bereits 1982 das erste Mal nach Potsdam. Vier Jahre ist er Kaplan in St. Peter und Paul und später von 1991 bis 1999 Pfarrer in der Babelsberger Antonius-Gemeinde, bevor er als Propst nach Potsdam wechselt. Zur Wendezeit gibt es in ganz Potsdam rund 3000 Katholiken. Heute hat allein die St. Peter und Paul-Gemeinde um die 7300 Mitglieder, sagt Müller. Potsdam wächst und viele der Zugezogenen sind katholisch. „Ich weiß nicht, wie viele Kinder ich getauft habe, ich habe nicht gezählt“, sagt der Pfarrer. Die 1722 gegründete Potsdamer Diaspora-Gemeinde habe damit eine ganz ordentliche Entwicklung erlebt und eben auch die Nazis und die DDR überlebt. Der neue Feind der Religiosität ist der zunehmende Materialismus, sagt Müller. „Durch Egoismen machen wir einander das Leben schwer.“ Dabei könnte es so einfach sein, wenn man beispielsweise in der Flüchtlingsdebatte den christlichen Grundsatz der Nächstenliebe verinnerlichte.

Die Potsdamer wird er als eine sehr lebendige, vielschichtige Gemeinde in Erinnerung behalten. „Man ist hier auch sehr offen für Neues, Ideen, die Zugezogene mitbringen. Und das hat ja Tradition in Potsdam.“ Gerne erinnert er sich an die Bundesgartenschau 2001, als die Potsdamer Gemeinden im Bugapark ein großes Zelt für Besucher unterhielten. Die Zusammenarbeit mit den evangelischen Kirchen findet er wichtig. „Ökumene funktioniert hier sehr gut – wir machen Sachen, von denen in anderen Städten nur geredet wird.“

Ungern erinnert er sich an den Tag, als Papst Johannes Paul II. starb und man spontan einen Gedenkgottesdienst veranstaltete. Das Ordnungsamt kannte keine Gnade und verteilte an die illegal auf dem Bassinplatz geparkten Autos der Kirchgänger Knöllchen. Ein Unding, findet Müller. „In Rom herrscht Ausnahmezustand und hier passiert so was.“ Er wird auch die Potsdamer Staus nicht vermissen, zum Beispiel wenn er zum Gottesdienst nach Werder unterwegs war. Und manchmal hat ein Pfarrer, ein Seelsorger, auch dringende Einsätze, wo jede Viertelstunde zählt.

Bis zuletzt hat er nun noch zu tun, wurde für Trauungen und Taufen angefragt. Dann wird er sein Feld dem Neuen überlassen. Arnd Franke ist Mitte 40 und stammt aus Stralsund. Am 2. September soll er eingeführt werden und dann auch die lange geplante Zusammenlegung der beiden Potsdamer Gemeinden sowie Michendorf und Werder umsetzen.

Müllers neues Zuhause wird das Kloster im idyllischen Alexanderdorf bei Mellensee. Bei den Benediktinerinnen bezieht Müller seine eigene Wohnung – mit Vollpension. Er freut sich auf den Ruhestand mit Rundumversorgung. Denn die Zeiten, da einem Pfarrer stets eine beflissene Haushälterin zur Verfügung stand, sind lange her. „Ich habe selber gekocht.“ Angst vor Einsamkeit und Langeweile hat er nicht. Er wird nun mehr Zeit haben für seine Familie mit vielen Nichten und Neffen. Und für seine Hobbys – Wandern, Abfahrtsski fahren, Konzertgitarre spielen, Lieder von Reinhardt Mey, Gerhard Schöne oder selbst gedichtete und komponierte „Quatschlieder“, die er gerne vorsingt. Mit Musik wird manches einfacher, sagt er. Die Gemeinde würde ihn vermutlich irgendwo zwischen cool und streng einordnen. „Mein Anliegen ist es immer, Menschen froh zu machen. Ich denke, das ist mir in Potsdam gelungen.“

Sonntag um 10 Uhr Heilige Messe, Priesterjubiläum und Verabschiedung, dann Festveranstaltung im Treffpunkt Freizeit

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