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Landeshauptstadt: Goldener Glanz auf dem maroden Dach

Figurengruppe „Drei Grazien“ ziert wieder das Neue Palais. Das Schloss bleibt eine Baustelle

Von Peer Straube

Sanssouci - Zum ersten Mal seit Friedrichs II. Lebzeiten glänzt es auf der Kuppel des Neuen Palais wieder golden. Die Figurengruppe „Drei Grazien“ ist am Montag nach einjähriger Restaurierung per Kran wieder auf das Dach des Schlosses gehoben worden. Wer in den letzten Jahrzehnten den Blick auf die 66 Meter hohe Schlosskuppel richtete, brauchte ein scharfes Auge, um die aus Kupfer getriebenen Figuren überhaupt erkennen zu können – mit Grünspan überzogen hoben sie sich vom Rest der Dachbekrönung kaum ab. Denkmalpfleger der Schlösserstiftung gruben in den Archiven und fanden heraus, dass das Ensemble ursprünglich mit Blattgold überzogen war – zwei frische Lagen sorgen nun dafür, dass die „Grazien“ nebst ihrer Bekrönung aus einer Krone, die auf einem Kissen ruht, wieder einen glänzenden Eindruck machen.

Die Wiederherstellung der Vergoldung sei „ein alter Traum“, sagte Saskia Hüneke, die bei der Schlösserstiftung zuständig für die Skulpturen ist, den PNN. Überall in Potsdam seien Figuren auf der Spitze von Gebäuden in aller Regel vergoldet, sagte Hüneke und verwies auf die Fortuna auf dem Fortunaportal des Stadtschlosses, die Caritas auf dem Dach des Militärwaisenhauses und die beiden Göttinnen-Skulpturen auf den Communs-Gebäuden vis-à-vis vom Neuen Palais. Das Aussehen solcher Figuren sei immer „auf die Fernwirkung angelegt“, so Hüneke.

In der Tat. Denn aus der Nähe betrachtet wirken die drei Figuren, die Göttinnen der Anmut, Begleiterinnen der Liebesgöttin Venus, darstellen sollen, nicht sonderlich grazil. Entworfen hat die je gut dreieinhalb Meter hohen kupfernen Rubensmodelle laut Stiftung wohl der Potsdamer Bildhauer Johann Christoph Wohler d.J., der von 1748 bis 1799 lebte. In Kupfer getrieben hat sie dann der Potsdamer Kupferschmied Friedrich Jury, der auch Schadows berühmte Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin geschaffen hat. Die recht stämmigen Waden und Schenkel der „Drei Grazien“ haben aber auch einen ganz handfesten Grund. In luftiger Höhe auf der Kuppel mussten sie genug Gewicht und Standfestigkeit mitbringen, um Wind und Wetter trotzen zu können.

Das waNEUES PALAIS]r zuletzt nicht mehr der Fall. Die letzte Reparatur des Ensembles lag fast 50 Jahre zurück. Den Figuren hatte die Korrosion derart zugesetzt, dass sie herunterzufallen drohten. Für die Stiftung eine unangenehme Überraschung: 430 000 Euro kostete die Instandsetzung insgesamt, die aus dem 155 Millionen Euro schweren Masterplan bezahlt wurde, den der Bund, Berlin und Brandenburg zur Rettung der bedrohten Welterbeschlösser aufgelegt haben. Vor einem Jahr wurden die Figuren heruntergehoben, in ihre Einzelteile zerlegt und in eine Restaurierungswerkstatt in Sachsen transportiert, wo die Schäden behoben wurden.

Ungeachtet der Reparatur der „Drei Grazien“ wird das Dach des Neuen Palais die Restauratoren noch auf Jahre hinaus beschäftigen. Neun Millionen Euro seien dafür nötig, sagte die Projektleiterin für das Neue Palais bei der Schlösserstiftung, Heike Zeymer, den PNN. Fast ein Drittel dieser Summe verschlinge schon das Gerüst, das während der Bauarbeiten gleichzeitig als Wetterschutz dienen soll. Zudem müsse die Entwässerung verbessert und ein neuer Blitzschutz angebracht werden.

Finanziert ist dieses Vorhaben bislang nicht, obwohl die Stiftung aus dem Masterplan bis Ende 2017 fast 26 Millionen Euro allein für Bauarbeiten am Neuen Palais ausgibt. Dieses Geld fließt wie berichtet vor allem in die Trockenlegung des Schlosses – der gesamte Sockelbereich wird derzeit abgedichtet. Einen großen Batzen verschlingt zudem die Restaurierung der maroden Holzbalkendecke zwischen dem kostbaren Fußboden im Marmorsaal und der nicht minder wertvollen Decke im darunterliegenden Grottensaal.

Mindestens weitere 26 Millionen Euro seien für das Neue Palais noch nötig, um nur die gröbsten Schäden zu beheben, schätzt Zeymer. Vor allem gelte es, den Schwammbefall im Innern zu bekämpfen. Der schädliche Pilz sitze „praktisch überall“ im Gebäude, so Zeymer.

Damit die Restaurierung am Neuen Palais und den anderen bedeutenden Preußenschlössern nach dem Auslaufen des ersten Masterplans Ende 2017 nahtlos weitergehen kann, will die Stiftung im kommenden Jahr über eine Fortführung des Masterplans verhandeln. Mindestens noch einmal 155 Millionen Euro seien nötig, hatte Stiftungschef Hartmut Dorgerloh erklärt.

Allerhöchste Dringlichkeit hätten neben der Fortsetzung der Arbeiten am Neuen Palais, am Schloss Charlottenburg und am Schloss Babelsberg die Restaurierung der Römischen Bäder und des Pfaueninsel-Schlosses, sagte Masterplan-Koordinator Ayhan Ayrilmaz den PNN. Für Letztere war bereits im aktuellen Masterplan Geld eingeplant, das aber für noch drängendere Aufgaben umgeschichtet werden musste. Auch für den Neubau des geplanten neuen Besucherzentrums an der Historischen Mühle und des Restaurantgebäudes am Neuen Palais hofft die Stiftung auf einen neuen Masterplan. Diese Projekte wollte die Stiftung eigentlich über eine öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) verwirklichen, ein Verfahren, bei dem ein privater Investor das Vorhaben umsetzt – ein Plan, der aus Gründen der Rentabilität aufgegeben wurde.

Derzeit arbeitet die Stiftung an einer Prioritätenliste, so Ayrilmaz. Auf diesem Papier soll dann auch die konkrete Summe stehen, über die Dorgerloh 2015 mit den Stiftungsgebern – dem Bund, Berlin und Brandenburg – verhandeln will.

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