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Das Justizzentrum in Potsdam. Dort wird den mutmaßlichen Tätern der Prozess gemacht. 

© Ralf Hirschberger / dpa

Gerichtsprozess in Potsdam: Bedroht, misshandelt, ausgeraubt

Vier Männer sollen eine Potsdamer Familie bei einem nächtlichen Einbruch brutal überfallen haben. Jetzt wird ihnen der Prozess gemacht. Er begann mit beängstigenden Schilderungen - und einem Geständnis. 

Potsdam - Es sind traumatische Szenen, die Frank und Ina T.* mit ihrer Tochter in der Nacht zum 25. Juli 2017 durchgemacht haben müssen: Zwei Männer brachen gegen 4.30 Uhr in das Haus der Familie in der Bertinistraße ein. Als die Familie wegen der Geräusche erwachte, wurde sie von den Männern brutal angegriffen.

Die Details aus der Anklageschrift, die am Montag beim Prozessauftakt gegen die mutmaßlichen Täter am Landgericht Potsdam verlesen wurde, sind beängstigend. Demnach soll die Familie mit einem Küchenmesser bedroht worden sein, einer der Täter soll die Frau zu Boden geworfen und an Kopf und Oberkörper auf sie eingetreten haben und dabei geschrien haben, wo das Geld sei.

Sie würden ihre Tochter nicht wiedersehen, sollen die Täter gedroht haben

Auch als das Paar 3000 Euro Bargeld und silberne Münzen aus einem Tresor im Schlafzimmer übergeben habe, sollen die Räuber nicht von ihren Opfern abgelassen und mehr Bargeld gefordert haben. Dabei soll einer der beiden das minderjährige Mädchen in den Schwitzkasten genommen und gewürgt haben und den Eltern gedroht haben, sie würden ihre Tochter nicht wiedersehen. Das Mädchen soll ins Badezimmer geschafft und dort in den Rücken getreten worden sein. Dann sollen die Täter Schmuck des Mädchens und weitere Wertsachen an sich gebracht haben, sie und ihren Vater eingeschlossen haben und geflohen sein. Die Mutter, der die Flucht gelungen war, konnte von einem Nachbarn aus die Polizei alarmieren. Eine sofort eingeleitete Großfahndung führte damals zum schnellen Erfolg: In der Berliner Straße nahm die Polizei damals die zwei nun Hauptangeklagten fest, sie sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft.

Ihnen wird erpresserischer Menschenraub vorgeworfen

Seit Montag müssen sich die mutmaßlichen Täter und Mittäter, vier Berliner im Alter von 22 bis 32 Jahren, vor dem Landgericht Potsdam verantworten – unter anderem wegen des Vorwurfs des erpresserischen Menschenraubs. Am ersten Verhandlungstag wurde neben der Anklage auch die Einlassung von John R., einem der zwei Hauptangeklagten, verlesen. Jorge H., der mit R. in das Haus eingebrochen sein soll, will sich später vor Gericht äußern, ebenso wie der als Mittäter angeklagte Florian G., wie ihre Anwälte sagten. Der vierte Mann, Nico N., schweigt vorerst.

Dem 22 Jahre alten Jorge H. wirft die Staatsanwaltschaft zudem eine weitere Straftat vor, über die ebenfalls in dem Prozess verhandelt wird. H. soll demnach bereits 2013 mit zwei anderen Komplizen in ein Haus in Berlin-Wandlitz eingebrochen sein und dort Goldbarren, Silber und Münzen im Gesamtwert von rund 300 000 Euro erbeutet haben.

"Es war das Schlimmste, was ich jemals getan habe"

John R. zeigte sich in seiner von seiner Verteidigerin verlesenen Einlassung geständig und reuig. Der 25-jährige zweifache Vater, der eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann wegen gesundheitlicher Probleme abgebrochen hat, zeichnete von sich das Bild eines Menschen in finanzieller Not und Sorge um das Wohl seiner Familie, der sich in der Hoffnung auf schnelles Geld auf eine Straftat eingelassen hat, deren Schwere er nicht abschätzen konnte. Er wirkte betroffen, hatte teils Tränen in den Augen. „Es war das Schlimmste, was ich jemals getan habe“, so der Angeklagte, der 2006 mit seiner Mutter aus Kuba nach Deutschland gezogen ist. Er bitte Familie T. „aus tiefstem Herzen um Verzeihung“.

Angestiftet worden sei er von Jorge H., der um seine Geldprobleme gewusst habe. H. – wie R. kubanischer Staatsbürger, der seit Längerem in Deutschland lebt – sei für ihn damals ein Freund gewesen. Am Tatabend habe ihm H. unerwartet am Telefon „ein Angebot“ gemacht: „Es gebe etwas, womit ich mir Geld verdienen könnte.“ Er sei von H. abgeholt worden, auch Florian G., deutscher Staatsbürger, saß demnach mit im Auto. H. habe erklärt, dass man in ein Haus in Potsdam einbrechen wolle, wo es „140 000 Euro Schwarzgeld“ gebe. Das habe er von der Putzfrau der Familie erfahren. Auch eine Kamera sei im Vorfeld installiert worden, um die Familie auszukundschaften. Außerdem habe H. erklärt, die Familie sei im Urlaub, es gebe keine Alarmanlage. Ihm selbst, R., sei ein Anteil von 50 000 Euro versprochen worden – „für mich unvorstellbar viel Geld“. Er habe damit seine beiden Söhne in Berlin und die Familie in Kuba unterstützen wollen, so der Angeklagte.

Dass die Familie zu Hause war, damit habe keiner gerechnet

Die Männer haben nach seiner Darstellung auf dem Weg nach Potsdam Alkohol konsumiert und Hasch geraucht, er habe sich im Auto übergeben müssen. Nico N., ebenfalls Deutscher, sei von H. noch hinzugeholt worden, „weil der mehr Eier habe“. Während R. und H. ins Haus eingedrungen seien, warteten die Komplizen im Fluchtauto in der Nähe.

Dass Familie T. zu Hause war, damit habe keiner gerechnet, über die Möglichkeit sei vorher nicht gesprochen worden, so der Angeklagte. Er sei mit der Situation dann völlig überfordert gewesen: „Ich bin durchgedreht.“ Die Gewalt insbesondere gegenüber Ina T., die er getreten und geschlagen habe, und ihrer Tochter, erklärt er mit Kontrollverlust. Seine Kraft habe er nicht mehr einschätzen können. „Wenn ich mir das heute vorstelle, zerreißt es mir das Herz.“ Er wolle für seine Taten nun „die volle Verantwortung übernehmen“.

Für den Prozess sind insgesamt neun Verhandlungstage angesetzt, noch vor Weihnachten könnte ein Urteil fallen.

*Namen von der Redaktion geändert

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