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Auf der Plantage. Das Glockenspiel wurde zunächst im westdeutschen Iserlohn aufgestellt und kam nach dem Fall der Mauer nach Potsdam.

© Andreas Klaer

Glockenspiel der Garnisonkirche: Die Analyse der umstrittenen Inschriften

Architekturprofessor Philipp Oswalt analysiert die rechten Inschriften des Glockenspiels auf der Plantage und kritisiert die Stiftung Garnisonkirche. Die wiederum verteidigt sich.

Innenstadt - Es war ein offener Brief namhafter Persönlichkeiten, der im vergangenen Jahr dazu führte, dass die Stadtverwaltung das Glockenspiel auf der Plantage in der Potsdamer Innenstadt abstellte. Stein des Anstoßes damals: die rechtslastigen Inschriften einzelner Glocken des Carillons. Initiiert hatte den Brief der Kasseler Architekturprofessor Philipp Oswalt. Auf einer Veranstaltung im Potsdam Museum am Donnerstagabend stellte Oswalt nun einzelne der kritisierten Widmungen näher vor.

So sei eine der Inschriften der Fallschirm-Panzerjäger-Abteilung 1 der deutschen Wehrmacht gewidmet, sagte Oswalt. Dieser Truppenteil gehörte zur 1. Fallschirmjäger-Division, die an Kriegsverbrechen in Italien beteiligt war. Eine andere Glocke erinnert Oswalt zufolge an die 257. Infanterie-Division. Sie war am Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion beteiligt. Ebenfalls im Carillon mit einer Inschrift verewigt ist demnach die 121. Infanterie-Division. Dieser Wehrmachtsverband nahm an der Belagerung Leningrads, dem heutigen Sankt Petersburg, teil. Dabei starben allein über eine Million Zivilisten. Diese Widmung für die 121. Infanterie-Division enthält zudem die lateinischen Worte „suum quique“, zu Deutsch „Jedem das Seine“. Der Spruch hat seine Wurzeln zwar in der griechischen Antike. Die Nationalsozialisten pervertierten ihn jedoch, indem sie diese Worte über dem Haupttor des Konzentrationslagers Buchenwald anbrachten. Auch Joachim Helbig, einem gefürchteten Kampfflieger des Zweiten Weltkriegs, ist eine der Glocken gewidmet.

Der Architekturprofessor und frühere Leiter der Dessauer Bauhaus-Stiftung, Philipp Oswalt.
Der Architekturprofessor und frühere Leiter der Dessauer Bauhaus-Stiftung, Philipp Oswalt.

© privat

Eine weitere Widmung betrifft laut Oswald den inzwischen aufgelösten Verband deutscher Soldaten, der sich unter anderem für die Rehabilitierung verurteilter Wehrmachtssoldaten einsetzte. Ebenfalls von zumindest zweifelhaftem Inhalt ist die Inschrift einer Glocke des Potsdamer Carillons, die den Schlesischen Truppen gewidmet ist. Sie enthält den Zusatz: „Kein Unglück Ewigk“. Sollte hiermit der Forderung nach einer Rückkehr der verlorenen schlesischen Gebiete nach Deutschland das Wort geredet werden?

Philipp Oswalt ging in seinem Vortrag am Donnerstagabend ausführlich auf die Entstehungsgeschichte des Glockenspiels ein. Initiator des Carillons, einem Nachbau des Glockenspiels der historischen Garnisonkirche, war in den 1980er Jahren der Oberstleutnant der Bundeswehr Max Klaar. Schon lange bevor die DDR unterging, hatte er mit seiner Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel Geld für das neue Geläut gesammelt. 1987 war Klaar am vorläufigen Ziel angelangt: Das Glockenspiel mit seinen teils rechten Widmungen auf den Glocken wurde im westdeutschen Iserlohn aufgestellt. Dann, nach dem Fall der Mauer, kam es nach Potsdam und wurde am 14. April 1991, dem 46. Jahrestag der Zerstörung Potsdams, auf der Plantage eingeweiht.

Sehr rechtslastig

Nicht nur viele der Inschriften auf den Glocken, sondern auch der Initiator des Glockenspiels, Max Klaar, und sein Umfeld, seien sehr rechtslastig, sagte Oswalt. So habe die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel zeitweise die Preußischen Mitteilungen herausgegeben, eine Zeitschrift, in der ein allzu unkritischer Umgang mit der militärischen Vergangenheit Deutschlands gepflegt worden sei.

Von besonderer Bedeutung für den umstrittenen derzeitigen Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche sei ein Gespräch zwischen Max Klaar und dem ehemaligen evangelischen Bischof Wolfgang Huber im Juli 2000 gewesen. Klaar habe dabei seine Vorstellungen vom Wiederaufbau der Garnisonkirche erläutert. Und diese Ideen seien dann von der evangelischen Kirche übernommen worden. „Ich muss Ihnen sagen, das, was Herr Klaar Herrn Huber im Juli 2000 vorschlägt, ist eins zu eins das, was sie heute hier in Potsdam machen“, äußerte Oswalt auf der Veranstaltung am Donnerstag und meinte damit den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche. Dass sich jedoch Klaar und die Stiftung Garnisonkirche wegen unüberbrückbarer inhaltlicher Differenzen mittlerweile längst überworfen haben, ließ Oswalt dabei unerwähnt. Klaar hatte es unter anderem abgelehnt, ein Versöhnungszentrum am Standort der historischen Garnisonkirche zu errichten. Genau dies plant jedoch die evangelische Kirche. Klaar gab daraufhin kein Geld für das Projekt, obwohl er bereits Spenden gesammelt hatte. Allerdings profitierten andere Kirchen von den Spendenmillionen.

Das Glockenspiel wurde zunächst im westdeutschen Iserlohn aufgestellt und kam 1991 nach Potsdam.
Das Glockenspiel wurde zunächst im westdeutschen Iserlohn aufgestellt und kam 1991 nach Potsdam.

© Andreas Klaer

Unerfahrenheit und Begeisterung

Auf der von dem Verein Martin-Niemöller-Stiftung organisierten Veranstaltung, die von rund 100 Menschen besucht wurde, kritisierte Oswalt zudem Wieland Eschenburg, Kommunikationsvorstand der Stiftung Garnisonkirche. In seiner Eigenschaft als Potsdamer Kulturstadtrat habe Eschenburg Anfang der 1990er Jahre die Aufstellung des Glockenspiels mit Klaar verhandelt. Schon da hätte man von den Inschriften wissen können, so Oswalt. Eschenburg wiederum sagte am Freitag gegenüber den PNN, es habe damals seinerseits eine gewisse Unerfahrenheit, gepaart mit der Begeisterung für das Glockenspiel gegeben. Auch habe man die rechten Ansichten Klaars zu dieser Zeit noch nicht gekannt.

Eschenburg verteidigte auch, die Veranstaltung am Donnerstag trotz Einladung nicht besucht zu haben. Denn die Stiftung Garnisonkirche sei nicht zuständig für das der Stadt Potsdam gehörende Glockenspiel auf der Plantage. Zudem wolle man sich nicht immer wieder in die „rechte Ecke“ stellen lassen. Dass diese Befürchtung Eschenburgs nicht ganz unbegründet ist, bewies auf der Veranstaltung indes Lutz Boede von der Wählervereinigung Die Andere. Mit Blick auf die Herkunft von Spenden für den Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms behauptete Boede, die Garnisonkirche habe für jene Menschen eine Bedeutung, die in irgendeiner Weise in der Tradition des Nationalsozialismus stünden, „für alle anderen eher nicht“.

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